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Wie eine kontinuierliche Kontrolle von Granulaten gelingen kann

Nicht alle Prozesse in der Chemie- und Life-Science-Industrie lassen sich ohne Weiteres kontinuierlich prüfen. Gerade im Bereich der Trocken-Granulierung wird die Inprozesskontrolle stiefmütterlich behandelt, obschon die Erfahrung aus der Industrie zeigt, dass eine kontinuierliche Überwachung eines Prozesses nicht nur wirtschaftlich ist, sondern auch die Qualität des Endprodukts steigert. Eine neue Lösung für die kontinuierliche Trocken-Granulierung haben die Alexanderwerk GmbH und die Parsum GmbH in einem kürzlich abgeschlossenen gemeinsamen Forschungsprojekt entwickelt.
Granulate sind die Grundlage zahlreicher Produkte im Bereich Pharma und Food; sie unterliegen strengsten Qualitätsanforderungen. (Bild: Shutterstock)

Nicht alle Prozesse in der Chemie- und Life-Science-Industrie lassen sich ohne Weiteres effizient kontinuierlich prüfen. Gerade im Bereich der Trocken-Granulierung wird die Inprozesskontrolle stiefmütterlich behandelt, obschon die Erfahrung aus der Industrie zeigt, dass eine kontinuierliche Überwachung eines Prozesses in Echtzeit nicht nur wirtschaftlich ist, sondern auch die Qualität des Endprodukts steigert. Eine neue Lösung für die kontinuierliche Trocken-Granulierung haben die Alexanderwerk GmbH und die Parsum GmbH in einem kürzlich abgeschlossenen gemeinsamen Forschungsprojekt entwickelt.

Die Herstellung von Granulaten als Basis für chemische oder pharmazeutische Produkte erfolgt häufig im diskontinuierlichen Batch-Verfahren. Insbesondere in der pharmazeutischen Industrie wird diese Vorgehensweise auch auf Walzenpressen übertragen, um die Nachverfolgbarkeit einer Produktionscharge zu gewährleisten. Gleichzeitig bedeutet das einen hohen Zusatzaufwand für die Unternehmen. «Die Anlagen müssen nach jeder abgearbeiteten Charge demontiert, gereinigt und neu montiert werden», erklärt Marcus Weidemann, Ingenieur für Verfahrenstechnik bei der Alexanderwerk GmbH. «Dies erhöht die Stillstandszeiten der Maschinen und führt in der Folge zu einem Anstieg der Produktionskosten.» Ausserdem müssen Mitarbeiter mehrmals pro Charge manuell Stichproben entnehmen und diese im Labor analysieren. Da die Ergebnisse meist nach dem Abschluss eines Produktionszyklus vorliegen, können Prozessparameter bei festgestellten Qualitätsmängeln erst für die folgende Charge angepasst werden, während die bereits produzierte Menge in vielen Fällen komplett verworfen werden muss.

Wirtschaftlich und besser für die Umwelt

Verbesserte Prozesskontrollen sorgen nicht nur für eine Qualitätssteigerung des Produkts, sie ermöglichen auch, Fehler frühzeitig zu erkennen und somit unnötige Kosten zu vermeiden. Was aber oft vergessen geht: Weniger Ausschüsse und effizientere Prozesse bedeutet gleichzeitig immer auch «materialsparend» und somit «umweltschonend». Moderne Analysemöglichkeiten in Echtzeit gehören zu einem der zwölf Grundsätze der Grünen Chemie.

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Um die Prozesstechnik der Walzenpressen mit den entsprechenden Messinstrumenten und der dazugehörigen Steuerungstechnik auf die laufende Produktion (Continuous Manufacturing) auszulegen, erarbeiteten Parsum und Alexanderwerk in einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt eine Lösung. Denn dieser Produktionsansatz bietet gegenüber dem Batch-Verfahren zahlreiche Vorteile: «Im Idealfall überwacht die eingesetzte Messtechnik nicht nur kritische Qualitätsattribute («critical quality attribute» – cqa) in Echtzeit, sondern liefert die Ist-Werte, um bei Abweichungen automatisch gegenzusteuern», erläutert Stefan Dietrich, Geschäftsführer der Parsum GmbH. «In der Folge muss die Produktion nicht mehr zur Neujustierung von Parametern unterbrochen werden. Die Anlagenverfügbarkeit sowie die Engmaschigkeit der Qualitätskontrolle wird deutlich erhöht, was sowohl die Produktqualität verbessert als auch die Herstellungskosten senkt.»

Von der Laboranalyse zu Inline-Messungen

Die praktische Umsetzung eines Process-Analytical-Technology-(PAT)-Prozesses stellte bei der Trockengranulierung eine grosse Herausforderung dar. Denn während sich maschinenseitige Prozessparameter, wie etwa die Geschwindigkeit der Förderschnecke, die Walzendrehzahl und die Walzenpresskraft bereits online erfassen lassen, war die Überprüfung der Partikelgrössenverteilung, einer wichtigen Prozessgrösse für das verarbeitete Material, bisher nur offline möglich. Grund dafür war das Fehlen einer geeigneten Kombination von Probennahmeeinrichtung (Prozess-Interface) und Messtechnik für diesen Prozess. «Kurz gesagt wird in einer Walzenpresse das sehr lose, pulverförmige Ausgangsmaterial zunächst durch mechanischen Druck zwischen zwei gegenläufig drehenden Walzen zu einem kontinuierlichen festen Band, der Schülpe, verpresst. Anschliessend wird dies in einer Siebmühle, genannt Rotor-Fein-Granulator (RFG), zerkleinert, wodurch als Endprodukt kompaktes Granulat mit definierter Partikelgrössenverteilung entsteht», erklärt Weidemann. Die Herausforderung bei der Messung ist, dass das produzierte Granulat nicht aus homogenen Partikeln besteht, sondern aus Partikeln, deren Grösse innerhalb einer Probe von sehr feinen bis groben Partikeln reicht.

«Relevant für die Messungen sind die beiden entstehenden Fraktionen: der Feinanteil und der Granulatanteil. Es handelt sich dabei um eine bimodale Verteilung der Partikelgrösse», berichtet Dietrich. In der Vergangenheit wurden verschiedene Messsonden und Dispergierer getestet, die sich bereits bei anderen Granulierverfahren bewährt hatten, zum Beispiel in der Wirbelschicht- oder High-Shear-Granulierung. Im speziellen Fall des Kompaktierprozesses unterschieden sich die Inline-Messergebnisse aber oft deutlich von denjenigen der Stichproben, die offline im Labor analysiert wurden.

Ein gemeinsames Forschungsprojekt

Parsum und Alexanderwerk nahmen die Ursachen für die schwankenden Messergebnisse schliesslich im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes genauer unter die Lupe. Auf Basis dieser Untersuchungen sollten eine Messsonde sowie ein Prozess-Interface zur Walzenpresse entwickelt werden. Für eine grundlegende Prozesssimulation der Walzenkompaktierung zogen sie ausserdem die Expertise der Technischen Universität Hamburg (TUHH) hinzu.

Als wichtigstes kritisches Qualitätsattribut identifizierten die Projektpartner die Partikelgrössenverteilung (PGV) des Granulats. Die Aufgabe von Parsum war es deshalb, ein Instrument für die Inline-Messung zu entwickeln, welches die PGV repräsentativ und in Echtzeit ermittelt, ohne grössere Eingriffe in den Prozess oder die Maschinenkonstruktion vorzunehmen. Um aussagekräftige Daten als Basis für die Prozesssteuerung zu gewinnen, musste ein geeignetes «Prozess-Interface» für die Parsum-Sonde entwickelt werden. Weiterhin kam es darauf an, den bisherigen Standardmessbereich nach unten zu erweitern, so dass auch der Feinanteil exakt gemessen werden kann.

Der Messort ist entscheidend

Für die Abbildung von Prozessänderungen ist es wichtig, eine differenzierte Auswertung der gemessenen Daten vorzunehmen. Es reicht nicht aus, wie bei anderen Prozessen mit «normaler» PGV nur den Median der Partikelgrösse (x50) zu betrachten – entscheidend ist bei diesem Prozess vielmehr das Verhältnis von Fein- und Granulatanteil. «Im regulären Betrieb schwankt dieses Verhältnis allerdings», erklärt Dietrich. «Der Feinanteil passiert unregelmässig den Auslass der Maschine und führt auf diese Weise zu Messschwankungen.» Besonders wichtig zur repräsentativen Probennahme ist daher die Positionierung der Messsonde: Abhängig davon, wo und wie diese unterhalb des Granuliersiebs positioniert wird, bestehen eklatante Unterschiede beim Verhältnis zwischen Fein- und Granulatanteil. Um ein optimales Verfahren für eine möglichst repräsentative Probe zu entwickeln, wurden vier unterschiedliche Ansätze geprüft. Dazu wurden unter anderem mehrere Testreihen durchgeführt, in denen zeitgleich Proben an 40 verschiedenen Positionen unter dem Granuliersieb genommen und analysiert wurden. Das daraus entwickelte Verfahren zur repräsentativen Inline-Probennahme wurde Anfang 2021 zum Patent angemeldet.

Auch die geringe Partikelgrösse stellte eine Herausforderung dar: Damit diese kontinuierlich inline bestimmt werden kann, entwickelte Parsum speziell für den Einsatz in Walzenpressen eine PAT-Messsonde mit nach unten erweitertem Messbereich sowie spezielle Inline-Dispergierer, mit denen sich auch Partikel im Grössenbereich von 20 – 2000 µm zuverlässig vereinzeln und damit stabil messen lassen.

Damit für die Qualitätssicherung keine manuellen Stichproben mehr entnommen und offline analysiert werden müssen, sondern alle Messungen und Analysen bereits inline und in Echtzeit durchführbar sind, verfügt die Inline-Partikelsonde über ein neu entwickeltes Prozess-Interface zur repräsentativen Messung. (Bild: Parsum GmbH)

Überwachung relevanter Prozessparameter in Echtzeit

Auf Basis zahlreicher Testreihen und Optimierungen bei der Messtechnik konnte schliesslich eine marktreife Walzenpresse zur Trockengranulierung mit integriertem Diagnose-Tool entwickelt werden. Damit für die Qualitätssicherung keine manuellen Stichproben mehr entnommen und offline analysiert werden müssen, sondern alle Messungen und Analysen bereits inline und in Echtzeit durchführbar sind, wurde die Partikelmesssonde an einem dafür strategisch günstigen Ort in der Walzenpresse platziert. Dennoch achtete die Alexanderwerk GmbH bei der Integration auf eine platzsparende Bauweise, so dass sich die Walzenpresse im Vergleich zu Vorgängermodellen nicht vergrössert. Es werden lediglich 100 mm Bauhöhe mehr am Auslass der Walzenpresse benötigt, um die Messsonde mit Dispergiertechnik zu installieren.

«In der Maschinensteuerung werden alle relevanten Maschinenparameter, wie Presskraft, Walzenspalt und Walzendrehzahl, zusammengeführt und die Ist- und Soll-Werte aufgezeichnet und abgeglichen. Darüber hinaus wird jetzt auch die komplette PGV gemessen und erfasst. Die Kennwerte werden sowohl in Echtzeit grafisch aufbereitet als auch im Batch-Protokoll gespeichert», berichtet Weidemann. Durch die so ermöglichte Online-Überwachung kann die Anlage bei grösseren Abweichungen oder bei Überschreiten vorab bestimmter Grenzwerte frühzeitig gestoppt und in der Folge unnötiger und kostspieliger Materialverlust verhindert werden. Darüber hinaus lassen sich die Inline-Messdaten für eine direkte Freigabe einer produzierten Charge für den nächsten Verarbeitungsschritt nutzen.

Auf Basis zahlreicher Testreihen und Optimierungen bei der Messtechnik konnte eine marktreife Walzenpresse zur Trockengranulierung mit integriertem Diagnose-Tool entwickelt werden. (Bild: Alexanderwerk GmbH)

Ausblick

Nach Abschluss der ersten Phase des Forschungsprojekts ist nun eine marktreife Lösung entstanden, die zukünftig als Option für die Walzenpresse WP120 Pharma der Alexanderwerk GmbH angeboten werden kann und auch für andere Einsatzgebiete adaptiert werden soll. Für die Kooperationspartner ist das Projekt jedoch noch nicht abgeschlossen, denn die Entwicklung der Walzenpresse mit Inline-Messsonde stellt nur einen Teilschritt auf dem Weg zum vollständig geregelten Prozess im Sinne eines effizienten Continuous Manufacturing dar. Geplant ist bereits eine Auswertung in Echtzeit der inline gemessenen PGV, um über eine Populationsmassenbilanz Rückschlüsse auf die Schülpendichte und deren Qualität zu ziehen. Eine solche Auswertung kann genutzt werden, um – falls notwendig – über einen Regelkreis in den Kompaktierprozess einzugreifen, und so eine noch konstantere Qualität der produzierten Granulate zu erreichen. «Damit hält Industrie 4.0 immer mehr Einzug in die Prozesstechnik und erlaubt eine kontinuierliche, kosteneffiziente und fehlerfreie Fertigung», so Weidemann abschliessend.

www.parsum.com, www.alexanderwerk.com

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