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Chemie- und Pharmaberufe Verbandes

Wer gewinnt den Chemie-Nobelpreis?

Chemikalien aus dem Labor von Alfred Nobel. (Bild: Nobel Prize Outreach, Dan Lepp)

Vor 120 Jahren wurde der Wissenschaftspreis aller Wissenschaftspreise zum ersten Mal verliehen. Mit einigen Ausnahmen traten jedes Jahr neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den renommierten Kreis der Nobelpreisträger. Doch wie entscheidet das Nobelkomitee, wer die begehrte Trophäe erhält, und wie kam es überhaupt zu dieser Auszeichnung? Der Chemie-Nobelpreis wird wohl auch dieses Jahr im Oktober 2021 verliehen. Wir können gespannt sein.

Alles begann mit einer zündenden Idee. Um seinen Sprengstoff Nitroglycerin sicherer zu machen, mengte Alfred Nobel der flüssigen Substanz Kieselgur und ein wenig Soda bei. Et voilà: Aus der zuvor unberechenbaren Verbindung wurde eine breiige Masse, die nun sicher transportiert werden konnte. Nobel taufte das neue Produkt mit dem Namen Dynamit.

Ob diese Entdeckung Zufall war oder nicht, weiss wohl niemand mehr, der noch unter uns weilt. Eines steht aber fest. Sie machte den Erfinder unfassbar reich.

Vielleicht aus schlechtem Gewissen

Nobels Geschichte ist alles andere als eine schöne Hollywood-Story. Der Grund, weshalb er nach einem sicheren Sprengstoff suchte, war ein tragischer Unfall mit Nitroglycerin in seinem Unternehmen, wo mehrere Mitarbeiter sowie sein Bruder Emil ums Leben kamen. Und zu allem Überdruss revolutionierte sein neues Dynamit auch noch die Kriegskunst auf Kosten zahlreicher Menschenleben.

Ob aus schlechtem Gewissen oder nicht, Fakt ist: Der Chemiker und Literaturliebhaber formulierte in seinem Testament den ausdrücklichen Wunsch, sein Vermögen für eine Stiftung zu verwenden, die jährlich einen Preis für jene vergibt, die «im verflossenen Jahr der Menschheit den grössten Nutzen geleistet haben». Der Grundstein für die Nobelpreise war gelegt.

Alle Jahre wieder

Seit der ersten Nobelpreisverleihung 1901 sind zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Preis geehrt worden. Die Chemie als «praktisch veranlagte» Disziplin war seit Beginn Teil der Preisvergabe. 186 Personen haben bis jetzt den Nobelpreis für Chemie erhalten. Im aktuellen Jahr wird diese Zahl wohl wieder ansteigen.  Denn im Oktober 2021 – traditionell gleich nach dem Physik-Nobelpreis – wird die Gewinnerin oder der Gewinner des Chemie-Nobelpreises bekannt gegeben. Am 10. Dezember, dem Todestag von Nobel, wird der Preis schliesslich zeremoniell verliehen.

Wer gewinnt?

Die Nobelpreise verkörpern immer auch unsere westlich geprägte Sicht der jeweiligen Disziplinen. Denn auch die Forschungsschwerpunkte stehen stets in Wechselbeziehung zu unserer gesellschaftlichen Wahrnehmung. So ist es auch für fachfremde Personen nachvollziehbar, dass vor zwei Jahren die Entwickler der Lithium-Ionen-Batterie mit dieser Auszeichnung geehrt wurden. Dieser Umstand widerspiegelt gewissermassen den Boom der E-Fahrzeuge oder den Trend zur «Energiewende». Die Forschungsthemen sind oft in unserer Gesellschaft bereits spürbar. Das zeichnet den Nobelpreis eben auch aus. Nur wissenschaftliche Fortschritte, die zu einem gesellschaftlichen Nutzen führen, sollen gekrönt werden, nicht die theoretischen.

Schweizer Chemie-Nobelpreisträger

Die Schweiz zählt bis heute rund sieben Chemie-Nobelpreisträger. Richard R. Ernst ist dieses Jahr gestorben. Somit ist Kurt Wüthrich (* 1938) der einzige noch lebende Preisträger. Gerade im Bereich der Kernresonanzspektroskopie ist die Schweiz besonders stark. Zwei der sieben Preise sind diesem Thema zuzuordnen.

Doch wer entscheidet, wer nominiert wird? Die Frage, wer denn den nächsten Preis gewinnt, ist für die Öffentlichkeit schwer zu durchblicken.

Geheimniskrämerei auf hohem Niveau

Grund dafür ist die hohe Diskretion, die das Nobelkomitee verlangt. Bereits 2020 schickte es ungefähr 3000 vertrauliche Dokumente an Professoren, Nobelpreisträger und an Personen aus der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Sie alle müssen jemanden nominieren – sich selbst wählen gilt nicht. In der Wissenschaftscommunity verdichten sich die Hinweise, wer denn die nächste Kandidatin oder der nächste Kandidat sein könnte. Doch die Nominierenden bleiben verschwiegen, an die Öffentlichkeit gelangt nichts. Das Nobelkomitee gibt auf seiner Website an, dass die 3000 Wissenschaftler zwischen 250 und 350 Forschende vorschlagen werden.

Dann folgt das grosse Aussortieren. Das Komitee berät sich, holt Experten zu Hilfe und siebt aus, bis es schliesslich im Sommer seinen Bericht mit den übriggebliebenen Kandidaten der Königlichen Schwedischen Akademie überreicht. Diese wählt – in demokratischer Manier – die künftige Preisträgerin oder den Preisträger. Jetzt geht es schnell: Traditionell werden die Preisträger per Telefon kontaktiert und kurze Zeit später wird die Öffentlichkeit informiert.

Wer dieses Jahr die Medaille gewinnt, das können zurzeit nur das Nobelkomitee und die Akademie erahnen.

Roger Bieri

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