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Wenn es doch kein Nanoplastik ist

Textilien aus synthetischen Fasern geben beim Waschen sowohl Mikro- als auch Nanoplastik ab. Empa-Forschende konnten nun zeigen: Ein Teil des vermeintlichen Nanoplastiks besteht gar nicht aus Plastikpartikeln, sondern aus wasserunlöslichen Oligomeren. Welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben, ist noch kaum erforscht.
Forschende um Bernd Nowack haben die Freisetzung von Nanopartikeln beim Waschen von Polyestertextilien untersucht. (Bild: Empa)

Textilien aus synthetischen Fasern geben beim Waschen sowohl Mikro- als auch Nanoplastik ab. Forschende an der Empa konnten nun zeigen: Ein Teil des vermeintlichen Nanoplastiks besteht gar nicht aus Plastikpartikeln, sondern aus wasserunlöslichen Oligomeren. Welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben, ist noch kaum erforscht.

Über Nanoplastik wird intensiv geforscht. Denn Nanoplastik-Teilchen können in den menschlichen Körper aufgenommen werden. Doch über ihre potenzielle Toxizität ist noch wenig bekannt. An der Empa wurden jetzt Nanopartikel aus Textilien unter die Lupe genommen. Bereits in früheren Studien konnten Empa-Forschende zeigen, dass beim Waschen von Polyester Mikro- und Nanoplastik freigesetzt wird. Eine genaue Untersuchung der freigesetzten Nanopartikel hat nun ergeben, dass nicht alles, was auf den ersten Blick nach Nanoplastik aussieht, auch tatsächlich Nanoplastik ist.

Zu einem beträchtlichen Teil handelte es sich tatsächlich nicht um Nanoplastik, sondern um Klumpen von sogenannten Oligomeren, also kleinen bis mittelgrossen Molekülen, die eine Zwischenstufe zwischen den langen verketteten Polymeren und ihren Einzelbausteinen, den Monomeren, darstellen. Diese Moleküle sind noch kleiner als Nanoplastik-Partikel. Auch über ihre Toxizität ist kaum etwas bekannt.

Für die in der Fachzeitschrift Nature Water publizierten Studie haben die Forschenden zwölf unterschiedliche Polyesterstoffe untersucht, darunter etwa Mikrofaser, Satin und Jersey. Die Stoffproben wurden bis zu vier Mal gewaschen und die dabei freigesetzten Nanopartikel analysiert und charakterisiert. Keine einfache Aufgabe, sagt Bernd Nowack: «Plastik, vor allem Nanoplastik, ist überall, auch an unseren Geräten und Utensilien», so der Wissenschaftler. «Bei Nanoplastik-Messungen müssen wir dieses Hintergrundrauschen berücksichtigen.»

Grosser Anteil löslicher Partikel

Um Nanoplastik von Oligomerklumpen zu unterscheiden, nutzten die Forschenden ein Ethanolbad. Plastikstückchen, egal wie klein, lösen sich darin nicht auf, Ansammlungen von Oligomeren dagegen schon. Der Befund: Rund ein Drittel bis knapp 90 Prozent der beim Waschen freigesetzten Nanopartikel liessen sich in Ethanol auflösen. «Dadurch konnten wir zeigen, dass nicht alles, was im ersten Moment nach Nanoplastik aussieht, auch Nanoplastik ist», sagt Nowack.

Unter dem Rasterelektronenmikroskop sind die Nanopartikel an der Oberfläche der Fleece-Faser sichtbar (a). Beim Waschen lösen sich die Partikel (b), sodass nach vier Wäschen kaum noch welche übrig sind (c). (Bild: Empa)

Ob die Freisetzung von «nanopartikulären» Oligomeren beim Waschen von Textilien negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hat, ist noch unklar. «Bei anderen Kunststoffen haben Studien gezeigt, dass nanopartikuläre Oligomere toxischer sind als Nanoplastik», sagt Nowack. «Das ist ein Hinweis, dass man das genauer untersuchen sollte.» Was festgestellt wurde: Die Beschaffenheit des Textils sowie die Schnittmethode (Schere oder Laser) haben keinen grossen Einfluss auf die Menge der freigesetzten Partikel.

Auch der Mechanismus der Freisetzung ist noch nicht geklärt – weder für Nanoplastik noch für die Oligomerpartikel. Die erfreuliche Nachricht ist, dass die Menge der freigesetzten Partikel mit wiederholten Waschgängen stark abnimmt. Denkbar wäre, dass die Oligomerpartikel bei der Herstellung des Textils entstehen oder sich durch chemische Prozesse bei der Lagerung von den Fasern abspalten. Auch hierzu sind weitere Studien notwendig.

Nowack und sein Team widmen sich jedoch vorerst wieder grösseren Partikeln: Sie wollen untersuchen, welche Fasern beim Waschen von Textilien aus nachwachsenden Rohstoffen freigesetzt werden und ob diese die Umwelt und die Gesundheit belasten könnten. «Halbsynthetische Textilien wie Viskose oder Lyocell werden als Ersatz für Polyester angepriesen», sagt Nowack. «Aber wir wissen noch gar nicht, ob sie wirklich besser sind, wenn es um die Freisetzung von Fasern geht.»

Anna Ettlin, Empa

www.empa.ch

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