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Warum sind manche Erreger gefährlicher als andere?

Physiologische Reaktion: Bei eine Zytokinsturm verursacht das Immunsystem eine unkontrollierte und übermässige Freisetzung von entzündungshemmendem Signalmolekül. (Bild: Shutterstock)

Schwere Infektionen mit Influenza-A-Viren sind durch eine überschiessende Immunantwort, den sogenannten Zytokinsturm, geprägt. Bisher war unklar, warum manche Virusstämme diesen Sturm auslösen, andere jedoch nicht. Eine Studie ist der Gefahr dieser Viren jetzt auf die Spur gekommen.

Forschende des Paul-Ehrlich-Instituts untersuchten verschiedene Influenza-A-Virusstämme und deren Wirkung auf unterschiedliche menschliche Immunzellen. «Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht nur die Immunzellen, die bisher immer im Fokus bei der Produktion von Typ-I-Interferon standen, sondern auch andere Zellen des Immunsystems ausschlaggebend dafür sein könnten, ob eine Influenza-Infektion eine überschiessende Antwort des Immunsystems auslöst. Dieses Wissen ist wichtig, um das Risiko gefährlicher Virusvarianten besser einschätzen zu können», fasst Prof. Zoe Waibler, Vizepräsidentin des Paul-Ehrlich-Instituts, die Studie zusammen.

Abwehrreaktion schädigt Gewebe stärker als Virus selbst

Grippeviren gehören weltweit zu den wichtigsten Erregern von Atemwegserkrankungen. Während die meisten Infektionen relativ mild verlaufen, können bestimmte Virusvarianten schwere Lungenentzündungen auslösen, die bis zum akuten Lungenversagen führen. Besonders gefährlich sind dabei hochpathogene Grippeviren, die häufig von Vögeln auf den Menschen überspringen und mit deutlich höheren Sterblichkeitsraten verbunden sind. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Immunsystem: Manche Virusstämme bringen den Körper dazu, übermässig viele Botenstoffe – sogenannte Zytokine – auszuschütten. Kommt es zu solch einem Zytokinsturm, schädigt die Abwehrreaktion am Ende das eigene Gewebe stärker als das Virus selbst.

Warum aber lösen manche Grippeviren solch überschiessende Reaktionen aus, während andere kaum schwere Verläufe verursachen? Um dies besser zu verstehen, hat eine Immunologie-Forschungsgruppe am Paul-Ehrlich-Institut gemeinsam mit Virologen der Universitätsklinik Freiburg 11 verschiedene Influenza-A-Virusstämme – sowohl übliche saisonale Grippeviren als auch hochpathogene Vogelgrippeviren – untersucht. Sie prüften, wie die Grippeviren unterschiedliche Immunzellen infizieren und zur Ausschüttung von Botenstoffen anregen.

Das Forschungsziel: die Mechanismen hinter milden und schweren Krankheitsverläufen zu entschlüsseln und langfristig Ansätze für bessere Schutz- und Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Schwere Verläufe: Schlüsselrolle bestimmter Immunzellen

Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass bestimmte Immunzellen, die sogenannten plasmazytoiden dendritischen Zellen, bei Grippeinfektionen grosse Mengen des wichtigen antiviralen Botenstoffs Interferon-α (IFN-α) produzieren – und zwar unabhängig vom Virusstamm. Das bedeutet, dass diese Immunzellen grundsätzlich stark auf Grippeviren reagieren, ohne dass das Virus sich in ihnen vermehren muss.

Warum verursachen dann nicht alle Viren dieselbe Schwere der Erkrankung? Die Forschungsgruppe fand heraus, dass andere Immunzellen, wie myeloide dendritische Zellen und verschiedene Arten von Makrophagen, bei Infektionen mit hochpathogenen Grippeviren infiziert werden und selbst grosse Mengen IFN-α herstellen können. Die Virusvermehrung in diesen Immunzellen scheint ein wichtiger Faktor für die Produktion von Typ-I-Interferon und die Entstehung einer überschiessenden Immunantwort (Zytokinsturm) zu sein.

Diese Ergebnisse liefern damit einen Erklärungsansatz, warum manche Grippeviren so viel gefährlicher sein könnten als andere: Es ist vor allem ihre Fähigkeit, sich in bestimmten Immunzellen zu vermehren und dadurch eine extrem starke Immunreaktion auszulösen, die zu schweren Entzündungen und Gesundheitsschäden führt. Dieses Wissen kann helfen, gezielter Therapien zu entwickeln und Risikogruppen besser zu identifizieren. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Emerging Microbes & Infections publiziert.

www.pei.de

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