Gleich und gleich gesellt sich gern. Dieses Sprichwort gilt oft auch in der Chemie. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Öl und Wasser nichts von einander wissen möchten – zu hydrophob ist das Öl, als dass es sich mit Wasser mischt. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass sie sich vermischen können, wenn Öl als kleine Tröpfchen in Wasser dispergiert wird. Dieses seltsame Verhalten hat die Wissenschaftler lange beschäftigt, da es bislang keine Erklärung dafür gab. Forschende der EPFL bringen nun Licht ins Dunkel.
Seit mehr als hundert Jahren stellen sich Chemiker diese Frage: Wie können winzige Öltröpfchen in Wasser existieren, ohne dass es stabilisierende Moleküle gibt? «Schliesslich haben Wassermoleküle so starke und bevorzugte Wechselwirkungen untereinander, dass sie nicht gerne Moleküle aufnehmen, die nicht an diesen Wechselwirkungen beteiligt sind», sagt Prof. Sylvie Roke, die Leiterin der Studie. Wie man weiss, trennen sich Öl und Wasser voneinander, wenn sie einfach gemischt werden. Bei ausreichender Energiezufuhr in Form von Ultraschall bilden sich jedoch in reinem Wasser Öltröpfchen mit einer Grösse von weniger als 1 Mikrometer, die mehrere Wochen oder Monate lang bestehen bleiben. Interessanterweise bewegen sich die Tröpfchen, wenn sie in ein elektrisches Feld gebracht werden, in Richtung der positiven Elektrode. Wenn man also neutrales Öl und neutrales Wasser mischt, entstehen negativ geladene Öltröpfchen. Es überrascht nicht, dass die Quelle dieser unerwarteten Ladung heftig diskutiert wurde.
Das Team von Wissenschaftlern des Labors für fundamentale BioPhotonik (LBP) an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der EPFL unter der Leitung von Prof. Sylvie Roke und in Zusammenarbeit mit Dr. Peter Köhler hat die Ursache für diese unerwartete Ladung gefunden. Roke, in Zusammenarbeit mit Dr. Ali Hassanali vom International Center of Theoretical Physics (ICTP) in Triest, hat die Quelle der negativen Ladung gefunden, indem es sowohl die Ladung als auch die molekulare Struktur der Tröpfchen an der Grenzfläche zwischen Öl und Wasser untersucht hat. Ihre Ergebnisse wurden im Wissenschaftsmagazin «Science» veröffentlicht.
Unechte Wasserstoffbrücken
Es stellte sich heraus, dass die Antwort auf dieses seit langem bestehende Rätsel an der Grenzfläche zwischen Öltröpfchen und Wasser liegt. Wassermoleküle bevorzugen es, elektrische Ladungen von ihren Nachbarn durch eine Wechselwirkung, die als Wasserstoffbrückenbindung bekannt ist, abzugeben und zu empfangen. Wenn sie sich jedoch in der Nähe der Ölmoleküle an der Tröpfchenoberfläche befinden, können sie nicht mehr genügend Wassernachbarn finden, mit denen sie eine Wasserstoffbrückenbindung eingehen können. Stattdessen geben diese Wassermoleküle ihre unausgewogenen elektrischen Ladungen an die Ölmoleküle an der Tröpfchenoberfläche ab.
Diese Studie zeigt, dass die Wasser-Öl-Wechselwirkung über eine so genannte unechte Wasserstoffbrückenbindung erfolgt. Dabei handelt es sich um eine schwache Wasserstoffbrückenbindung zwischen Öl und Wasser, und obwohl sie schwach ist, stabilisieren viele dieser Bindungen das Tröpfchen.
An die Grenzfläche heranzoomen
Um diesen Mechanismus zu entschlüsseln, setzte das Team um Roke eine ultraschnelle optische Technik ein. «Zwei ultrakurze Laserpulse wurden auf eine Mischung aus Öltröpfchen und Wasser gerichtet. Sie überlagerten sich schliesslich auf diese Weise. Dabei werden neue Photonen erzeugt, die an der Tröpfchengrenzfläche gestreut werden. Diese Photonen haben die Summenfrequenz der beiden einfallenden Laserstrahlen und geben Auskunft über die Schwingungsbindungen an der Grenzfläche, das heisst über die Bewegung der Atome in den Grenzflächenmolekülen. Dies gibt uns Aufschluss über die Struktur und die Wechselwirkungen zwischen Öl und Wasser», erklärt Roke.
Auf molekularer Ebene weist die Grenzfläche zwischen Öltröpfchen und Wasser starke Ähnlichkeiten mit Grenzflächen auf, die bei der Proteinfaltung oder der Bildung biologischer Membranen eine Rolle spielen. Daher befriedigen diese Erkenntnisse über die Struktur der Öltröpfchen-Wasser-Grenzfläche nicht nur unsere Neugier auf die Komplexität des Wassers, sondern haben auch Auswirkungen auf das Verständnis von Wechselwirkungen in der gesamten Biologie und Chemie.
Prof. Sylvie Roke, EPFL