Offizielles Organ des Schweizerischen
Chemie- und Pharmaberufe Verbandes

Von der Werkstatt in die Welt

Je nach Energiebedarf an Bord verbraucht ein Hilfstriebwerk eines mittelgrossen Passagierflugzeuges über 100 Kilogramm Kerosin pro Stunde. Durch den Einsatz einer «Pre-Conditioned Air»-Anlage (PCA) – das zugehörige Teleskoprohrsystem ist unter der Fahrgastbrücke sichtbar – erübrigt sich dessen Betrieb grösstenteils. (Bild: Shutterstock)

Von der Einzelwerkstatt zum internationalen Player – die IST-Edelstahl-Anlagenbau AG liefert seit 50 Jahren hochwertige verfahrenstechnische Anlagen und Rohrleitungssysteme in die verschiedensten Branchen. Ein Besuch bei einem KMU, das sich gerade stark modernisiert und über ein Geschäftsfeld verfügt, das seit einer Dekade richtig Fahrt aufgenommen hat.

Ohne Firma und ohne finanzielle Mittel hatte Kurt Zimmermann, frischgebackener Maschineningenieur, aus seinem Schlafzimmer heraus einen 3-Millionen-Auftrag an Land geholt. Das war 1975, als er nach seinem Studium eine Erfolgsgeschichte in Gang gesetzt hat, die bis heute – jetzt in der zweiten Generation – andauert. Von einem Tag auf den anderen hatte er damals Personal angeheuert und Maschinen angeschafft.

Ob pharmazeutische Stoffe, Trinkwasser, Schokolade, Bier oder einfach Luft – in allen Bereichen, in denen bei der Lagerung oder Beförderung von Medien strenge Anforderungen an Hygiene gelten und höchste Verlässlichkeit vorausgesetzt wird, stehen die robusten Systeme der IST-Edelstahl-Anlagenbau AG im Einsatz. Das Familienunternehmen mit Sitz in Gwatt bei Thun hat sich über ein halbes Jahrhundert eine bemerkenswerte Expertise im Edelstahlbereich aufgebaut, die mittlerweile international gefragt ist. Die Thuner Firma liefert schlüsselfertige Anlagen, Rohrleitungs- und Lüftungssysteme in die verschiedensten Branchen wie Chemie, Pharma, Lebensmittel, Maschinenbau, aber auch an Trinkwasserversorgungen oder Flughäfen.

Wie das möglich wurde? Andrea Zimmermann, Geschäftsführerin und Verwaltungsratspräsidentin, fasst die letzten 50 Jahre so zusammen: «Ein feines Gespür für das Bedürfnis neuer Systeme in der Industrie und unsere langjährigen Mitarbeitenden führten zu diesem Jubiläum.»

2025: Eine Bieridee, zwei Feste

An oberster Stelle steht bei IST die Garantie hochwertiger Qualität und Langlebigkeit von Anlagen. Während 95 Prozent der verfahrenstechnischen Anlagen in die Schweiz gehen, werden die Energieversorgungssysteme für Flugzeuge zu 95 Prozent nach Europa exportiert. Ein vielfältiger Kundenstamm sorgt für einen stabilen Auftragseingang und gleicht – das ist praktisch in der Planung – Marktvolatilitäten elegant aus.

Aktuell ist man in Gwatt bestrebt, sich zu modernisieren, und zwar von A bis Z. Zum Jubiläum wurde ein neues Logo erstellt, ein neuer PR-Auftritt und eine neue Marketingstrategie positionieren die Firma neu – und das zurecht – als zukunftsweisendes Unternehmen. Gleich zweimal wird dieses Jahr gefeiert: Mitte Juni reiste fast die ganze Belegschaft für drei Tage nach Finnland. Eine Idee, die beim Feierabendbier entstand und spontan umgesetzt wurde. «Neben dem Technologischen zeichnet uns auch das aus. Wir sind agil und flexibel sowohl im täglichen Geschäft als auch bei Mitarbeitenden-Anlässen», ergänzt die Chefin mit einem leichten Schmunzeln. Das zweite Fest ist dann den Geschäftspartnern gewidmet und findet am im September am Firmensitz statt.

Das dynamische Trio der IST-Edelstahl-Anlagenbau AG: Andrea Zimmermann, Geschäftsführerin und Verwaltungsratspräsidentin, Kurt Zimmermann, Gründer und Inhaber, und Frédéric Lorenz, Co-Geschäftsleiter. (Bild: IST)

Dass es bei weitem nicht nur ums Feiern geht, zeigen die aktuellen strategischen Bestrebungen. Im Rahmen der Transformation vom patron-geführten Unternehmen zum internationalen Player hat die neue Geschäftsleitung einiges vor. Mehr Digitalisierung – unter anderem mit neuen KI-Tools, sodass man für die künftigen Herausforderungen bestens gewappnet ist.

Lösungsmittellager, Kraftwerk oder Reservoir

Nichtsdestotrotz kommt den Thunern ihren guten Ruf immer wieder zuvor. Auf Empfehlung hatten sie zum Beispiel für die Giezendanner Transport AG in Rothrist (AG) ein Tanklager mit Gebinde-Abfüllanlage geliefert. Das Lager verfügt über eine Kapazität von dreimal 60 000 Litern und ermöglicht die Bewirtschaftung 18 verschiedener Lösungsmittel.

Im Austausch mit Interessenten stösst Andrea Zimmermann oft auf Begeisterung: «Ach so, das machen Sie auch?», heisst es – und prompt entsteht wieder ein neues Projekt. Für die Erneuerung des Speicherkraftwerkes beim Ritom-Stausee im Valle Leventina (TI) liefert IST etwa das Kühlwassersystem für drei neue Maschinengruppen. Das von den SBB im Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Gotthardbahn 1920 gebaute Kraftwerk generiert Elektrizität für die Bahn und das Tessiner Stromnetz.

Ein weiteres Beispiel ist das Wasserreservoir Mannenberg in Ittigen (BE), das ebenso über 100 Jahre alt ist und zu den grössten Wasserversorgungen des Kantons gehört. Für den Neubau verschweisst IST Rohrleitungen mit Durchmesser 900 Millimeter (üblicherweise sind es Durchmesser von 15 bis 300 Millimeter). Der Platz im eigenen Haus reicht dafür (noch) aus.

Von der Kundenidee bis zur Umsetzung

Apropos eigenes Haus: Sämtliche Projektleistungen stammen aus einer Hand, wie Frédéric Lorenz, Co-Geschäftsleiter, erklärt: «Wir bieten normgerechte, sichere Anlagen nach modernsten Standards und begleiten unsere Kundschaft von der Idee bis zur Inbetriebnahme, einschliesslich Service.»

Insgesamt umfasst das Rundumprogramm neben der Produktion und Montage auch das Engineering und die Konstruktion. «Wir setzen auf Technologien auf dem neuesten Stand und führen zum Beispiel im Feld 3-D-Scans aus, um Fehler zu vermeiden», fährt Frédéric Lorenz fort. So kann etwa ein Rohleitungssystem perfekt in eine bestehende Umgebung hineinkonstruiert werden, ohne bei der Montage böse Überraschungen zu erleben. Dadurch stimmen die Schnittstellen, allenfalls sind vor Ort wenige Anpassungen nötig. Da es oft um Systeme für riskante Medien geht, ist die Risikoanalyse bei der Planung zentral.

Die technologischen Hilfsmittel allein reichen jedoch nicht aus. Die praktische Erfahrung der verfahrenstechnischen Ingenieure und leitenden Monteure ist bei der Umsetzung hochwertiger Systeme essenziell. Nicht zuletzt spielen die über die Jahre perfektionierten Bearbeitungskompetenzen im Schweissen, Rohrbiegen, Beizen und Aushalsen eine Rolle.

Coole Systeme: Luftaufbereitung und -verteilung

Ein wichtiger Geschäftsbereich sind die «Pre-Conditioned Air»-Anlagen (PCA) für Flughäfen, mit denen aufbereitete Luft in die parkierten Flugzeuge befördert wird. Wurde die Luft bis anhin mit Strom vom Hilfstriebwerk (APU – Auxiliary Power Unit) aufbereitet, übernehmen das mehr und mehr am Terminal integrierte Systeme. Das spart Kerosin ein, minimiert sowohl den CO2– als auch den NOx-Ausstoss – und verursacht weniger Lärm.

Bis 2031 müssen in der EU sämtliche Flughäfen ab einem Passagieraufkommen von 4 Millionen Personen pro Jahr mit solchen PCA-Anlagen ausgestattet sein, damit die APUs nur noch während den obligaten ein bis zwei Minuten vor der Zündung der Haupttriebwerke eingeschaltet werden müssen. Denn deren Wirkungsgrad liegt nur zwischen 8 und 14 Prozent.

Am Flughafen Zürich, dessen Standplätze an allen Terminals mit einem IST-System für die Luftaufbereitung und -zufuhr sowie einem Parallelsystem für die Stromzufuhr ausgestattet sind, wurden 2024 insgesamt 78 000 Tonnen CO2 und 207 Tonnen NOx eingespart. In beiden Werten sind die Restemissionen von APUs (einschliesslich der Emissionen auf den offenen Standplätzen ohne PCA) bereits abgezogen. Unter dem Strich werden die Emissionen durch die Doppelsysteme «PCA und Stromzufuhr» jährlich um 80 Prozent reduziert.

Diese Systeme reduzieren nicht nur die Luftverschmutzung, sondern auch die Flughafengebühren der Airlines. Auch die Flughäfen profitieren, indem sie regulatorische Anforderungen leichter erfüllen und dank angepasster Gebührenmodelle mit einer Amortisation innert 7 bis 10 Jahren rechnen können.

Die grosse Herausforderung dabei: Eine PCA-Anlage muss kompakt sein und sowohl für kleine als auch grosse Flugzeugtypen einsetzbar sein. Das Spektrum reicht von 4000 bis zu 24 000 Kilogramm Luft pro Stunde, die effizient aufbereitet und befördert werden muss. IST bietet als Vorreiterin schon seit über zwei Dekaden solche Systeme bestehend aus Kühleinheit (wird von Partner geliefert), Teleskoprohrsystem, Schlauchhaspel, Schlauchtrichter und Kupplung, die vom Dock aus unter den Fahrgastbrücken hindurch bis zum Flugzeug hingeführt werden. Kein Wunder, ist Kurt Zimmermann international auch als «Vater der PCA-Anlagen» bekannt. Bereits 1999 hatte er ein solches System entwickelt und an 18 Gates des Terminal A in Kloten installiert. Weitere 27 Gates im Terminal E folgten bald darauf.

«Ich brauche Sie nicht, aber Sie brauchen mich.»

Bemerkenswert ist dabei, dass Kurt Zimmermann sich anfangs gegen eine jegliche Teilnahme an Ausschreibungen gewehrt hat. Eine Ausschreibung des Flughafens München landete sogar direkt in seinem Abfallkübel. Zu den Münchnern sagte er 2011: «Ich brauche Sie nicht, aber Sie brauchen mich.» Daran zweifelten die Deutschen nicht, worauf der Ingenieur schliesslich doch noch überzeugt werden konnte, an der Ausschreibung teilzunehmen (zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass solche «WTO-Ausschreibungen» obligatorisch waren). So wurden auch am Flughafen München 64 Anlagen installiert.

Ein KMU mit Leidenschaft

1975 gründet Kurt Zimmermann die Einzelfirma IST (Industrie Service Thun). 1998 wurde daraus eine AG gegründet, die bis heute auf IST-Edelstahl-Anlagenbau AG firmiert. 2010 ist Andrea Zimmer, Tochter des Gründers, zum Unternehmen gestossen. Seit 2019 ist sie Geschäftsleiterin und Verwaltungsratspräsidentin. Ab 2022 ist Frédéric Lorenz parallel als operativer Geschäftsleiter tätig. Kurt Zimmermann ist nach wie vor Inhaber der Firma, die heute 36 Mitarbeitende (darunter 4 Lernende) beschäftigt. Bis 2023 wurden Umsätze um ca. 8 Millionen Franken erzielt, 2024 stieg die Zahl aufgrund des flughafenzertifizierten Anlagenbaus auf rund 14 Millionen.


Zum gleichen Flughafen wurden 2023 erneut 12 Positionen geliefert. Auch in Frankfurt am Main wurde dieses Jahr eine erste Position in Betrieb genommen, 24 weitere Positionen folgen bis Dezember 2025. Darüber hinaus lieferte die Thuner Firma auch einzelne oder mehrere Komponenten von PCA-Anlagen an diverse andere Flughäfen wie zum Beispiel Madrid, Bilbao, Fuerteventura, Ibiza, Mallorca, Hamburg und Genf. Dass die neue EU-Regelung der IST in naher Zukunft noch mehr Aufträge bringen wird, ist so gut wie sicher. Und mit der angesprochenen Modernisierung der Firma ist man in Gwatt für weitere 50 Jahre bestens ausgerüstet.

Luca Meister

www.istinox.ch

Das könnte Sie auch interessieren:

Newsletter abonnieren