In Zusammenarbeit mit dem Marseiller Zentrum für Teilchenphysik haben Forschende der EPFL Lausanne eine neue Methode zur Identifizierung von Neutrinos entwickelt und an einem Experiment mit überraschendem Ausgang teilgenommen.
Dabei wurden Daten eines Experiments der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) verwendet, bei dem kürzlich der seltenste jemals aufgezeichnete Teilchenzerfall beobachtet wurde – der eines Kaons.
Kaonen sind besonders wichtig in der sogenannten Flavour-Physik. Hier untersuchen die Forschenden, wie verschiedene Arten («Flavours») von Quarks interagieren und sich umwandeln. Seltene Zerfälle, wie etwa die Umwandlung eines Kaons in ein Pion und ein Neutrino-Antineutrino-Paar, enthüllen komplizierte Details dieser Wechselwirkungen. Dieser Zerfall wird als «Goldener Kanal» der Flavour-Physik bezeichnet und tritt nur einmal pro zehn Milliarden Kaonen-Zerfällen auf. Man erhofft sich davon wichtige Informationen über die schwache Kraft und die grundlegenden Symmetrien des Universums.
Über die aktuelle Physik hinaus
Mit der EPFL hat erstmals eine Schweizer Institution an einem entsprechenden «NA62-Experiment» des Cern teilgenommen – und dann gleich mit einem überraschenden Ergebnis: Obwohl auf den ersten Blick eine Übereinstimmung mit dem Standardmodell der Physik festgestellt wurde, lag doch die Zerfallsrate 50 Prozent höher als erwartet. Dies deutet darauf hin, dass man auf etwas gestossen ist, das über die aktuelle Physik hinausgeht.
Ein wesentlicher Beitrag der EPFL-Forscher besteht in einer Verbesserung der Nachweisfähigkeit des NA62-Experiments in Kooperation mit dem Centre de Physique des Particules de Marseille (CPPM). Gemeinsam hat man eine spezielle «Neutrino-Tagging»-Technik entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Methode zur Identifizierung von Neutrinos und ihrer «Geburt» in Ereignissen rund um die kleinsten bekannten Teilchen. Jedes Neutrino wird direkt mit seinem Mutterteilchen; so können die Eigenschaften von Neutrinos präzise gemessen werden.
Neue Neutrinoforschung
«Diese neue Technik ermöglicht es uns, Neutrino-Flavors bei ihrer Entstehung zu markieren und sie präzise mit Wechselwirkungen im aktiven Bereich unserer Detektoren in Verbindung zu bringen. Das hat noch niemand zuvor geschafft», freut sich Radoslav Marchevski, Professor am Labor für Hochenergiephysik der EPFL. «Dies eröffnet einzigartige Möglichkeiten für zukünftige Experimente in der Neutrinophysik.»