Forschende der Empa, der University of Bristol und der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) haben die Emissionen des potenten Treibhausgases HFC-23 aus der Herstellung von Teflon und Kühlmitteln untersucht. Ihre Studie zeigt: Die Eindämmungsmassnahmen wirken, werden aber nicht überall umgesetzt.
Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) sind potente Treibhausgase. Das stärkste davon ist Trifluormethan, auch bekannt unter dem Kürzel HFC-23. Ein Kilogramm HFC-23 in der Atmosphäre trägt so stark zum Treibhauseffekt bei wie 12 000 Kilogramm CO₂. Bis sich das Gas in der Atmosphäre zersetzt, dauert es rund 200 Jahre. Deshalb haben sich über 150 Länder im Rahmen der Kigali-Änderung des Montreal-Protokolls verpflichtet, ihre Emissionen von HFC-23 stark einzudämmen.
Die Hauptquelle von HFC-23 ist die industrielle Produktion von gewissen Kühlmitteln sowie von Polytetrafluorethen (PTFE), besser bekannt als Teflon. Bei der Herstellung einer Vorstufe von Teflon entsteht HFC-23 als Nebenprodukt. Seit 2020 gilt: Wer Teflon produziert, muss das klimaschädliche HFC-23 zerstören. Gemäss den Rapports der einzelnen Länder geschieht dies auch: Auf Papier betrugen die globalen Emissionen von HFC-23 im Jahr 2020 nur noch 2000 Tonnen. Die tatsächlichen Emissionen, die in zahlreichen Studien ermittelt wurden, zeigen ein anderes Bild: Allein 2020 gelangten rund 16 000 Tonnen des Treibhausgases in die Atmosphäre.
Genaue Messungen dank Tracer-Gas
Woher kommt diese Diskrepanz? Um diese Frage zu beantworten, haben Forschende der Empa, der University of Bristol und der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) die HFC-23-Emissionen einer Teflon-Fabrik in den Niederlanden genauer unter die Lupe genommen. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Um die Emissionen der Fabrik ganzheitlich und möglichst genau zu erfassen, wandten die Forschenden eine neuartige Methode an. Unmittelbar neben der Fabrik setzten sie einen «Tracer» frei: ein ungiftiges Gas, das nicht in der Atmosphäre vorkommt und sich innert weniger Wochen zersetzt. In rund 25 Kilometer Entfernung massen sie dann die Konzentrationen von HFC-23 und anderen Nebenprodukten der Teflonherstellung – sowie die Konzentration des Tracers. «Da wir genau wussten, wie viel Tracer wir freigesetzt hatten und wie viel davon am Messpunkt ankam, konnten wir daraus die Emissionen von HFC-23 und anderen Gasen berechnen», erklärt Erstautorin Dominique Rust, die im Rahmen ihres Doktorats an der Empa am Projekt gearbeitet hat.
Um den Ausstoss von HFC-23 zu minimieren, wird das Gas direkt in der Fabrik verbrannt, noch bevor es austreten kann. Die neue Studie zeigt jetzt: «Unsere gemessenen Emissionen liegen höher als die von der Fabrik rapportierten», erklärt Martin Vollmer, Forscher bei der Empa. «Allerdings ist die emittierte Menge an HFC-23 noch immer gering. Die Massnahmen zur Eindämmung der Emissionen funktionieren also gut.» Co-Autor Kieran Stanley der University of Bristol fasst zusammen: «Die Ergebnisse sind sehr ermutigend. Sie zeigen, dass die Emissionen dieses hochwirksamen Treibhausgases aus Anlagen, die Fluorpolymere wie Teflon herstellen, mit den richtigen Massnahmen erheblich reduziert werden können.» Und Empa-Forscher Stefan Reimann ergänzt: «Wenn alle diese Fabriken ähnliche Emissionen hätten, dann könnten global HFC-23-Emissionen verhindert werden, die fast 20 Prozent der CO₂-Emissionen des weltweiten Flugverkehrs entsprechen.»
Überprüfen und durchsetzen
Wenn die eindämmenden Massnahmen also funktionieren: Wie lassen sich die hohen Messwerte in der Atmosphäre erklären? «Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass die von den Ländern rapportierten Massnahmen nicht überall der Realität entsprechen», sagt Martin Vollmer. Die Autorinnen und Autoren der Studie rufen die Staaten dazu auf, ihre Teflon-Fabriken unabhängig überprüfen zu lassen. «Unabhängige Überprüfungen der Treibhausgasemissionen aus der Produktion von Fluorpolymeren und Kühlmitteln sind notwendig, um die Lücken in unserem Verständnis der Emissionsquellen zu schliessen und zu prüfen, ob die Länder die internationalen Klima- und Umweltabkommen vollständig einhalten», ergänzt Stanley.
«Die Zusammenarbeit mit dem Teflonhersteller und mit den niederländischen Behörden war der Schlüssel zum Erfolg unserer Studie», sagt Rust, die mittlerweile an der University of Bristol forscht. Die entwickelte Tracer-Methode würde sich für solche unabhängigen Überprüfungen von Fabriken und Industriegebieten eignen – auch für andere Gase, davon sind die Forschenden überzeugt. Die Empa plant bereits im Oktober eine weitere Studie in Südkorea, bei der sie die Tracer-Methode anwenden will, um die Emissionen von halogenierten Substanzen in der Hauptstadt Seoul zu bestimmen. «An der Messstation Cabauw wird die TNO die Überwachung von Treibhausgasen im Rahmen der europäischen ICOS-Infrastruktur um die kontinuierliche Überwachung von halogenierten Substanzen erweitern. Dadurch können wir den Standort und die Emission der Quellen von halogenierten Stoffen verfolgen, die während dieses Experiments festgestellt wurden», fügt TNO-Forscher Arnoud Frumau hinzu.
Anna Ettlin, EMPA