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Totalsynthese eines Anti-Krebs-Naturstoffs

Prof. Dieter Schinzer und seine Arbeitsgruppe haben die Totalsynthese von Disorazol Z1, hier im Modell, geschafft – die Chemie stimmt, die pharmazeutische Entwicklung gilt es noch zu leisten. (Foto: Jana Dünnhaupt, Universität Magdeburg)

Für eines der wirksamsten natürlichen Zellgifte haben Wissenschaftler der Universität Magdeburg eine Totalsynthese entwickelt und sehen nun Chancen für neue Krebstherapien.

Bei diesem Projekt hat die Arbeitsgruppe um Prof. Dieter Schinzer gleich mehrere Hürden genommen. Die erste davon betrifft die organische Synthese des Zellgifts, das den Namen Disorazol Z1 trägt [1].

Innovative Naturstoffsynthese

Bisher waren bereits Biosynthesen bekannt. Denn bei Disorazol Z1 handelt es sich um einen Naturstoff. Beispielsweise produzieren ihn Myxobakterien; man findet sie in Ziegenmist und anderen organischen Abfällen.

Mit neuartigen Synthesestrategien hat man Disorazol Z1 nun Schritt für Schritt synthetisiert und seine Identität mit Hilfe von chemischer Analytik auf dem Stand der Technik bestätigt. Nun kann das Molekül durch gezielte Modifikationen abgewandelt werden.

Wirksamkeit erhöhen – gezielt zum Wirkort

Die zweite genommene Hürde besteht im Nachweis der grundsätzlichen Eignung für Krebstherapien. Er wurde schon in früheren Experimenten mit aus Myxobakterien isoliertem Disorazol Z1 auf der Hand.

Damit stellen sich jetzt zwei Aufgaben: Erstens sind Moleküle mit verwandten Strukturen mit möglicherweise noch höherer Wirksamkeit zu synthetisieren. Zweitens sollten diese Moleküle so designt werden, dass sie an bestimmte Antikörper andocken können; diese bringen sie zum Wirkort: zu den Tumorzellen.

«In Zusammenarbeit mit Industriepartnern soll die Substanz nun so weiterentwickelt werden, dass sie gezielt Krebszellen angreift, während gesunde Zellen weitgehend verschont bleiben», definiert Prof. Dieter Schinzer den Fahrplan für die Zukunft. Das zugrundeliegende Prinzip eines solchen Wirkstoff-Antikörper-Konjugats hat sich für andere – auch für stark toxische – Wirkstoffe bereits in Studien bewährt [2]. Ihr Einsatz könnte sich sogar in einem zunehmenden Verzicht auf herkömmliche Chemotherapien niederschlagen [3].

Allerdings besteht möglicherweise Optimierungsbedarf. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass sich ein Wirkstoff auf dem Weg zum Tumor an einer falschen Stelle aus dem Konjugat löst. Darum forscht die ETH Zürich an bestimmten Enzymen zur Stabilisierung der Verbindung zwischen Wirkstoff und Antikörper. So wird der toxische Wirkstoff mit höherer Sicherheit erst in der Tumorzelle freigesetzt [4].

Herstellung grösserer Mengen

Wenn die beiden ersten Aufgaben gelöst sind und die Verwendung von Disorazol Z1 bzw. von einem strukturähnlichen Molekül zur Krebstherapie aussichtsreich erscheint, besteht Aufgabe Nr. 3 in der Herstellung grösserer Mengen. Die Arbeitsgruppe an der Universität Magdeburg hat bisher nur zwei Milligramm hergestellt und mit gering konzentrierten Lösungen gearbeitet. Selbst dafür hat man bereits strenge Schutzvorkehrungen treffen müssen – unter anderem Handschuhe, Mundschutz und geschlossene Abzüge. Die Herstellung im grösseren Labor- oder gar Technikumsmassstab stellt daher eine Herausforderung von ganz eigener Dimension dar.

Nun sollen zunächst ein Patent angemeldet und dann die Forschungsergebnisse veröffentlicht werden. Anschliessend gilt: Die Chemie stimmt, die pharmazeutische Entwicklung ist noch zu leisten – sprich: das mehrphasige Verfahren zur Zulassung eines entsprechenden Arzneimittels.

Literatur

1. https://idw-online.de/de/news849933, Zugriff am 4.4.2025

2. Christina Berndt: Wundermittel gegen Krebs? Noch nicht. Disorazol Z1: Noch kein Durchbruch gegen Krebs – Gesundheit – SZ.de, Zugriff am 9.4.2025

3. Christine Willen: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate der 3. Generation: Breite Wirkung im Tumor. https://www.aerzteblatt.de/archiv/antikoerper-wirkstoff-konjugate-der-3-generation-breite-wirkung-im-tumor-2661732a-3e0b-4a9f-a227-8ab66fe141b9, Zugriff am 9.4.2025

4. Christoph Elhardt: Eine Proteinschere für bessere Krebstherapien. https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2022/09/eine-proteinschere-fuer-bessere-krebstherapien.html, Zugriff am 9.4.2025Ich bin ein Fliesstext.

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