Eine interdisziplinäre Studie der Universität Bern zeigt, dass Darmbakterien bei der Umwandlung von Arsenobetain in giftige Arsenverbindungen eine entscheidende Rolle spielen. Die Resultate zeigen, dass Arsenobetain, das häufig in Meeresfrüchten vorkommt und bisher als unbedenklich galt, im Körper von Säugetieren durch Darmbakterien teilweise in giftige Arsenverbindungen umgewandelt wird. Diese Erkenntnisse werfen neue Fragen über die Sicherheit des Verzehrs von Meeresfrüchten auf.
Arsen ist ein weit verbreitetes toxisches Spurenelement, das in verschiedenen Lebensmitteln und im Wasser vorkommt und in vielen chemischen Formen existiert. Anorganisches Arsen, die häufigste Umweltform, wird mit schwerwiegenden Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurologische Störungen bei langfristiger Exposition. Infolgedessen stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung anorganisches Arsen als krebserregend ein. Arsenobetain ist eine der am häufigsten vorkommenden Arsenverbindungen in Meeresfrüchten, einschliesslich Algen, Fisch und Schalentieren. Es wird daher oft als «Fischarsen» bezeichnet. Auch in einigen Pilzen sind erhebliche Konzentrationen von Arsenobetain zu finden. Für den Menschen galt Arsenobetain aufgrund seiner geringen Toxizität und schnellen Ausscheidung bisher als risikoarm.
Eine neue Studie, die im Rahmen der interfakultären Forschungskooperation «One Health» der Universität Bern durchgeführt wurde, zeigt nun, dass das Darmmikrobiom von Säugetieren eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung von Arsenobetain in andere Arsenverbindungen, einschliesslich krebserregendem anorganischem Arsen, spielt. Über die Rolle des Darmmikrobioms bei der Anreicherung, Toxizität und Ausscheidung von Arsen wurde bereits früher berichtet, aber frühere Forschungen konzentrierten sich hauptsächlich auf anorganisches Arsen. Über den mikrobiellen Abbau von Arsenobetain im Darm war wenig bekannt. Neue Ergebnisse eines interdisziplinären Teams unter der Leitung von Prof. Dr. Siegfried Hapfelmeier vom Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern und Prof. Dr. Adrien Mestrot vom Geographischen Institut der Universität Bern stellen frühere Annahmen über die Sicherheit von Arsenobetain-haltigen Meeresfrüchten in Frage. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal of Hazardous Materials veröffentlicht.
Mögliche schädliche Wirkung von Darmmikroben
Die Berner Forschenden setzten Gnotobiologie und modernste analytische Chemie ein, um den Arsenbetain-Stoffwechsel bei Mäusen mit unterschiedlicher Zusammensetzung des Darmmikrobioms zu untersuchen. Dabei untersuchten sie drei Gruppen: keimfreie Mäuse (ohne Darmmikroben), herkömmliche Mäuse mit einer natürlichen Mikrobiota (besiedelt mit Hunderten verschiedenen Mikroorganismen) und «gnotobiotische» Mäuse mit einer vereinfachten Mikrobiota (bestehend aus 12 definierten Darmbakterienarten). Alle wurden mit einer arsenobetainreichen Diät gefüttert, um den Arsenstoffwechsel, die Verteilung im Körper und die Ausscheidung zu vergleichen. «Der Zugang zu keimfreien Mäusen aus der Clean Mouse Facility der Medizinischen Fakultät und die hochmodernen Analysegeräte, die vom cLab des Instituts für Geographie zur Verfügung gestellt wurden, sowie komplementäre Expertise in Darmmikrobiom-Biologie und Arsenstoffwechsel ermöglichten diese Forschung auf einzigartige Weise», sagt Dr. Teresa Chávez-Capilla, Arsen-Expertin und Mitautorin der Studie.
Die Forschenden stellten fest, dass Mäuse mit Darmmikroben höhere Arsenkonzentrationen in ihrem Darmtrakt anreicherten als keimfreie Mäuse. «Wir fragten uns daher, ob dies darauf zurückzuführen ist, dass Darmbakterien die Chemie des aufgenommenen Arsens verändern. Tatsächlich beobachteten wir bei mikrobiell besiedelten Mäusen – aber nicht bei keimfreien Mäusen – die Bildung bestimmter hochtoxischer Arsenverbindungen im Dickdarm», erklärt Prof. Siegfried Hapfelmeier, Darmmikrobiom-Forscher und Mitautor der Studie. Diese toxischen Verbindungen reichern sich bekanntermassen stärker im Körper an. Dementsprechend wiesen konventionelle Mäuse mit einer natürlichen Darmmikrobiota eine erhöhte Arsenakkumulation in ihren Organen auf. Darüber hinaus war bei konventionellen Mäusen, die auf eine arsenarme, gereinigte Diät umgestellt wurden, die Ausscheidung von Arsen aus dem Körper deutlich langsamer als bei keimfreien Mäusen. «Darmmikroben spielen also eine entscheidende Rolle bei der Verstoffwechselung von Arsenobetain im Körper. In diesem Fall scheint das Mikrobiom jedoch eine schädliche Wirkung zu haben», fügt Hapfelmeier hinzu.
Neue Fragen zur Sicherheit von Meeresfrüchten
Arsenobetain ist derzeit nicht als toxisch eingestuft und unterliegt daher keinen gesetzlichen Grenzwerten in Lebensmitteln. Obwohl frühere Studien darauf hindeuteten, dass Arsenobetain in Säugetieren metabolisiert werden könnte, blieb unklar, ob dieser Prozess durch den Säugetierwirt oder sein Mikrobiom vermittelt wird. «Die translationale Mikrobiomforschung mit Hilfe von Mausmodellen hat sich enorm weiterentwickelt. Obwohl Studien an Mäusen sich nicht unkritisch auf den Menschen übertragen lassen, deuten die von uns beobachteten sehr deutlichen Effekte stark darauf hin, dass beim Menschen ähnliche Prozesse ablaufen», sagt Hapfelmeier.
Forschungskooperation «One Health»
Die Zusammenarbeit «One Health» fördert die interdisziplinäre Forschung zwischen den Fakultäten für Naturwissenschaften, Veterinärmedizin und Medizin der Universität Bern. Die engen Wechselwirkungen zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt werden berücksichtigt und es wird untersucht, wie Umweltfaktoren wie chemische Toxine das Mikrobiom und die allgemeine Gesundheit entlang der Nahrungskette beeinflussen.
«Arsenobetain ist weltweit eine der Hauptquellen für Arsen in der Nahrung, insbesondere in Regionen, in denen viel Fisch und Meeresfrüchte verzehrt werden», erklärt Mitautor Prof. Adrien Mestrot, Experte für Umweltchemie. «Die Tatsache, dass Arsenobetain im Darm von Säugetieren in giftigere Formen umgewandelt werden kann, stellt frühere Annahmen zur Sicherheit von Lebensmitteln in Frage und hat auch erhebliche Auswirkungen auf Lebensmittelbehörden», so Mestrot abschliessend.