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Chemie- und Pharmaberufe Verbandes

Selektiv und reversibel Gase adsorbieren

Modell zum Verlauf des elektrischen Feldes während des Adsorptionsprozesses von Kohlendioxid. A: Kompositpartikel bestehend aus Kohlenstoff und Siliciumdioxid. B: Grenzflächensituation nach Einschalten des Feldes. C und D: Während des Adsorptionsprozesses von Kohlendioxid. E: Desorption von Kohlenstoffdioxid nach Abschalten des Feldes. (Bild: S. Heinschke / J.J. Schneider, Rawpixel)

Mit Hilfe eines elektrisch schaltbaren Komposits aus Kohlenstoff und Siliciumdioxid wurden erstmals Gase wie Kohlendioxid, Stickstoff oder Argon gezielt aus der Gasphase entfernt – allein durch Anlegen einer elektrischen Spannung. Das Material speichert die Gase an seiner Oberfläche und gibt sie bei Spannungsänderung wieder vollständig frei.

In Wissenschaft und Technik ist es von zentraler Bedeutung, Stoffe voneinander zu trennen. Möchte man beispielsweise Flüssigkeiten trennen, ist dafür oft viel Energie erforderlich, etwa beim Destillieren und Verdampfen.

Es gibt aber auch schonendere Methoden, um Stoffe gezielt zu trennen. Diese funktionieren, indem man Stoffe (Adsorbate) an einer Oberfläche anlagert und sie später wieder ablöst. In mehreren Schritten können so zum Beispiel verschiedene Gase nacheinander eingefangen (adsorbieren) und wieder freigesetzt werden (desorbieren).

Spannung anlegen – und wieder wegnehmen

Um Adsorption und Desorption energieeffizient zu realisieren, sind schaltbare Materialien und Prozesse erforderlich. Für eine technologische Nutzung muss das schaltbare Material ausserdem gut verfügbar sein. Der Schaltprozess sollte reversibel und möglichst ressourcenschonend ablaufen. Hierfür stehen insbesondere elektrische Verfahren im Fokus der anwendungsorientierten Forschung. Besonders attraktiv wird das Verfahren dann, wenn die dafür notwendige elektrische Energie weitestgehend aus regenerativen Quellen zur Verfügung gestellt werden kann.

Eine Forschungsgruppe um Doktorand Silvio Heinschke und Professor Jörg J. Schneider vom Fachgebiet Mesoskopische Chemie aus dem Fachbereich Chemie der TU Darmstadt ist es jetzt erstmals gelungen, Kohlendioxid (CO₂), Stickstoff (N₂) oder Argon (Ar) direkt aus der Gasphase zu adsorbieren, indem eine niedrige elektrische Spannung an ein Material (Adsorbens) angelegt wird. Dieses Adsorbens besteht aus Kohlenstoff (Kohle) und Siliciumdioxid (Sand). Später können diese Gase kontrolliert und vollständig vom adsorbierenden Material abgelöst werden, indem die Spannung wieder weggenommen wird.

Grenzflächen von wenigen Mikrometern

Der Trick dabei ist, dass im Material Grenzflächen in einer Grösse von nur wenigen Mikrometern erzeugt werden. Diese Grenzflächen entstehen zwischen dem elektrisch leitfähigen Kohlenstoff und dem dielektrischen, also isolierenden Siliciumdioxid. Die Mischung (Komposit) beider Stoffe ist notwendig und entscheidend für das jetzt erstmals beschriebene Adsorptions-/Desorptionsverhalten.

Zwischen den zahlreich vorhandenen Grenzflächen aus Kohlenstoff und Siliciumdioxid im Komposit werden durch elektrische Aufladung Inhomogenitäten, das heisst Feldgradienten, erzeugt. In diesen Feldern werden Gasmoleküle wie CO₂, N₂ oder Argon leicht elektrisch geladen beziehungsweise polarisiert und bleiben dann an der Oberfläche des Kohlenstoffs haften.

Links: Reale Grenzflächensituation in einem Komposit aus Kohlenstoff/Siliciumdioxid, in dem die Gasadsorption selektiv gesteuert werden kann. Rechts: Die Farbcodierung zeigt den Verlauf des elektrischen Feldgradienten an einem Kohlenstoff/Sliciumdioxid-Ensemble. Der Spannungsanstieg verläuft in Pfeilrichtung. (Bild: S. Heinschke / J.J. Schneider, Rawpixel)

Die Adsorption wird durch die Multipole in den Gasmolekülen beeinflusst. Diese weisen im elektrischen Feld unterschiedlich grosse Ladungsverteilungen und Polarisierbarkeiten auf. Die dadurch erzeugte Anbindung der Gase an das Adsorbens ist vollkommen reversibel. Somit kann durch das An- und Abschalten des elektrischen Feldes ein spannungsinduzierter Swing zwischen der Be- und Entladung aus der Gasphase und der Komposit-Oberfläche erzeugt werden.

Dieses Prinzip sollte grundsätzlich für alle Gase mit einer hohen Polarisierbarkeit realisierbar sein. Auf dieser Grundlage erscheint zukünftig auch die Trennung von Gasgemischen durch elektrisch gesteuerte Swing-Adsorption/Desorption realistisch. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Advanced Science veröffentlicht.

www.tu-darmstadt.de

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