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Röntgenspektroskopie: Harnstoff = DNA-Urstoff

Forschende der ETH Zürich haben gezeigt, wie sich in konzentrierten Harnstoff-Lösungen reaktive Dimere bilden – so reaktiv, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Weiterreaktion zum mutmasslichen DNA-Vorläufer Malonsäure denkbar ist.
Zwei benachbarte Harnstoff-Moleküle in einer wässrigen Lösung tauschen Protonen aus. (Bild: DESY, Ludger Inhester)

Forschende der ETH Zürich haben gezeigt, wie sich in konzentrierten Harnstoff-Lösungen reaktive Dimere bilden – so reaktiv, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Weiterreaktion zum mutmasslichen DNA-Vorläufer Malonsäure denkbar ist.

Gängigen Theorien zufolge könnte sich Harnstoff auf der noch unbelebten Erde in warmen Tümpeln angereichert haben. Dann verdunstete aus dieser Ursuppe ein Teil des Wassers. Die Harnstoff-Konzentration stieg. Gleichzeitig traf auf die Tümpel kosmische Strahlung. Unter ihrem Einfluss könnte sich schliesslich aus dem konzentrierten Harnstoff über mehrere Syntheseschritte Malonsäure gebildet haben. Daraus wiederum könnten die Bausteine der RNA und der DNA entstanden sein.

Von dieser langen Abfolge chemischer Reaktionen haben die Wissenschaftler der ETH Zürich und der Universität Genf den ersten Schritt untersucht: wie sich eine konzentrierte Harnstoff-Lösung verhält, wenn man sie ionisierender Strahlung aussetzt.

Dazu muss man wissen: In einer konzentrierten Harnstoff-Lösung arrangieren sich die Harnstoff-Moleküle zu Dimeren. Wie die Forschenden nun zeigen konnten, wandert ein Wasserstoff-Atom unter dem Einfluss der Strahlung innerhalb dieser Dimere von einem Harnstoff-Molekül zum anderen. Aus den beiden Harnstoff-Molekülen entstehen so ein protoniertes Harnstoff-Molekül und ein Harnstoff-Radikal. Dieses weist eine hohe chemische Reaktivität auf und dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit mit anderen Molekülen reagieren, unter anderem zu Malonsäure.

Die Forschenden konnten ausserdem zeigen, dass dieser Transfer eines Wasserstoffatoms extrem schnell abläuft und bloss etwa 150 Femtosekunden dauert. Bei diesem Sprint-Tempo haben alle anderen Reaktionen, die theoretisch auch noch ablaufen könnten, keine Chance.

Für ihre Untersuchungen haben die Forscher ein neues röntgenspektroskopisches Verfahren zur Beobachtung von Reaktionen in Flüssigkeiten (statt, wie bisher, lediglich in der Gasphase) entwickelt. Das dürfte auch für die Optimierung industrieller Prozesse von Interesse sein. Ein herausragendes Detail: Die Wissenschaftler stellen im Vakuum einen Flüssigkeitsstrahl mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer her. Denn in einem breiteren Flüssigkeitsstrahl würde die zur Messung verwendete Röntgenstrahlung teilweise absorbiert.

https://ethz.ch

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