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Röntgen-Kombination mit Perspektiven fürs Endlager

Mitunter müssen Wissenschaftler feststellen, dass eine Methode, mit der sie seit Jahren erfolgreich experimentieren, unter gewissen Umständen doch nicht so gut funktioniert. Dann gilt es, die Mängel akribisch zu analysieren und anschliessend auszubügeln. Genau das gelang nun einer Arbeitsgruppe der Universität Regensburg, der Universität Durham und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) mit der Röntgenbeugung, einer verbreiteten Methode zur Enträtselung von Kristallstrukturen.
Christoph Hennig: «Wir hoffen, die Strukturen bestimmter radioaktiver Molekülverbindungen genauer erfassen zu können. Dadurch könnten wir besser abschätzen, ob eine bestimmte Substanz dauerhaft in einem Endlager verbleibt oder aber irgendwann in die Umwelt gelangen könnte.» (Bild: D5481026/ (CC BY-SA 4.0)

Mitunter müssen Wissenschaftler feststellen, dass eine Methode, mit der sie seit Jahren erfolgreich experimentieren, unter gewissen Umständen doch nicht so gut funktioniert. Dann gilt es, die Mängel akribisch zu analysieren und anschliessend auszubügeln. Genau das gelang nun einer Arbeitsgruppe der Universität Regensburg, der Universität Durham und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) mit der Röntgenbeugung, einer verbreiteten Methode zur Enträtselung von Kristallstrukturen.

Um sie zu optimieren, verfolgte das Team einen besonderen Ansatz: Es kombinierte die Röntgenbeugung mit einem anderen Analyseverfahren: der Röntgenspektroskopie – und konnte dadurch den Makel der Methode ausmerzen. Ein Resultat, wofür die Deutsche Gesellschaft für Kristallographie einen der Forscheden nun mit dem Lieselotte-Templeton-Preis auszeichnet.

«Doch dann mussten wir feststellen, dass bei manchen Messpunkten etwas physikalisch Unsinniges herauskam: Vereinfacht gesagt sassen die Kupferatome nicht so im Kristallgitter, wie es eigentlich hätte sein müssen.»

Michael Bodensteiner

Die Tücken einer bewährten Methode

Röntgenstrahlung taugt nicht nur zum Durchleuchten des menschlichen Körpers, sondern ist auch für Materialuntersuchungen überaus wertvoll: So lässt sich mit ihrer Hilfe herausfinden, wie Kristalle im Detail aufgebaut sind – unerlässliche Informationen etwa für die Entwicklung neuer Hightech-Materialien oder Medikamente. Zwar ist dieses als Röntgenbeugung bezeichnete Verfahren seit langem etabliert. Dennoch stiess ein Forschungsteam vor einiger Zeit auf ein grundlegendes methodisches Problem: An der Universität Regensburg hatte die Arbeitsgruppe von Dr. Michael Bodensteiner eine Kupferverbindung mit einer Röntgenröhre untersucht – allerdings mit einer eher ungewöhnlichen «Röntgenfarbe», sogenannter Kβ-Strahlung.

«Wir hatten einen nahezu perfekten Kristall verwendet und eigentlich erwartet, dessen Struktur präzise ermitteln zu können», erzählt Bodensteiner. «Doch dann mussten wir feststellen, dass bei manchen Messpunkten etwas physikalisch Unsinniges herauskam: Vereinfacht gesagt sassen die Kupferatome nicht so im Kristallgitter, wie es eigentlich hätte sein müssen.»

Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, schaute sich das Team das Verfahren näher an. Dabei stellten die Fachleute fest, dass gewisse Korrekturen, die in die Methode mit einfliessen, die Ergebnisse in einigen Bereichen verfälschen, statt sie zu verbessern. «Früher reichten diese mathematischen Verfahren in der Regel aus», erläutert der Chemiker, «aber mittlerweile liefern unsere Messgeräte derart präzise Daten, dass diese Korrekturen an ihre Grenzen stossen und deshalb verbessert werden müssen.»

Durchbruch in Grenoble

Um das Manko zu beheben, tat sich das Regensburger Team mit Dr. Christoph Hennig zusammen, der am Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht. Er arbeitet an einem besonderen Ort – dem European Synchrotron (ESRF) im französischen Grenoble. Im Vergleich zu gewöhnlichen Labor-Röntgenröhren liefert die beschleunigerbasierte Anlage einen deutlich intensiveren und stärker gebündelten Röntgenstrahl. In Grenoble unterhält das HZDR eine Messstation, die Rossendorf-Beamline (Robl). «Sie bietet sehr gute Voraussetzungen für solche Messungen», erklärt Dr. Hennig. «Unter anderem gibt es ein leistungsfähiges Diffraktometer, das hochaufgelöste Beugungsbilder aufnehmen kann.» Simultan dazu sind auch spektroskopische Messungen möglich – eine ausgewiesene Spezialität von Robl. Dabei wird eine Probe mit wechselnden «Röntgenfarben» durchleuchtet. Dadurch lässt sich zum Beispiel auf gewisse chemische Eigenschaften jener Elemente schliessen, aus denen ein Kristall besteht.

Neue Kombination

Die Idee des Teams beide Methoden, also Röntgenbeugung und -spektroskopie, miteinander zu kombinieren, ist ein bislang kaum erprobter Ansatz. «Eine der Herausforderungen dabei war, die verschiedenen Gerätekomponenten aufeinander abzustimmen, etwa die Detektoren, die die Messwerte aufnehmen», erzählt Nachwuchsforscher Florian Meurer von der Universität Regensburg. Bei ihren Experimenten nahmen die Fachleute dann vor allem jene Messpunkte ins Visier, bei denen die übliche Methode unzuverlässige Resultate ergeben hatte. «Durch die Kombination von Röntgenbeugung und -spektroskopie kamen stimmige Werte heraus», freut sich Meurer. «Das heisst: Unsere Methode funktioniert.» Für seine Masterarbeit, die er über dieses Projekt schrieb, erhält er Ende März 2023 den Lieselotte-Templeton-Preis der Deutschen Gesellschaft für Kristallographie.

Perspektiven für die Endlagerforschung

Zwar müssen die Fachleute ihr Verfahren noch verfeinern, doch für die Zukunft verspricht es einiges. So dürften sich die Strukturen gewisser Kristalle genauer analysieren lassen als bisher. Und: «Neben der reinen Strukturinformation könnten wir in derselben Messung mehr erfahren, etwa über die Oxidationsstufe eines Elements», hofft Bodensteiner. «Das wäre zum Beispiel für die Untersuchung von katalytischen Reaktionen in der Chemie hilfreich.»

Auch für künftige Projekte an der Robl-Messstation in Grenoble dürfte das Kombi-Verfahren von Nutzen sein: Hier untersuchen Hennig und seine Leute das Verhalten von radioaktiven Substanzen, wie sie in nuklearen Abfällen zu finden sind. «Wir hoffen, die Strukturen bestimmter radioaktiver Molekülverbindungen genauer erfassen zu können», beschreibt der Kristallograph Christoph Hennig. «Dadurch könnten wir besser abschätzen, ob eine bestimmte Substanz dauerhaft in einem Endlager verbleibt oder aber irgendwann in die Umwelt gelangen könnte.

www.uni-regensburg.de

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