Zur Identifizierung von Schädlingen in der Landwirtschaft bedarf es jetzt nur noch einer Web-Anwendung, während die spezifische Analytik auf der Basis der Nanoporen-Sequenzierung einfach im Hintergrund abläuft.
Eine Ausgründung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt am Main, mit dem Namen «Phytoprove Pflanzenanalytik» hat sich eine Verbesserung der sogenannten «Landwirtschaft 4.0» zum Ziel gesetzt und wurde dafür vor fünf Jahren mit dem Leibniz-Gründungs-Preis prämiert. So soll es eine nichtinvasive Messung der Stickstoffversorgung und Fitness von Pflanzen Landwirten ermöglichen, Überdüngung sowie damit einhergehende Umwelt- und Gesundheitsschäden zu vermeiden. Der Anwender kann dazu ein Handgerät verwenden oder eine Messvorrichtung zum Einsatz an Traktoren, die für eine bedarfsgerechten Ausbringung von Düngemitteln sorgt [1].
Hase schlägt Schildkröte
Die Bedeutung eines solchen «Precision Farming» kann kaum überschätzt werden. So hat im vergangenen Jahr eine im wissenschaftlichen Fachjournal Nature Communications veröffentlichte Studie erstmals gezeigt, dass Eingriffe wie Düngung und Mahd Lebewesen auf allen Ebenen eines Ökosystems – und über sämtliche Nahrungsketten hinweg – beeinflussen und damit das gesamte System beschleunigen [2]. Kleinere Tiere mit schnellem Stoffwechsel haben damit gegenüber den langsameren die Nase vorn, nach dem Motto: „Hase schlägt Schildkröte“.
Eine noch präzisere Schädlingsbekämpfung wäre möglich, wenn der Landwirt über die Minimierung von Düngemittelmengen hinaus gezielt genau denjenigen Schädling eliminieren würde, der für welke Blättern, Schimmel oder Fäule verantwortlich ist. Dazu muss man den Übeltäter allerdings zunächst kennen.
Spezifische Schädlingsbekämpfung
Zu diesem Zweck muss klassischerweise für jedes einzelne Pathogen mit hohem Aufwand ein eigener Test entwickelt werden. Seine Durchführung obliegt später Fachpersonal, doch es gibt nun eine Alternative: Mit Hilfe einer öffentlich zugänglichen und kostenfreien mobilen Web-Anwendung kann, nach einer kurzen Schulung, jedermann nahezu beliebige Schädlinge nachweisen (Agrifuture [3]). Im Hintergrund befindet sich eine umfangreiche Infrastruktur zur automatischen Probenbearbeitung, Gensequenzierung und Gensequenzanalyse. Darüber lassen sich Pathogene innerhalb weniger Stunden identifizieren.
Dr. Stephen Knobloch, Mitentwickler der Webanwendung, erläutert das Vorgehen in der Praxis folgendermassen: «Anwender bereiten zunächst die DNA von potenziell infiziertem Saatgut oder einer infizierten Pflanze auf und sequenzieren eine Gen-Bibliothek auf einem mobilen Genomsequenzierungsgerät. Dann können sie den Agrifuture-Desktop-Agent mit dem laufenden Sequenzierungsvorgang verbinden und erhalten die Ergebnisse des Schaderregernachweises in Echtzeit.»
Pandemiebekämpfung im Blick
Die Web-Anwendung richtet sich zum Beispiel an landwirtschaftliche Berater, Ämter, Wissenschaftler und andere Akteure im Bereich der Schaderreger-Identifikation. Das Potenzial des Verfahrens geht sogar weit über den Einsatz in der Landwirtschaft hinaus. «Wir haben das Verfahren für Pflanzenschädlinge entwickelt», erläutert Prof. Dr. Marco Thines, Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrum. «Aber grundsätzlich kann es auch eingesetzt werden, um neue Pandemien bei Mensch und Tier zu entdecken und frühzeitig gegenzusteuern.»
Dr. Christian Ehrensberger
Quellen
1. https://www.senckenberg.de/de/pressemeldungen/senckenberg-ausgruendung-phytoprove-pflanzenanalytik-gewinnt-leibniz-gruendungspreis-2020/, Zugriff am 11.4.2025
2. Neyret, M., Le Provost, G., Boesing, A.L. et al. A slow-fast trait continuum at the whole community level in
relation to land-use intensification. Nat Commun 15, 1251 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-45113-5
3. https://agrifuture.senckenberg.de, Zugriff am 11.4.2025