Offizielles Organ des Schweizerischen
Chemie- und Pharmaberufe Verbandes

Ohne starkes Magnetfeld zu neuen NMR-Ufern

Die Nullfeld-Magnetresonanzspektroskopie (Nullfeld-NMR) kommt ohne das NMR-übliche starke äussere Magnetfeld aus. Dennoch werden gerade mit diesem Verfahren nach neueren Forschungen zusätzliche Anwendungen greifbar, bis hin zur Analyse kleiner Atomkernzahlen über ihren radioaktiven Gammazerfall.
Durchdachter Versuchsaufbau – bekannte Hilfsmittel: Standard-NMR-Röhrchen mit Flüssigkeitsproben von unterschiedlich stark deuterierten Ammoniakmolekülen (Bild: Oleg Tretiak)

Die Nullfeld-Magnetresonanzspektroskopie (Nullfeld-NMR) kommt ohne das NMR-übliche starke äussere Magnetfeld aus. Dennoch werden gerade mit diesem Verfahren nach neueren Forschungen zusätzliche Anwendungen greifbar, bis hin zur Analyse kleiner Atomkernzahlen über ihren radioaktiven Gammazerfall.

Ein entscheidender Schritt gelang jetzt Forschenden der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) gemeinsam mit der University of California, Berkeley. Erstmals haben sie mit der Nullfeld-NMR einen Quadrupol-Kern vermessen.

Wie sieht die Struktur eines bestimmten Moleküls aus? Wie wechselwirken Moleküle miteinander? Um solche Fragen zu beantworten, kommt vielfach die Magnetresonanzspektroskopie zum Einsatz. Mit einem starken äusseren Magnetfeld werden die Spins der Atomkerne ausgerichtet und über ein oszillierendes schwaches Magnetfeld – erzeugt von Spulen – zum Rotieren gebracht. Als Resultat ändert sich die Spannung, die sich in eine Frequenz umrechnen lässt. Diese Frequenz lässt auf die Art der Moleküle schliessen, zudem verrät sie etwas über die Wechselwirkung der Kernspins. Allerdings sind für diese Untersuchungen hohe Magnetfelder nötig, die sehr grosse, schwer zu installierende Geräte benötigen. Auch ist es schwierig, Kerne mit einem Quadrupol-Spin zu vermessen. Diese liegen jedoch bei den meisten magnetischen Atomkernen vor.

Die Nullfeld-Magnetresonanzspektroskopie, kurz Nullfeld-NMR, dagegen kommt ohne das starke äussere Magnetfeld aus – die Kopplungen zwischen den Kernspins magnetisch aktiver Kerne sind die dominante quantenmechanische Wechselwirkung. Die Linien des Spektrums sind somit schmaler und schärfer, auch lassen sich Proben in Gefässen aus Metall oder anderen Materialien untersuchen. Interessant ist die Nullfeld-Magnetresonanzspektroskopie unter anderem in der metallurgischen Forschung, in der Pflanzenforschung und der Medizin. Um die minimalen Kopplungen messen zu können, muss allerdings das Erdmagnetfeld abgeschirmt werden – eine aufwendige Angelegenheit.

Versuchsaufbau ebenso präzise wie einfach

Die kürzliche Vermessung eines Quadrupol-Kerns mit der Nullfeld-NMR erläutert Dr. Danila Barskiy, Gruppenleiter an der JGU folgendermassen: «Genauer gesagt haben wir ein Ammonium-Molekül, also NH4, analysiert, da dieses für verschiedene Anwendungen sehr wichtig ist. Wir hoffen, diese Moleküle künftig selbst in komplexen Umgebungen wie Reaktoren und Metallbehältern nachweisen zu können.»

Anhand von Ammonium entwickelten die Forschenden ein einfaches System: Ammonium-Salz mit Wasser mischen, verschiedene Mengen Deuterium zugeben – und schon können die einzelnen Spektren aufgenommen und analysiert werden. Die Proben werden einfach in marktgängigen 5-mm-Standard-NMR-Röhrchen vermessen. Auch ein magnetisch abgeschirmter Raum ist unnötig, es genügt ein magnetisch abgeschirmter kompakter Messaufbau.

Eine neue Messlatte für quantenchemische Kalkulationen

Ferner stellten sich die Forschenden die folgende Frage: Wie beeinflusst die Zahl der Deuterium-Atome in einem Ammonium-Molekül das Spektrum und die Relaxationseigenschaften der Spins?

«Unsere Methode ermöglicht es, die Resonanzfrequenzen mit höchster Präzision zu bestimmen. Indem diese mit experimentellen Daten verglichen werden, kann die Methode daher als Benchmark für quantenchemische Berechnungen verwendet werden. Wir hoffen gespannt darauf, dass unsere Arbeit in naher Zukunft zur Standardpraxis wird», erklärt Román Picazo-Frutos, Student am Institut für Physik der JGU und Erstautor der Veröffentlichung. Zwar sagen die derzeitigen Theorien die Ergebnisse des Teams bereits recht gut vorher, dennoch gibt es kleine Abweichungen.

«Diese Arbeit erweitert den Bereich der Moleküle, die mit Nullfeld- bis Ultraniedrigfeld-NMR-Techniken analysiert werden können, erheblich und könnte zur Entwicklung neuartiger Anwendungen führen, beispielsweise zur Analyse kleiner Atomkernzahlen über ihren radioaktiven Gammazerfall. Es bleibt noch viel zu tun!» fasst Prof. Dr. Dmitry Budker von der JGU zusammen.

www.uni-mainz.de

Das könnte Sie auch interessieren:

Newsletter abonnieren