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Nach der Analyse nun die Dünnschicht-Synthese

Geladene Molekülbruchstücke wurden bisher hauptsächlich zur Strukturbestimmung in der analytischen Chemie untersucht, doch sie haben sich nun auch für die Dünnschichtsynthese als bedeutsam erwiesen.

Das ist ein Resultat fünfjähriger Forschungstätigkeit an der Universität Leipzig. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse kürzlich, gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern an der Purdue-Universität (USA), in der Fachzeitschrift «Nature Reviews Chemistry» veröffentlicht.

Nano- bis mikrometerdünne Schichten

Zusammen hat man unter anderem neuen Methoden entwickelt, um gasförmige, geladene Molekülbruchstücke gezielt zu neuen, komplexen Molekülen zusammenzusetzen. Diese Substanzen werden auf Oberflächen abgeschieden. Das innovative Verfahren eröffnet neue Perspektiven für Anwendungen in der modernen Nanoelektronik und Sensorik. Es bietet auch neue Forschungsansätze in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, von der Katalysatorforschung bis hin zu medizinischen Anwendungen.

«Bisher wurden geladene Molekülbruchstücke hauptsächlich in der analytischen Chemie untersucht, um die Struktur von Molekülen zu bestimmen. Die Forschung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, dass diese Molekülbruchstücke auch für synthetische Anwendungen von grosser Bedeutung sind. Durch ihre kontrollierte Abscheidung auf Oberflächen können chemische Reaktionen initiiert werden, die mit herkömmlichen Synthesemethoden nicht möglich wären», erklärt Forschergruppenleiter Prof. Dr. Jonas Warneke vom Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Leipzig.

Die verwendeten Forschungsinstrumente, die speziell für sogenannte Dünnschichtsynthesen mit geladenen Molekülbruchstücken optimiert wurden, existieren weltweit nur an zwei Standorten. Sie wurden gemeinsam von den Forschungsgruppen um Professor Warneke und Professorin Julia Laskin von der Purdue Universität entwickelt. Als Dünnschichtsynthese bezeichnet man die Herstellung dünner Schichten mit Dicken im Nanometer- bis Mikrometerbereich.

Aggressivstes Molekülbruchstück angebunden

Das Leipziger Forschungsteam berichtet in dem Artikel über seine Arbeiten zur kontrollierten chemischen Bindungsbildung mit «aggressiven» Molekülbruchstücken. So konnte das chemisch reaktivste, negativ geladene Molekülbruchstück, das bisher bekannt ist, gezielt an andere Moleküle angebunden werden.

Beispielsweise wurde auch der als wenig reaktiv geltende Stickstoff aus der Luft in Schichten auf Oberflächen gebunden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, solche wenig reaktiven chemischen Rohstoffe zur Synthese neuer Moleküle und Funktionsmaterialien auf Oberflächen zu verwenden oder die Eigenschaften von Materialoberflächen gezielt zu verändern.

Das Forschungsteam der Purdue-Universität beschreibt in dem Artikel seine Arbeiten zur Verknüpfung metallhaltiger, geladener «Nanocluster» (kleine Partikel mit genau definierter Atomanzahl). Aufgrund ihrer besonderen magnetischen und elektronischen Eigenschaften sind sie für Quantentechnologien von Interesse. Darüber hinaus wird über die gemeinsame Arbeit der beiden Forschungsgruppen zur Entwicklung der Instrumente und zur Reaktion molekularer, geladener Katalysatoren auf Oberflächen berichtet.

Ausblick: Mikrosystemtechnik und Biomoleküle

«Wir möchten in den kommenden Jahren unsere Arbeiten durch die Entwicklung noch leistungsfähigerer Instrumente zur Dünnschichtsynthese mit Molekülfragmenten optimieren», sagt Warneke.

Dies könnte die Synthese von Materialien im Mikromassstab ermöglichen und den Weg für Anwendungen der aussergewöhnlichen neuen Verbindungen, die aus Molekülbruchstücken zusammengesetzt wurden, in der Mikrosystemtechnik ebnen. Zudem entwickelt das Leipziger Forschungsteam neue Wege zur Analyse grosser Biomoleküle auf Oberflächen durch Anbindung geladener Molekülbruchstücke, was für das grundlegende Verständnis der biologischen Funktionen dieser Moleküle an Zelloberflächen von Bedeutung sein könnte.

Susann Sika, Universität Leipzig
Dr. Christian Ehrensberger

Literatur

Warneke, J., Samayoa-Oviedo, H.Y., Rohdenburg, M. et al. Molecular synthesis with gaseous fragment ions on surfaces. Nat Rev Chem 9, 470–480 (2025). https://doi.org/10.1038/s41570-025-00719-1

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