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Mit Therapiehelm gegen Alzheimer

Bottneuro, ein Spin-off der Universität Basel, entwickelt einen personalisierten Neurostimulator. Dank gezielter Elektrostimulation des Gehirns soll der neuartige Helm den Verlauf von Krankheiten wie Alzheimer positiv beeinflussen. Der Markt für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit degenerativen Hirnerkrankungen ist riesig.
Ein Basler Unternehmen entwickelt einen therapeutischen Helm gegen die Alzheimer-Krankheit. (Bild: Universität Basel, Roland Schmid)

Bottneuro, ein Spin-off der Universität Basel, entwickelt einen personalisierten Neurostimulator. Dank gezielter Elektrostimulation des Gehirns soll der neuartige Helm den Verlauf von Krankheiten wie Alzheimer positiv beeinflussen. Der Markt für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit degenerativen Hirnerkrankungen ist riesig.

Mit der elektrischen Reizung bestimmter Hirnareale können degenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson möglicherweise therapiert werden. Das zeigten wissenschaftliche Studien der letzten Jahre, sagt Dr. Bekim Osmani, Mitgründer und CEO von Bottneuro, einem Spin-off des Departements Biomedical Engineering der Universität Basel.

Die gezielte Stimulation von Hirnarealen durch die Schädeldecke ist allerdings ein schwieriges Unterfangen. Unterschiedliche Kopfformen und Gehirngrössen verunmöglichen eine Standarttherapie. Mit dem Neurostimulator «Miamind» bietet Bottneuro nun eine personalisierte Lösung. Das in Basel entwickelte System besteht aus einem passgenauen Helm, der mit 34 Elektroden ausgestattet ist. Die exakte Form des Helms und die Platzierung der Elektroden wird für jeden Patienten anhand eines MRI-Scans von Kopf und Gehirn bestimmt und am Computer modelliert. Ein 3-D-Drucker produziert den fertigen Helm, der perfekt auf dem Kopf sitzt.

Therapie-Set mit Helm, Schultergürtel und Tablet.
«Miamed» soll in der Therapie von Alzheimer zum Einsatz kommen. (Bild: Universität Basel, Roland Schmid)

«Wir entwickeln das erste medizinische Gerät, das eine personalisierte Elektrostimulationstherapie in einem mobilen Gerät anbietet», sagt Bekim Osmani. Zum Helm gehören auch ein Schultergürtel, in dem die Elektronik zur Steuerung der Elektroden untergebracht ist, und ein Tablet. Damit kann der Patient die Therapie starten. Der Neurostimulator erzeugt über die 34 Elektroden elektrische Felder, die spezifische Hirnregionen anregen. Mit denselben Elektroden kann das Gerät anschliessend auch ein Elektroenzephalogramm (EEG) erstellen und die Veränderungen der Hirnströme messen.

Therapie für zu Hause

«Bisher mussten Patientinnen und Patienten für Therapien mit ähnlichen Systemen in die Klinik gehen», sagt Osmani. «Die Therapie konnte nur mit externer Hilfe und aufwendigen Forschungsgeräten durchgeführt werden.» Jetzt ist eine unabhängige Anwendung zu Hause möglich. Die Messdaten werden dem behandelnden Neurologen danach automatisch in die Klinik übermittelt.

Nicht nur die mobile Anwendbarkeit des Geräts ist ein Fortschritt. Auch die individuelle Platzierung der Elektroden je nach Grösse und Form des Gehirns ist therapeutisch interessant. «Wir können so sehr genau bestimmen, welche Areale elektrisch stimuliert werden», sagt der Neurobiologe Dr. Alois Hopf, Forschungsleiter bei Bottneuro. Die Stimulationstherapie lässt sich aufgrund des Therapieziels der behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf die betroffenen Hirnareale abstimmen. Der passgenaue Helm stellt gleichzeitig sicher, dass bei jeder Therapiesitzung an exakt denselben Stellen des Kopfes stimuliert wird.

Erste klinische Studien

Bottneuro entwickelte zusammen mit Elektronikpartnern in der Schweiz die Hard- und Software für das Gerät. Investoren und Stiftungen finanzierten die Entwicklung des Spin-off-Unternehmens mit bisher sieben Millionen Franken. Mit der kürzlich erfolgten Registrierung als medizinisches Gerät durch Swissmedic ist Bottneuro in eine neue Entwicklungsphase getreten. Nun wird die Wirksamkeit der Elektrostimulation in klinischen Tests untersucht. In einer ersten Phase mit vorerst acht Probanden testet das Unternehmen die Sicherheit und Verträglichkeit von Miamind. Haben die Elektrostimulationen einen Einfluss auf die Aufmerksamkeit der Probandinnen und Probanden? Wie funktioniert die Bedienung des Geräts in der Praxis? Solche Fragen studiert das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Prof. Raphael Guzmann, Chefarzt Neurochirurgie am Universitätsspital Basel und Mitgründer von Bottneuro.

«Mobile Stimulationsgeräte haben Potential für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen», sagt er. Erste Studien deuten auf Effekte zum Beispiel bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer hin. Auch bei Epilepsie oder einem Hirnschlag könnte die Technologie funktionelle Verbesserung für die Patientinnen und Patienten bringen. Gleichzeitig betont Guzman, dass der Weg zu einem Wirksamkeitsnachweis von Miamind noch weit ist. «Dazu braucht es randomisierte klinische Studien bei betroffenen Patienten.»

Solche Studien sind äusserst aufwendig und teuer. Die Kosten für entsprechende Studien liegen in der Grössenordnung von 20 bis 50 Millionen Franken. Die Firma hofft mit der Registrierung in Deutschland und in den USA auch Zugang zu ausländischen Investoren zu finden.

Mann mit Bottneuro-Therapieset
Der Proband startet auf einem Tablet die Therapie. (Bild: Universität Basel, Roland Schmid)

Interesse von Privatkliniken

Doch bereits jetzt sucht Bekim Osmani nach Kunden, die das Gerät bei ihren Patientinnen und Patienten einsetzen möchten. «Wir sehen Interesse bei exklusiven Privatkliniken in der Schweiz und in England, die innovative therapeutische Anwendungen anbieten.» Das Gerät kostet derzeit etwa 50 000 Franken pro Jahr im Mietmodell oder kann für 190 000 Franken auch gekauft werden.

«Man muss die derzeit noch hohen Kosten des Geräts auch im Verhältnis zum kürzlich in den USA zugelassenen Alzheimer-Medikament Lecanemab sehen», sagt Osmani. Die Gesamtkosten liegen dort bei zirka 80 000 Franken pro Jahr. Bei der Herstellung grösserer Stückzahlen werde auch der Preis von Miamind um den Faktor fünf sinken.

Neben Alzheimer wäre ein Einsatz auch bei einem Hirnschlag, bei schweren Depressionen, Epilepsie oder Parkinson vorstellbar. Der Nachweis, ob das neuartige Gerät aus Basel für irgendeine der schwerwiegenden Krankheiten einen Nutzen bringt, muss allerdings erst noch erbracht werden.

Christian Heuss, Universität Basel

www.unibas.ch
www.bottneuro.ch

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