Durch eine katalytisch wirksame Beschichtung von Mahlkugeln lassen sich chemische Reaktionen ohne Lösungsmittel durchführen, durch heterolytische Spaltung unpolarer Bindungen im Zuge der Wirkstoff- oder Hochleistungsmaterial-Synthese der Einsatz von Edukten mit problematischer Umweltbilanz vermeiden. Für beide Innovationen erhielten junge Forschende eine Auszeichnung mit dem Carl-Roth-Förderpreis 2025.
Prof. Dr. Stefanie Dehnen, Präsidentin der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCH), und Dr. Christopher Deck als Sponsorenvertreter von Carl Roth überreichten die Preise am 15. März 2025 anlässlich des Frühjahrssymposium des Jungen Chemie Forums (JCF) an der Universität Münster an Anna Tiefel von der Universität Regensburg und Maximilian Wohlgemuth von der Ruhr-Universität Bochum. Beide Preise waren mit jeweils 5000 Euro plus Gutschein über 3000 Euro für Laborausrüstung und Chemikalien aus dem Sortiment von Carl Roth dotiert.
Unpolare Bindungen auf heterolytische Spaltung gepolt
Anna Tiefel wurde für ihre preiswürdigen Arbeiten zur ionischen Spaltung unpolarer Bindungen ausgezeichnet. Kern ihrer Arbeit ist die Entwicklung einer neuen Methode, die ohne die bei herkömmlichen Spaltungsmethoden notwendigen Aktivierungsschritte und benötigen Hilfsstoffe auskommt.
Die wesentliche Erkenntnis von Anna Tiefel: Auch unpolare Bindungen, die in aller Regel homolytisch gespalten werden, lassen sich heterolytisch spalten, und zwar indirekt durch eine sogenannte Polung. Dabei werden die Moleküle gezielt durch eine Licht- und Wärmeaktivierung in mehreren Stufen zur Erzeugung eines Paars elektrisch gegensätzlich geladener Teilchen gebracht.
Durch Polung sollten sich völlig neue Möglichkeiten für die Durchführung und Erforschung chemischer Reaktionen ergeben. Beispielsweise können dann bei der Herstellung von Hochleistungswerkstoffen und Arzneimitteln leichter handhabbare und ökologisch günstigere Ausgangssubstanzen eingesetzt werden.
Mahlkugeln statt Lösungsmittel, Aufheizen und viel Abfall
Maximilian Wohlgemuth erhielt den Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Mechanochemie. Mit ihrer Hilfe kann er chemische Synthesen gänzlich ohne Lösungsmittel durchführen. Durch katalytisch wirksame Beschichtungen hat Maximilian Wohlgemuth das Anwendungsspektrum für mechanochemisch durchführbare Reaktionen erheblich ausgeweitet.
In der Praxis werden die Ausgangsstoffe in Pulverform zusammen mit Mahlkugeln in einen Becher gefüllt und einige Minuten gemahlen. Die Kugeln bewegen sich durch die Drehung des Mahlbehälters frei im Inneren und stossen unzählige Male aneinander. Die Stossenergie beim Zusammenprall zweier Kugeln kann genutzt werden, um Stoffe miteinander in Reaktion zu bringen.
Normalerweise werden Katalysatoren als separate Reagenzien zu einer Reaktion hinzugegeben. Bei der sogenannten direkten Mechanokatalyse hingegen sind die katalytisch aktiven Metalle direkt auf die Mahlkugeln oder das Mahlgefäss aufgebracht. Dadurch entfällt die aufwendige Trennung des Katalysators nach der Reaktion, und der Materialverbrauch an teuren Metallen wie Palladium oder Gold kann drastisch reduziert werden.
Ein zentraler Bestandteil sind dabei galvanostatische Beschichtungen von Mahlmedien mit katalytisch wirksamen Metallen. So lässt sich der Einsatz wertvoller Edelmetalle reduzieren und gleichzeitig die Wiederverwendbarkeit der Katalysatoren zu verbessern.
Die Umsetzung in die betriebliche Praxis kann folgendermassen aussehen: Ein Pharmaunternehmen schaff für seine Produktion eine neue Kugelmühle an und profitiert fortan von den Vorteilen der Mechanochemie. Die Reaktanden stossen mit Mahlkörpern zusammen und werden dadurch aktiviert. Die Reaktion zum Wirkstoff erfolgt ohne Lösungsmittel bei hoher Energieeffizienz und CO2-Einsparung gegenüber konventionellen Verfahren.
Neuer «Goldstandard» für die Oxidation von Alkoholen zu Aldehyden
Im Besonderen hat Maximilian Wohlgemuth an der Festkörperoxidation von Alkoholen in goldbeschichteten Mahlgefässen gearbeitet. Dieses Verfahren ermöglicht die selektive Oxidation zu Aldehyden, ohne dass umweltschädliche Lösungsmittel oder zusätzliche – oftmals toxische – Reagenzien erforderlich sind.
Alternativ zum Einsatz von Mahlkugeln oder anderen Mahlmedien lassen sich mechanochemische Reaktionen im sogenannten «Resonant Akustischen Mischer» (RAM) durchführen. Das macht sie noch effizienter und besser skalierbar und vermeidet Abfall.
Jetzt bewerben für 2026
In seinem Grusswort hob Christopher Deck die Wichtigkeit neuer Ideen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit hervor. Er schloss im Hinblick auf die globale Herausforderung, unseren Lebensraum zu erhalten, das Leben zu verbessern und der Erde eine sichere Zukunft zu ermöglichen mit einer Variation der Vision von Carl Roth: «With your research you improve life, and it’s our mission to support science.»
Seit dem Jahr 2014 werden im Rahmen des Frühjahrssymposium des JCF, der Jugendorganisation der GDCh, junge Forschende mit dem Carl-Roth-Förderpreis ausgezeichnet. Der jährlich ausgelobte Preis richtet sich an den wissenschaftlichen Nachwuchs mit Fokus auf innovativer und nachhaltiger Chemie. Eine Besonderheit in diesem Jahr: Erstmals in der Geschichte des Carl-Roth-Förderpreises wurden zwei gleichwertig herausragende junge Forschende bedacht. Im Jahr 2021 dagegen wurde er nicht vergeben, auch eine Premiere. Wer weiss? Vielleicht geht der Preis 2026 erstmals in die Schweiz …
Interessenten denken jetzt schon an die nächste Auslobung im kommenden Jahr. Auf den Preis können sich alle jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der chemischen Wissenschaften bewerben, deren Studienabschluss (Diplom oder Master) weniger als fünf Jahre zurückliegt.
Dr. Christian Ehrensberger