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Minutenschnelle Arzneimittel-Stabilitätstests

In Zukunft nur kurz in die Schwingmühle: Jahrelange Laborarbeit für Arzneimittel-Stabilitätstests könnte auf eine Viertelstunde komprimiert werden. (Bild: shutterstock)

Stabilitätstests für feste Arzneimitteln könnten in Zukunft nach dem Konzept der sogenannten Mechanochemie in einer Viertelstunde erfolgen, während sie herkömmlicherweise bis zu fünf Jahre dauern.

Arzneimittel müssen vor ihrer Zulassung sowohl auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit als auch auf ihre Stabilität geprüft werden, da sie oft über Jahre in Apotheken und privaten Haushalten lagern und sich dabei nicht verändern dürfen. Zudem sind praktisch alle Arzneimittel Mehrkomponenten- oder Mehrphasensysteme, die in eine Matrix eingebettet sind, also zum Beispiel Hilfs- und Trägerstoffe enthalten. Diese Zusatzstoffe können mit der Zeit, etwa bei längerer Lagerung der Arzneimittel, mit dem Wirkstoff in Wechselwirkung treten und die Wirkung des Arzneimittels beeinträchtigen.

Zersetzung im Zeitraffer

Die pharmazeutische Industrie muss vor der Zulassung eines neuen Arzneimittels sämtliche Daten zur Stabilität offenlegen. Deshalb besteht ein erhebliches Interesse an der Entwicklung zuverlässiger Vorhersageinstrumente zur Einschätzung der Sicherheit von Arzneimitteln.

Aktuell sind solche Prognoseinstrumente für Festkörpereigenschaften, insbesondere im Hinblick auf Festkörperstabilität und -abbau, jedoch nur begrenzt verfügbar. Ausserdem sind die Geschwindigkeit und die Zersetzungsprodukte von Festkörperabbauprozessen für jede Verbindung einzigartig. Das macht die Entwicklung von Stabilitätsmodellen sehr zeit- und kostenaufwendig. Es gibt zwar Vorhersagemethoden in wässriger Umgebung. Allerdings führen sie zu hohen Fehlerquoten. Da unter diesen Bedingungen oft nicht relevante Abbauprodukte gebildet werden, bedeuten diese Vorhersagemethoden für den Hersteller neuer Arzneimittel und für den Kunden ein hohes finanzielles und gesundheitliches Risiko. Kurz: Für Stabilitätstests fehlt noch ein Verfahren, welches das Medikament „im Zeitraffer“ zersetzt.

Machbarkeitsstudie erfolgreich

Ein solches Verfahren haben Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Katalyse in Rostock (LIKAT), der RWTH Aachen, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der RD&C Research, Development & Consulting GmbH, Wien, entwickelt und dazu eine Machbarkeitsstudie im Fachblatt ACS Central Science veröffentlicht. Dabei wurden beispielhaft Thrombozytenaggregationshemmer-Tabletten und zum Vergleich der reine Wirkstoff (ein Thienopyridin) in Gegenwart Zersetzungs-Initiators in einer Schwingmühle behandelt. Infolge der mechanischen Einwirkung konnten in weniger als fünfzehn Minuten Abbauprozesse beobachtet werden. (Daher stammt auch die Bezeichnung «Mechanochemie»: mechanische Einwirkung, chemische Folgereaktionen.)

Im Vergleich zeigte sich, dass die Abbauprofile sowohl für den reinen Arzneistoff als auch das fertige pharmazeutische Produkt identisch waren. Das bedeutet, dass reproduzierbare und relevante Aussagen für diese Klasse von Arzneimitteln bereits in kurzen Reaktionszeiten allein mit dem Wirkstoff erstellt werden können. Für eine beschleunigte Zulassung von Arzneimitteln wäre dies von grosser Bedeutung.

Andere Wirkstofffamilien, andere Stimuli

Dieser neue Ansatz stellt nach dem Urteil der Autoren einen Paradigmenwechsel in der Anwendung mechanochemischer Prozesse dar. Für die Zukunft wird es darauf ankommen, den mechanochemischen Ansatz von Thienopyridinen auf andere Wirkstofffamilien zu übertragen und die Rolle anderer Stimuli, wie etwa Licht oder Temperatur, für den erzwungenen Abbauprozess zu bewerten.

ChemieXtra

www.rwth-aachen.de

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