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Neue Oberflächen gegen Bakterien

Bakterien können schwere Krankheiten verursachen, die durch ihre zunehmende Resistenz gegen Antibiotika noch verschlimmert werden. An der Universität Genf wird derzeit eine neue Generation von bakteriziden Legierungen mit einem breiten Spektrum industrieller Anwendungen entwickelt, die künftig zur Behandlung von Kontaktflächen eingesetzt werden könnten.
Drei Bakterien der ESKAPE-Gruppe: Staphylococcus aureus (gelb), Pseudomonas aeruginosa (kurze, dicke Stäbchen in blau) und Escherichia coli (lange Stäbchen in blau). (Bild: Universität Genf)

Bakterien können schwere Krankheiten verursachen, die durch ihre zunehmende Resistenz gegen Antibiotika noch verschlimmert werden. An der Universität Genf wird derzeit eine neue Generation von bakteriziden Legierungen mit einem breiten Spektrum industrieller Anwendungen entwickelt, die künftig zur Behandlung von Kontaktflächen eingesetzt werden könnten.

Die Resistenz gegen antimikrobielle Arzneimittel wie Antibiotika und Virostatika wir zur grossen Herausforderung. Laut der WHO ist dieses Phänomen weltweit für 700 000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Sollten keine Massnahmen ergriffen werden, wird diese Zahl bis 2050 auf zehn Millionen pro Jahr ansteigen. Um die Forschung in diesem Bereich zu fördern und zu lenken, hat die WHO eine Liste von besonders bedrohlichen Krankheitserregern veröffentlicht, die vorrangig ins Visier genommen werden sollten. Dazu gehören Staphylococcus aureus und E.coli, die mit den häufigsten nosokomialen Infektionen in Verbindung gebracht werden, sowie Salmonellen. Bei ihrer Übertragung spielen kontaminierte Kontaktflächen auf Geräten, Griffen und Treppengeländern eine Schlüsselrolle.

Eine Forschungsgruppe mit Quantenphysikern und Mikrobiologinnen der Universität Genf untersucht derzeit neue Arten von Metalloberflächen mit bakteriziden Eigenschaften, welche auf die betreffenden Pathogene abzielen. Karl Perron von der Fakultät für Mikrobiologie und Mitverantwortlicher des Projekts erklärt: «Diese Bakterien haften leicht an zahlreichen Metalloberflächen, häufen sich an und bilden einen Biofilm, der ein klebriges Material absondert. Dieser Klebstoff schützt ihre Hülle und macht sie widerstandsfähiger als andere Bakterien.»

Neuartige Oberflächen dank Nanotechnologie

Solche bakteriellen Biofilme können sich beispielsweise in den Mikrohohlräumen der Markierung von chirurgischen Instrumenten und Implantaten bilden. Diese sind so klein, dass sie mittels herkömmlicher Desinfektion nicht erreicht werden. So können sich Bakterien von ihnen ablösen und die operierte oder implantierte Person infizieren. Dabei bewahrt sie ihr schützender «Klebstoff» vor Immunreaktionen und Antibiotika.

Die neuen Materialien bestehen hauptsächlich aus Titanlegierungen mit nanoskopischen Strukturen, die für das blosse Auge unsichtbar sind. Die «nanostrukturierten» Oberflächen sind in der Lage, die Zellhülle von Krankheitserregern zu beschädigen. «Die Herausforderung besteht darin, die beste Kombination aus verschiedenen Metallen und Legierungen zu finden, um bakterizide Oberflächen herzustellen», sagt Jorge Cors von der Fakultät für Physik und Mitverantwortlicher des Projekts.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wird jedes neue Material im Kontakt mit Prioritätsbakterien getestet. «Wir haben mehrere funktionierende Legierungen identifiziert, die vielversprechend sind. Nach der Machbarkeitsstudie geht es darum, die potenziellen Anwendungen dieser neuen Materialien zu bewerten. Das machen wir, indem wir ihre Toxizität auf gesunde menschliche Zellen und die Dauer ihrer Wirkung testen», erklärt Karl Perron.

In diesem interdisziplinären Projekt werden Techniken und Kenntnisse aus der Forschung zu elektronischen Materialien genutzt. Es werden innovative Legierungen entwickelt, die Bakterien anziehen und einfangen können, um sie gezielt zu zerstören. Die Oberflächen könnten zur Markierung von chirurgischen Instrumenten und Implantaten verwendet werden. Sie könnten aber auch zur Beschichtung von Kontaktflächen im Alltag verwendet werden, um die Bildung von bakteriellen Biofilmen zu verhindern, oder zur Behandlung von Leitungen und Filtern in der Lebensmittelindustrie. Die Forschenden werden einen Katalog möglicher bakterizider Legierungen zusammenstellen, um die Erkenntnisse gezielt in industrielle Anwendungen zu implementieren. Denn nicht alle Legierungen sind gegen dieselben Bakterien wirksam.

www.unige.ch

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