Die Transformation der Industrie zu mehr Nachhaltigkeit ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Beim VTU Sustainability Forum in Frankfurt am Main kamen im März führende Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Technik zusammen, um Lösungen für nachhaltige Produktionsprozesse, grüne Wasserstofftechnologien und wirtschaftlich tragfähige Strategien zu diskutieren.
Thyssenkrupp will seine Stahlproduktion am Standort Duisburg klimaneutral machen. Doch die fehlende Wasserstoffversorgung und finanzielle Hürden gefährden die Wirtschaftlichkeit dieses 3-Milliarden-Projekts, wie kürzlich kommuniziert wurde. Warum scheitern viele Projekte für die grüne Wasserstoffproduktion an der Final Investment Decision (FID)?
Andrea Stachel, Senior Process Engineer bei VTU, hat die grössten Hürden für Wasserstoffprojekte in Europa analysiert. Gemäss ihrer Studie schaffen es in Europa nur 4 bis 10 Prozent der Wasserstoffprojekte zur FID. Während die technologische Machbarkeit gegeben ist, scheitern viele Vorhaben an wirtschaftlichen Herausforderungen, regulatorischen Unsicherheiten und der fehlenden Standardisierung. Besonders im Fokus standen bei ihrer Präsentation Lösungsansätze wie langfristige Abnahmeverträge, Kostenreduktionen durch Skaleneffekte und die frühzeitige Einbindung von Behörden. Abhilfe schaffen würden gemäss der Ingenieurin Pionieranlagen und der Netzausbau («European Hydrogen Backbone»).
Basisstoffe aus Holz gewinnen
Am VTU Sustainability Forum standen auch andere Technologien im Fokus. Gerd Unkelbach von UPM Biochemicals erklärte, wie biobasierte Produktionsprozesse fossile Rohstoffe ersetzen können. «Man kann aus Holz viel mehr machen als Chalets. Es gibt über 100 Fraktionierungsverfahren für Holzbiomasse.» Thema seines Vortrages waren innovative Ansätze zur Nutzung von Holz als nachhaltigen Rohstoff in der chemischen Industrie.
«Man kann aus Holz viel mehr machen als Chalets. Es gibt über 100 Fraktionierungsverfahren für Holzbiomasse.» Gerd Unkelbach, UPM Biochemicals
Aus sogenannten Zellstoffwerken können viele Basisstoffe gewonnen werden. Neue Materialien mit optimierter CO2-Bilanz und Recyclingfähigkeit können für verschiedenste Produkten eingesetzt werden. Die von Gerd Unkelbach vorgestellten Bioraffinerie-Konzepte demonstrierten, wie aus der Kombination modernster Technologie und nachwachsenden Rohstoffen neue Geschäftsmodelle entstehen – am pionierhaften Beispiel der Bioraffinerie in Leuna (D), die noch dieses Jahr in Betrieb gehen soll. In anderen Worten: Auf nachhaltigere Technologien zu setzen, kann für die chemische Industrien wirtschaftlich sein. Solche Strategien bilden eine Alternative zu kurzsichtigen Produktionsverlagerungen nach China.
ESG-Ziele in Produktionsziele umwandeln
Um solches «Greengineering» ohne böse Überraschungen umzusetzen, bedarf es einer umfassenden Planung der Transformation. Alessandro Rosengart, Special Matter Expert für Nachhaltigkeit bei VTU, zeigte auf, wie Unternehmen ihre ESG-Strategien effektiv in messbare Produktionsziele überführen können. Mit dem «Green Value Engineering»-Ansatz entwickelt VTU für die Industrie massgeschneiderte Lösungen, welche die CO₂-Emissionen senken, Ressourceneffizienz steigern und wirtschaftliche Nachhaltigkeit sicherstellen.
Damit soll der Prozessindustrie geholfen werden, vor dem Hintergrund des Clean Industrial Deal der EU nicht nur ihre Produktion umweltfreundlicher zu gestalten, sondern auch die kohlenstoffarme Wirtschaft zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Prozessanalyse von Zementklinker
Ein weiteres Vorzeigebeispiel diesbezüglich präsentierte Florian Pöllabauer, Senior Process Engineer bei VTU. Er präsentierte ein digitales Optimierungssystem zur Reduzierung der CO₂-Emissionen in der Zementindustrie, in der 85 Prozent der Emissionen durch die Verbrennung von Klinker entstehen. «Die Software ermöglicht eine präzisere Anpassung der Rohstoffmischung in Echtzeit und trägt somit zur Reduktion des Klinkeranteils und zur effizienteren Nutzung alternativer Rohstoffe bei.» Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verringerung der CO₂-Emissionen und eine gleichbleibend hohe Produktqualität.
Elektrolyse: Eine europäische Chance
Zurück zum Wasserstoff: Ines Kraft vom Elektrolyseurhersteller Sunfire diskutierte die Marktentwicklung von Elektrolysetechnologien und deren Bedeutung für die Energiewende. Während die Technologien zur Wasserstoffproduktion weiterentwickelt wurden, gibt es noch erhebliche Herausforderungen in der Skalierung und Wirtschaftlichkeit. Ihr Vortrag beleuchtete, welche Massnahmen erforderlich sind, um Investitionsentscheidungen zu erleichtern und Wasserstoff als tragfähige Lösung für die Industrie zu etablieren.
«Die Technologien sind im Megawatt-Massstab erprobt und es sind genügend Kapazitäten verfügbar, um einen Grossteil der für 2030 erwarteten Nachfrage zu decken», sagte Ines Kraft in Frankfurt. Doch auch hier ist die Industrie im Rückstand. Um die EU-Ziele zu erreichen, müsste der Bau von Grossanlagen jetzt beginnen. Immerhin, was das Fachwissen über die Elektrolyseuren-Technologie angeht, ist Europa seit zwei Dekaden federführend (die Konkurrenz in China entsteht erst gerade). Ihr Fazit: Es ist eine grosse Chance für Europa, in diesem Sektor Vorreiter zu bleiben.
VTU unterstützt bei der Transformation
Die VTU-Gruppe plant und liefert Anlagen für Life Sciences, Pharmaindustrie, Biotechnologie, Chemie, Metallurgie sowie Öl und Gas. Das Leistungsspektrum reicht von der Anlagen-Optimierung bis hin zur Generalplanung von Grossprojekten. Bei der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit unterstützt die Gruppe etablierte Unternehmen beim Schliessen von Stoffkreisläufen, der Energieeffizienz, Abluft und Abwasser, Verwertung von Nebenprodukten oder CO2 Reduktion. Mit «Greengineering» wird unabhängig von Branche und Grösse der Einfluss auf Umwelt, Sicherheit und Nachhaltigkeit geprüft. Durch Sustainability Process Reviews, Energie-, CO2– und Stoffstrombilanzen werden Projekte auf Optimierungspotentiale untersucht und diese fundiert auf einen potentielle Umsetzung analysiert.
Möglich und ökonomisch sinnvoll
Das VTU Sustainability Forum 2025 zeigte, dass nachhaltige Industrieprozesse nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit, digitale Innovationen und die richtige Balance zwischen Regulierung und Marktdynamik lassen sich die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich meistern. Das ist als Startschuss zu verstehen.
Luca Meister