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Weine anhand ihrer chemischen Signatur identifizieren?

Ein Team der Universitäten Genf und Bordeaux hat enthüllt, wie die genaue Herkunft eines Weins bestimmt werden kann – und zwar allein auf der Grundlage seiner chemischen Bestandteile.
Die Forschenden haben die Daten von 80 Weinen von sieben Weingütern aus der Region Bordeaux mittels maschinellem Lernen ausgewertet. (Bild: Adpic)

Ein Team der Universitäten Genf und Bordeaux hat enthüllt, wie die genaue Herkunft eines Weins bestimmt werden kann – und zwar allein auf der Grundlage seiner chemischen Bestandteile.

Jeder Wein ist das Ergebnis einer feinen und komplexen Mischung aus mehreren tausend verschiedenen Molekülen. Ihre Konzentrationen variieren je nach Zusammensetzung der Trauben, die wiederum von der Art und Struktur des Bodens, der Rebsorte und den Praktiken der Winzerinnen und Winzer abhängt. Selbst wenn diese Unterschiede sehr gering sind, können sie sich erheblich auf den Geschmack des Weins auswirken. Daher ist es sehr schwierig, ja sogar unmöglich, die genaue Herkunft eines Weins allein anhand diesen sensorischen Kriterien zu bestimmen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels, veränderter Konsumgewohnheiten und zunehmender Fälschungen sind leistungsfähige Instrumente zur Identifizierung von Weinen entscheidend. Die in der Fachzeitschrift Communications Chemistry veröffentlichten Studienergebnisse ebnen den Weg aber auch zur Entscheidungsfindung von Weinproduzenten.

Vielzahl an Molekülen erschwert Analyse

Gibt es also eine chemische Signatur, die unveränderlich und für jedes Weingut spezifisch ist und die es ermöglichen würde, dies zu tun? «Die Weinbranche hat schon mehrfach versucht, diese Frage zu beantworten – mit fragwürdigen Ergebnissen oder manchmal auch mit korrekten Ergebnissen, die jedoch aufwändige Techniken voraussetzen. Dies ist auf die hohe Komplexität der Mischungen und die Grenzen der bisherigen Methoden zurückzuführen, die mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen vergleichbar sind», erklärt Alexandre Pouget, ordentlicher Professor an der Abteilung für grundlegende Neurowissenschaften der Medizinischen Fakultät der Universität Genf.

Gaschromatographie

Die rohen Gaschromatogramme lieferten eine chemische Signatur des Terroirs bestehend aus einer Kombination aus Boden, Unterlage, Rebsorte, Lage, Verschnitt und Weinbaupraktik. Bei den sieben untersuchten Weingütern konnte die Identität des Weinguts unabhängig vom Jahrgang genau herausgelesen werden. Was die Bestimmung des Jahrgangs angeht, konnte die Genauigkeit von 27 Prozent auf bis zu 50 Prozent erhöht werden, indem ein spezifischer Teil der Chromatogramme ins Visier genommen wurde. Die Studienergebnisse sprechen der in der Weinwissenschaft seit den 1980er-Jahren eingesetzten Gaschromatographie jetzt einen grösseren Nutzen zu.


Die klassisch eingesetzte Kopplung von Gaschromatografie und Massenspektrometer kommt hier an ihre Grenzen. Denn beim Wein sind die chromatographischen Peaks aufgrund der vielen Moleküle, aus denen er besteht, extrem zahlreich. Und das macht eine detaillierte und umfassende Analyse unmöglich.

«Dimensionsreduktion» der Chromatogramme

In Zusammenarbeit mit dem Institut des Sciences de la Vigne et du Vin (ISVV) der Universität Bordeaux fand das Team von Alexandre Pouget die Lösung. Und zwar indem es auf künstlicher Intelligenz basierende Werkzeuge auf bestehende Chromatogramme aus früheren Studien anwandte. Diese Chromatogramme stammten von 80 Rotweinen aus zwölf Jahrgängen von 1990 bis 2007 und von sieben Weingütern aus der Region Bordeaux. Die Rohdaten wurden mithilfe von maschinellem Lernen verarbeitet, in dem die Algorithmen lernten, in den Daten wiederkehrende Muster zu erkennen.

Darstellung der 80 verketteten Chromatogramme mit den ersten beiden Einbettungsdimensionen. Die Farben entsprechen den verschiedenen Weingütern, die Jahrgänge stehen neben den Datenpunkten. Weine aus demselben Weingut, aber aus unterschiedlichen Jahrgängen, sind in Clustern zusammengefasst, die sich kaum überschneiden. Die Weingüter des rechten Ufers (A, C und B aus Pomerol und St-Emilion) und die Weingüter des linken Ufers (F, G, D und E aus dem Medoc) neigen ebenfalls dazu, sich zu gruppieren. In (e) ist die Unterscheidung zwischen Weingütern am rechten und am linken Ufer weniger deutlich, und sowohl in (d) als auch in (e) gibt es keine Nord-Süd-Achse am linken Ufer, und einige Weingüter (A und B, E und D) sind nicht mehr unterscheidbar. Dies deutet darauf hin, dass die Mischung nicht der einzige Faktor ist, der zu der mit GC erhaltenen Karte beiträgt. (Bild: Commun Chem 6, 247, 2023, https://doi.org/10.1038/s42004-023-01051-9)

«Anstatt bestimmte Peaks zu extrahieren und daraus Konzentrationen abzuleiten, haben wir mit dieser Methode die kompletten Chromatogramme jedes Weins – diese können bis zu 30 000 Punkte umfassen – auf eine X- und Y-Koordinate zusammengefasst. Dabei wurden auch das sogenannte Hintergrundrauschen berücksichtigt und unnötige Variablen eliminiert», erklärt Michael Schartner, ehemaliger Postdoktorand in der Abteilung für grundlegende Neurowissenschaften der Medizinischen Fakultät der Universität Genf und Erstautor der Studie. «Dieser Prozess wird als Dimensionsreduktion bezeichnet.»

Zu hundert Prozent zuverlässiges Modell

Als die Forschenden die Koordinaten in einem Diagramm darstellten, sahen sie sieben «Wolken» von Punkten. Sie stellten fest, dass jede dieser Wolken die Jahrgänge eines Weinguts auf der Grundlage ihrer chemischen Ähnlichkeiten zusammenfasste. «Damit konnten wir nachweisen, dass jedes Weingut tatsächlich eine eigene chemische Signatur hat. Wir haben auch beobachtet, dass drei Weine auf der rechten Seite und vier auf der linken Seite gruppiert wurden, was den beiden Ufern der Garonne entspricht, an denen die Weingüter liegen», sagt Stéphanie Marchand, Forscherin am Institut für Reben- und Weinwissenschaften (ISVV) der Universität Bordeaux und Koautorin der Studie.

Im Laufe ihrer Analysen stellten die Forschenden weiterhin fest, dass die chemische Identität dieser Weine nicht durch die Konzentration einiger spezifischer Moleküle, sondern durch ein breites chemisches Spektrum definiert wurde. «Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, die geografische Herkunft eines Weins mit hundert-prozentiger Genauigkeit zu identifizieren, wenn man die Techniken der Dimensionsreduktion auf Gaschromatogramme anwendet», freut sich Alexandre Pouget, der diese Arbeiten leitete.

Die Arbeiten liefern damit auch neue Erkenntnisse über die Teile der Identität eines Weins. Sie ebnen den Weg für die Entwicklung von Werkzeugen, die Winzerinnen und Winzern bei der Entscheidungsfindung helfen – um beispielsweise die Identität und den Ausdruck eines Terroirs zu bewahren.

www.unige.ch

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