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Foie Gras ohne Zwangsfütterung

Nachdem die Foie gras in Frankreich 2005 zum nationalen Kulturerbe erklärt wurde, hat Indien (als erstes Land) 2014 auch den Import der Spezialität verboten. (Bild: Shutterstock)

Wegen ihres unverwechselbaren Geschmacks und ihrer Textur gilt die Foie Gras als kulinarische Spezialität – und war bislang kaum zu imitieren. Doch um die französische Spezialität zu erhalten, werden die Tiere, vor allem Enten und Gänse, zwangsgefüttert. Forschende haben deswegen eine Alternative entwickelt, die in Geschmack und Textur sehr ähnlich ist, aber auch das Tierwohl berücksichtigt.

Foie Gras, aus dem Französischen übersetzt «Fettleber», ist im deutschen Sprachraum auch unter den Namen «Stopfleber» oder «Gänseleber» bekannt. Aus Tierschutzgründen steht die sogenannte Stopfmast seit langem in der Kritik, in vielen Ländern ist die Produktion oder auch der Verkauf verboten. Ersatzprodukte konnten den einzigartigen Geschmack und die Textur von Foie Gras jedoch bisher nicht imitieren.

«Es war schon immer ein Ziel, den Geschmack und die Textur von echter Foie Gras zu reproduzieren und dabei das Wohl der Tiere nicht aus den Augen zu verlieren.»

Prof. Dr. Thomas Vilgis, Hobbykoch und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Forschende um Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P) in Mainz haben nun gemeinsam mit Kolleg*innen der Universität von Süddänemark die Struktur von echter Stopfleber mit verschiedenen wissenschaftlichen Methoden untersucht und aus diesen Erkenntnissen eine Alternative entwickelt.

«Es war schon immer ein Ziel, den Geschmack und die Textur von Foie Gras zu reproduzieren und dabei das Wohl der Tiere nicht aus den Augen zu verlieren», sagt Prof. Thomas Vilgis, selbst leidenschaftlicher Hobbykoch und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Polymerforschung.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden sowohl mikroskopische Methoden zur Bestimmung des Fettgehalts oder des Anteils an Kollagenfasern, die einen grossen Teil des Mundgefühls ausmachen, als auch sogenannte rheologische Untersuchungen. Bei letzteren wird durch entsprechende mechanische Aufbauten quasi die «Verarbeitung» der Stopfleber im Mund simuliert und in Zahlen gefasst.

Mit Hilfe der Rheologie werden die mechanischen Eigenschaften von echter Foie Gras und der von Thomas Vilgis und seiner Forschungsgruppe hergestellten gemessen und verglichen. (Bild: Max-Planck-Institut für Polymerforschung)

Für die Herstellung einer neuen, tierschutzgerechten Foie Gras haben die Forschenden jetzt kollagenreiches Gewebe wie Haut gekocht und daraus ein Gel hergestellt. Dieses Gel wird dann im richtigen Verhältnis mit Leber und Fett zu einer Pastete vermischt. Trotz ähnlicher Zutaten konnte diese Mischung das «echte» Produkt jedoch nicht ausreichend imitieren, auch eine systematische Kollagenzugabe brachte kein besseres Resultat. Doch dann kamen die Forschenden auf die Idee, das Fett mit den eigenen Lipasen der Gans zu behandeln. Lipasen sind Enzyme, die bei der Fettverdauung im Körper helfen und die natürlichen Vorgänge im Körper der Gans nachahmen.

Und siehe da: Die so hergestellte Pastete ahmt die Eigenschaften von echtem Foie Gras sehr gut nach. Dies liegt vor allem an dem umstrukturierten Fett, denn erst die Lipasebehandlung erlaubt die Bildung von grossen (irregulären) Fettaggregaten, wie sie auch bei Stopfleber entstehen. So lassen sich Mundgefühl und vor allem der Schmelz bestens imitieren. Kollagenangereicherte Patés lassen all dies nicht zu.

Produktionsverbot in der Schweiz seit 2008

Unter Gesichtspunkten des Tierschutzes ist die Produktion von Foie Gras mittlerweile in Deutschland, Österreich und Italien sowie weiteren Ländern verboten. In der Schweiz wurde die Stopfmast seit dem ersten eidgenössischen Tierschutzgesetz von 1978 als Tierquälerei anerkannt, seit 2008 ist das Produktionsverbot explizit in der Tierschutzverordnung festgeschrieben.

Die Einfuhr ist jedoch erlaubt. Laut Schweizer Zollamt wurden 2023 Foie Gras von 194 Tonnen importiert, was mehr als 300 000 Tieren entspricht. Ende 2023 wurde die Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber» eingereicht. Der Abstimmungstermin steht noch nicht fest.

Gemäss der Tierschutzorganisation Vier Pfoten werden die Enten bei der Produktion zweimal am Tag zwangsgefüttert. Innerhalb von drei Sekunden müssen sie die sechsfache Menge an Nahrung aufzunehmen, die sie normalerweise fressen würden. Dadurch wächst ihre Leber auf bis zum Zehnfachen ihrer normalen Grösse an. Dabei können die Tiere weder richtig atmen noch sich normal bewegen. Darüber hinaus stellt die intensive Haltung ein Vogelgrippe-Risiko dar.

ChemieXtra


Für Vilgis und seiner Gruppe war es wichtig, der Foie Gras keine externen Zutaten oder Zusatzstoffe zuzusetzen. Der Gruppenleiter hat das Rezept bereits zum Patent angemeldet und hofft auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die bei der Herstellung des Alternativprodukts helfen können. Ausserdem möchte er mit Sensorikern zusammenarbeiten, die ihm helfen können, den Geschmack und Geruch der Foie Gras zu verfeinern. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Physics of Fluids veröffentlicht.

www.mpip-mainz.mpg.de

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