Der Herstellungsprozess von Rotwein (Vinifikation) dauert und ist komplex. Während der sogenannten Ausbauphase entwickeln sich die Farb- und Gerbstoffbeschaffenheit des Genussmittels, was schliesslich die optische und sensorische Wahrnehmung des Weins qualitativ beeinflusst. Schlüsselereignisse sind hierbei der biologische Säureabbau und die darauffolgende Beigabe von Schwefeldioxid (SO2). Ein Einblick in eine Bachelorarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Bei der Verarbeitung von Rotwein wird standardgemäss nach der alkoholischen Gärung ein biologischer Säureabbau im vergorenen Traubensaft eingeleitet. Der Abbau der im Jungwein enthaltenen Äpfelsäure zu Milchsäure dient der Harmonisierung der Gerbstoff-Säure-Balance und der mikrobiologischen Stabilisierung des Produkts. Durch den prozessbedingten Anstieg des pH-Werts und die nachfolgende Schwefelung der Weine nimmt der Zeitpunkt der Durchführung des biologischen Säureabbaus Einfluss auf die spätere Qualität der Weine.
Acetaldehyd, Schwefeldioxid und der pH-Wert
Bei erfolgreicher Farb- und Gerbstoffstabilisierung bilden sich verzweigte Moleküle aus Monomeren der Gerbstoffe und der Anthocyane. Daraus resultiert eine intensivere rote Farbe sowie eine sensorisch feinere Gerbstoffwahrnehmung. Notwendig ist hierfür Acetaldehyd, das als Brückenbildungssubstanz zwischen den Gerbstoffen und den Anthocyanen fungiert. Eine Schwefelung beeinträchtigt die Bildung dieser verzweigten Ketten negativ, da sich der Schwefel an das Acetaldehyd bindet, das für beschriebene Stabilisierungsvorgänge nicht mehr zur Verfügung steht. Ein tiefer pH-Wert beeinflusst darüber hinaus die Reaktivität der Anthocyane positiv und fördert die Farbvertiefung.
Vom Blauburgunder bis zum Merlot
In ihrer Bachelorarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) untersuchte Stefanie Steinegger den Einfluss des Zeitpunktes des eingeleiteten biologischen Säureabbau und die damit verbundene Schwefelgabe auf die Farb- und Gerbstoffbeschaffenheit bei Rotweinen. Dazu wurden eine Auswahl von Blauburgunder- und Merlot-Rotweinen mit Jahrgang 2009 bis 2019 aus der Versuchskellerei des Instituts für Lebensmittel- und Getränkeinnovation analytisch sowie sensorisch untersucht.
Die unmittelbare Einleitung des biologischen Säureabbaus in den Monaten Oktober/November verursacht einen Anstieg des pH-Wertes im vergorenen Jungwein. Ein Anstieg des pH-Wertes führt gleichzeitig zu einer Verlangsamung der Komplexbildung und die darauf resultierende Stabilisierung von beinhaltenden Farb- und Gerbstoffen im Wein, was sich später negativ auf die Intensität der Farbe und Gerbstoffe im Wein auswirkt.
Der verzögerte biologische Säureabbau
Aber durch die verzögerte Einleitung des biologischen Säureabbaus bis in den März des Folgejahres und der daraus resultierenden Ausbauzeit bei höherem pH-Wert und Abwesenheit von Schwefel konnte eine deutlich verbesserte Bildung der Farb-Gerbstoffkomplexe festgestellt werden. Dies führte zu einer visuell deutlich dichteren Farbe mit höherem Rotanteil. Ausserdem zeigten die maischevergorenen Blauburgunder mit verzögertem biologischen Säureabbau einen reaktiveren Gerbstoff im Vergleich zur Standardvariante. Bei maischeerhitzen Rotweinen war dieser Effekt gering. Sensorisch zeigen die Weine mit verzögertem biologischen Säureabbau unabhängig von der verwendeten Rebsorte eine intensivere Farbe, eine aromatische Frische sowie einen als jugendlicher beschriebenen Wahrnehmung der Gerbstoffe.
Stefanie Steinegger, Studentin Bachelor Lebensmitteltechnologie, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Martin Häfele, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschungsgruppe für Lebensmittel-Prozessentwicklung, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften