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Externes elektrisches Feld steuert Reaktion

Forscher der Universitäten Genf und Cardiff haben die Steuerung chemischer Reaktionen durch ein externes elektrisches Feld in einem mikrofluidischen Reaktor realisiert und damit einen lang erhofften Durchbruch erzielt.
Äusserlich besteht das von Stefan Matile und seiner Arbeitsgruppe entworfene Gerät aus einem kleinen Gehäuse mit Zu- und Ausleitungen. (Bild: Stefan Matile)

Forscher der Universitäten Genf und Cardiff haben die Steuerung chemischer Reaktionen durch ein externes elektrisches Feld in einem mikrofluidischen Reaktor realisiert und damit einen lang erhofften Durchbruch erzielt.

Neue Medikamente, nachhaltigere Kraftstoffe, biologisch abbaubare Kunststoffe: Um den Bedürfnissen unserer sich ständig verändernden Gesellschaft gerecht zu werden, müssen Chemiker neue Synthesemethoden entwickeln, um Produkte und Substanzen zu erhalten, die in der Natur nicht vorkommen. Ein Team der Universität Genf (UNIGE) hat in Zusammenarbeit mit der Universität Cardiff herausgefunden, wie man ein externes elektrisches Feld wie einen «Schalter» nutzen kann, um eine chemische Reaktion zu steuern und zu beschleunigen. Diese Arbeit, die in Science Advances zu finden ist, könnte einen erheblichen Einfluss auf die Herstellung neuer Moleküle haben, da sie nicht nur umweltfreundlichere Synthesen ermöglicht, sondern auch eine sehr einfache externe Steuerung einer chemischen Reaktion.

Attraktive Option – bisher allerdings nur theoretisch

Dies betrifft insbesondere den Bereich der organischen Synthese, zum Beispiel zur Herstellung von Medikamenten, Polymeren, Agrochemikalien, Pigmenten oder Duftstoffen. In den üblicherweise mehrstufigen Reaktionen bedürfen die aufeinanderfolgenden Schritte eines gezielten «Feintunings» und einer peniblen Kontrolle. Insbesondere sind für einen möglichst geringen Verbrauch an Ressourcen die Ausbeuten zu optimieren. Auch die Vereinfachung bestehender Reaktionen stellt nach wie vor eine wichtige Forschungsaufgabe dar.

Im Inneren des Geräts erzeugen zwei Elektroden ein elektrisches Feld; zwischen ihnen fliesst das Reaktionsmedium. (Bild: Stefan Matile)

Die Steuerung chemischer Reaktionen und ganzer Synthesen durch externe elektrische Felder erscheint seit langem als eine attraktive Option – theoretisch jedenfalls. «Jede molekulare Umwandlung ist das Ergebnis der Bewegung von Elektronen, negativ geladenen Elementarteilchen, von einem Molekül zu einem anderen», erklärt Studienleiter Stefan Matile, ordentlicher Professor am Departement für organische Chemie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der UNIGE und des Forschungsschwerpunktes National Molecular Systems Engineering. Die Elektronen können durch ein äusseres elektrisches Feld beeinflusst werden. So sollte es möglich sein, elektrisch kontrollierte chemische Reaktionen zu steuern. Obwohl vom Prinzip her einfach und vielversprechend, ist dieser Ansatz an zahlreiche Grenzen. Nur selten wurde er versuchsweise in die Praxis umgesetzt, was insgesamt wenig erfolgreich blieb.

Ein lang erwarteter Fortschritt

Mit ihren Teams gelang es Stefan Matile und seinem Kollegen von der Cardiff University, Professor Thomas Wirth, eine organische chemische Reaktion mit einem einfachen elektrischen Feld zu aktivieren. Dazu entwickelten sie einen elektrochemischen Mikrofluidik-Reaktor. Ihre Ergebnisse zeigen deutlich die Abhängigkeit zwischen dem Fortschritt der chemischen Reaktion und der Stärke des angelegten elektrischen Feldes. Dieses Gerät ermöglicht es somit, eine chemische Reaktion einfach durch das Betätigen eines «Schalters» zu aktivieren.

Erstautorin Ángeles Gutiérrez López: „Die Elektroden sind durch eine ein Viertelmillimeter dicke Folie voneinander getrennt. Sie enthält den Strömungskanal, um die Moleküle zwischen den Elektroden zirkulieren zu lassen.“ (Bild: Ángeles Gutiérrez López)

«Diese Art von Reaktor ist wie ein kleiner Kasten, in dem das Reaktionsmedium zwischen zwei Elektroden, die das elektrische Feld erzeugen, zirkulieren kann. Die Elektroden sind quadratische Platten von 5 cm x 5 cm, die so nah wie möglich beieinander liegen. Sie sind durch eine ein Viertelmillimeter dicke Folie voneinander getrennt. Diese Folie enthält den Strömungskanal, um die Moleküle zwischen den Elektroden zirkulieren zu lassen», erklärt Ángeles Gutiérrez López, Doktorandin in der Gruppe von Stefan Matile und Erstautorin des Artikels.

Die Elektroden sind mit Kohlenstoffnanoröhren beschichtet. Während sie durch den Reaktor fliessen, treten die Reaktanten in schwache Wechselwirkung mit den Kohlenstoffnanoröhren, wodurch sie einem elektrischen Feld ausgesetzt werden. Dieses induziert eine elektronische Polarisation im Molekül, wodurch die chemische Umwandlung aktiviert wird.

Umweltfreundlicheren Aktivierung chemischer Reaktionen

Um die gewünschten chemischen Bindungen mit einer guten Ausbeute herzustellen, müssen Chemiker komplexe, mehrstufige Strategien entwickeln, bei denen viele Zwischenprodukte zum Einsatz kommen. Diese Strategien verbrauchen in der Regel viel Energie und Ressourcen. Die neue elektrische Vorrichtung, die von den Professoren Matile und Wirth vorgeschlagen wurde, könnte diese Strategien vereinfachen und so die CO2-Belastung durch chemische Synthesen verringern.

Das Gerät hat ausserdem den Vorteil, dass es leicht steuerbar ist. «Unser ‹Reaktor› ist in gewisser Weise ein Abbild des Teilchenbeschleunigers am CERN in Genf, aber anstatt subatomare Teilchen zu beschleunigen, beschleunigt er Elektronen und chemische Reaktionen», erklärt Stefan Matile. Es sind noch grundlegende Fortschritte erforderlich, um das volle Potenzial des Geräts freizusetzen. Die Methode könnte jedoch über kurz oder lang in der organischen Chemie verallgemeinert werden und so die Herstellung von Medikamenten, neuen Treibstoffen oder neuen Kunststoffen grüner und kontrollierbarer machen.

www.unige.ch

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