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DNA liefert fast 32 000 Arten

Labormanagerin Charlotte Frie bei der Arbeit mit dem Analyse-Roboter, dem Herzstück des in der Studie vorgestellten Workflows zum Insektenmonitoring über DNA-Barcodes. (Bild: UDE/Fabian Strauch)

Wie schützt man, was man nicht kennt? Vor dieser unlösbaren Aufgabe stand die globale Gesellschaft im Hinblick auf den weltweiten Insektenschwund bisher. An der Universität Duisburg-Essen und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung wurde erstmals ein kostengünstiger Workflow mit Labor-Robotern entwickelt, mit dem fast 2000 Proben aus Malaise-Fallen nahezu in Echtzeit parallel analysiert werden können. Die genetischen Informationen verraten, welche der vielen Tausend Spezies wo vorkommen und geben so Schutzmassnahmen eine Basis.

Einen Rückgang der Insekten um 75 Prozent vermeldete die «Krefelder Studie» vor 7 Jahren, dringend benötigte gemeinsame Ziele zur Erhaltung der biologischen Vielfalt wurden unter anderem 2022 im Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal festgehalten. Doch verschwinden einzelne Arten komplett oder wird die Anzahl der Insekten speziesunabhängig geringer? Ohne entsprechende Antworten bleiben Schutzmassnahmen bestenfalls vage.

Ändern kann dies der Labor-Workflow zur Erfassung der Artenvielfalt, entwickelt von einer Forschungsgruppe um Dr. Dominik Buchner aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Florian Leese an der Universität Duisburg-Essen, gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Peter Haase (UDE und Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung). Grundlage ist das deutschlandweite Langzeit-Insektenmonitoring, das seit 2019 vom deutschen Netzwerk für ökosystemare Langzeitforschung, kurz «LTER-D», in Zusammenarbeit mit den Nationalen Naturlandschaften (NNL) betrieben wird. In den ersten beiden Jahren haben rund 100 Mitarbeitende von der Hilfskraft bis zur Professorin rund 2000 Insektenproben genommen, aufbereitet und an die Universität Duisburg-Essen geschickt. Dazu waren mehr als 75 Malaise-Fallen über Deutschland verteilt – von Borkum an der Küste bis Berchtesgaden in den bayrischen Alpen. In den zeltartigen Malaise-Fallen werden vor allem Fluginsekten gefangen, gelangen durch ihr natürliches Verhalten am oberen Teil der Falle in ein Gefäss mit Alkohol und werden dort konserviert.

Analyse mit 1000 Insekten für nur 50 Euro

In den Laboren an der Universität Duisburg-Essen hat das Team einen Arbeitsablauf etabliert, der Labor-Roboter nutzt, um die Proben mit mehreren Millionen Insekten anhand des genetischen Fingerabdrucks auszuwerten. Mithilfe dieses DNA-Barcodings konnten die Forschenden 31 846 Arten für Deutschland identifizieren und geographisch zuordnen. «Bisher sind für Deutschland nur etwas mehr als 33 000 Arten beschrieben. Unsere Stichproben zeigen, dass es zahlreiche Arten gibt, die noch unbeschrieben sind oder von uns jetzt erstmals in Deutschland nachgewiesen wurden», erklärt Buchner. Haase ergänzt: «Das landesweite Insektenmonitoring von LTER-D und NNL hat somit bereits in seinen ersten beiden Jahren gezeigt, wie wichtig dieser neue Ansatz ist.»

Die grösste Herausforderung für Leeses Arbeitsgruppe war es, den logistischen und bioinformatischen Ablauf so zu strukturieren, dass sie einen einzigen Workflow ergeben, der schnell, günstig und nicht zu aufwändig ist und gleichzeitig zuverlässige Daten liefert. So kostet die Analyse einer Probe mit tausenden von Insekten nur rund 50 Euro inklusive Personalkosten.

«Der Rückgang der Artenvielfalt ist auch wirtschaftlich ein Desaster.»

Prof. Dr. Florian Leese, Universität Duisburg-Essen

«Der Rückgang der Artenvielfalt ist auch wirtschaftlich ein Desaster», so Leese. «Leider wissen wir bislang nur für einen Bruchteil der Arten, wo sie vorkommen und wie sich die Verbreitungsgebiete und Bestände entwickeln.» Mit dem in der Studie präsentierten Workflow gelang es dem Team, genau diese Daten für ein ganzes Land zusammenzutragen. Die Resultate wurden in der Fachzeitschrift Molecular Ecology Resources veröffentlicht.

Birte Vierjahn, Universität Duisburg-Essen

www.uni-due.de

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