Einer internationalen Forschungsgruppe ist es gelungen, eine neue Version von RNA-Bausteinen mit höherer chemischer Reaktivität und Lichtempfindlichkeit zu entwickeln. Damit kann die Herstellungszeit von RNA-Chips, die in der biotechnologischen und medizinischen Forschung eingesetzt werden, deutlich verkürzt werden. Die chemische Herstellung dieser Chips ist nun doppelt so schnell und siebenmal so effizient möglich.
Das Aufkommen und die Marktzulassung von RNA-basierten Medizinprodukten wie z. B. mRNA-Impfstoffen hat das RNA-Molekül in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Ribonukleinsäure ist ein informationstragendes Polymer – eine chemische Verbindung, die aus ähnlichen Untereinheiten besteht – aber eine weitaus grössere Struktur- und Funktionsvielfalt aufweist als die DNA. Vor etwa 40 Jahren wurde eine Methode zur chemischen Synthese von DNA und RNA entwickelt, bei der mit Hilfe der Phosphoramidit-Chemie aus DNA- bzw. RNA-Bausteinen beliebige Sequenzen zusammengesetzt werden können. Der Aufbau einer Nukleinsäurekette erfolgt Schritt für Schritt mittels dieser speziellen chemischen Bausteine (Phosphoramidite). Jeder Baustein trägt chemische «Schutzgruppen», die unerwünschte Reaktionen verhindern und die Bildung einer natürlichen Verbindung in der Nukleinsäurekette gewährleisten.
Diese chemische Methode wird auch bei der Herstellung von Mikrochips (Mikroarrays) angewandt, bei denen Millionen einzigartiger Sequenzen gleichzeitig auf einer festen Oberfläche von der Grösse eines Fingernagels synthetisiert und analysiert werden können. Während DNA-Mikroarrays bereits weit verbreitet sind, hat sich die Anpassung der Technologie an RNA-Mikroarrays aufgrund der geringeren Stabilität von RNA als schwierig erwiesen.
2018 wurde an der Universität Wien gezeigt, wie RNA-Chips mit hoher Dichte durch Fotolithografie hergestellt werden können: Durch die exakte Positionierung eines Lichtstrahls können Bereiche auf der Oberfläche durch eine photochemische Reaktion für die Anlagerung des nächsten Bausteins vorbereitet werden. Dieser erste Bericht war zwar eine Weltneuheit und bis heute unangefochten, die Methode litt aber unter der langen Herstellungszeit, der geringen Ausbeute und der geringen Stabilität. Jetzt wurde dieser Ansatz massiv verbessert, die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Höhere Reaktivität, höhere Lichtempfindlichkeit
Eine Gruppe des Instituts für Anorganische Chemie der Universität Wien hat in Zusammenarbeit mit dem Max Mousseron Institut für Biomoleküle der Universität Montpellier nun eine neue Version von RNA-Bausteinen mit höherer chemischer Reaktivität und Lichtempfindlichkeit entwickelt. Dieser Fortschritt verkürzt die Herstellungszeit von RNA-Chips erheblich und macht die Synthese doppelt so schnell und siebenmal effizienter. Die innovativen RNA-Chips sind geeignet, Millionen von RNA-Kandidaten nach wertvollen Sequenzen für ein breites Spektrum von Anwendungen zu durchsuchen.
«Die Herstellung von RNA-Mikroarrays mit funktionalen RNA-Molekülen war mit unserem früheren Aufbau einfach unerreichbar. Mit dem verbesserten Verfahren unter Verwendung der Propionyloxymethyl (PrOM)-Gruppe als Schutzgruppe ist es nun möglich», sagt Jory Lietard, Assistenzprofessor am Institut für Anorganische Chemie.
Als direkte Anwendung dieser verbesserten RNA-Chips enthält die Publikation eine Studie über RNA-Aptamere, kleine Oligonukleotide, die spezifisch an ein Zielmolekül binden. Es wurden zwei «leuchtende» Aptamere ausgewählt, die bei der Bindung an einen Farbstoff Fluoreszenz erzeugen, und Tausende von Varianten dieser Aptamere wurden auf dem Chip synthetisiert. Ein einziges Bindungsexperiment reicht aus, um Daten über alle Varianten gleichzeitig zu erhalten, was den Weg für die Identifizierung verbesserter Aptamere mit besseren diagnostischen Eigenschaften ebnet.
«Hochwertige RNA-Chips könnten in dem schnell wachsenden Bereich der nicht-invasiven molekularen Diagnostik besonders wertvoll sein. Neue und verbesserte RNA-Aptamere werden händeringend gesucht, z. B. solche, die Hormonspiegel in Echtzeit verfolgen oder andere biologische Marker direkt aus Schweiss oder Speichel überwachen können», sagt Tadija Kekić, Doktorand in der Gruppe von Jory Lietard.
www.univie.ac.at