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Der Mikrokuss

Bislang war es in der Biologie nicht möglich, einzelne Zellen exakt und präzise mit ausgewählten experimentellen Materialien zu versehen. Forschende am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin haben jetzt demonstriert, wie kleine Moleküle und einzelne Nanopartikel direkt auf die Oberfläche von Zellen aufgebracht werden.
Ein Tröpfchen kann mit Mikropipetten positioniert und sanft gegen eine Zelle gestrichen werden. Hierbei wird ein winziger «μ-Kiss» abgegeben. (Bild: MPL, Dr. Richard W. Taylor)

Bislang war es in der Biologie nicht möglich, einzelne Zellen exakt und präzise mit ausgewählten experimentellen Materialien zu versehen. Forschende am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin haben jetzt demonstriert, wie kleine Moleküle und einzelne Nanopartikel direkt auf die Oberfläche von Zellen aufgebracht werden.

Konventionelle Ansätze in der Biologie untersuchen oft die Eigenschaften ganzer Zellpopulationen, wobei die feinen Unterschiede zwischen den einzelnen Zellen unberücksichtigt bleiben. Um biologische Vorgänge auf Einzelzellebene genauer zu verstehen, ist die Entwicklung neuer Instrumente und Methoden daher unabdingbar. «Eine wesentliche Hürde war bislang die Fähigkeit, Chemikalien, optische Marker und Pharmazeutika mit mikroskopischer Präzision und hoher zeitlicher Auflösung an einzelne Zellen zu verabreichen», sagt Professor Vahid Sandoghdar, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin.

Einfach und kostengünstig

Den Forschenden ist es jetzt gelungen, eine einfache, aber elegante Lösung für die Überwindung dieser Hürde zu finden: Zwei Mikropipetten – feinste Glasnadeln mit Öffnungen von nur einem Mikrometer – wurden sehr dicht nebeneinander platziert. Während eine Mikropipette die gewählte, in Lösung befindliche Substanz abgibt, saugt die andere das Material mit einer etwas höheren Geschwindigkeit an. Dadurch entsteht zwischen den Öffnungen der beiden Mikropipetten ein stabiles, mikrometer-grosses Tröpfchen mit den enthaltenen Materialien. «Man kann sich den Aufbau wie einen Pinsel vorstellen», so Richard W. Taylor, Post-Doktorand und Mitglied der Forschungsgruppe. «Das Tröpfchen kann nun durch Manövrieren der Mikropipetten positioniert und sanft gegen die ausgewählte Zelle gestrichen werden.» Hierbei wird, wie es die Gruppenmitglieder bezeichnen, ein winziger «μ-Kiss» an Material abgegeben.

Durch die einfache, unkomplizierte Umsetzung mit leicht erhältlichen Komponenten kann die Technik in Biolaboren problemlos und kostengünstig auf jedem Mikroskop realisiert werden. «Der kosteneffiziente und pragmatische Ansatz unserer Lösung ist wichtig für die Anwendung in der Praxis», sagt Prof. Sandoghdar und fügt hinzu: «Das Fehlen ähnlicher Lösungsansätze hat den Fortschritt in Richtung neuartiger therapeutischer Ansätze auf Einzelzellebene bis dato verzögert.»

Vollständige Kontrolle über Ort, Zeit und Umfang

Dank der neuen Methode haben Anwender und Anwenderinnen die vollständige Kontrolle über das Experiment. «Mit μ-Kiss erreichen wir eine völlig neue Dimension in der präzisen Applikation von Substanzen auf Zellen», erklärt Cornelia Holler, Doktorandin der Biologie und Mitglied der Forschungsgruppe. Substanzen können auf subzellulärer Ebene nun präzise auf jede beliebige Zelle appliziert werden, wobei der Zeitpunkt und die Position, an der die Substanz mit der Zelle in Kontakt kommt, uneingeschränkt kontrolliert werden können. «Wir können nun komplette biologische Prozesse, wie zum Beispiel die Aufnahme von Eisen in die Zelle, beobachten, ohne einen Schritt innerhalb dieses Vorgangs zu verpassen. So können wir das Puzzle der komplexen Eigenschaften jeder individuellen Zelle endlich zusammensetzen», so Holler weiter.

Kürzlich gelang es den Forschenden, ein einzelnes virusähnliches Partikel präzise auf einer lebenden Zelle zu platzieren. Diese experimentelle Fähigkeit eröffnet die Möglichkeit, die Komplexität einer Ausbreitung von Virusinfektionen zu erforschen, da die lückenlose Kontrolle über den Ort, den Zeitpunkt und das Ausmass der Zellinfektion gewährleistet ist. «Unsere Mikrokuss-Methode ermöglicht neue quantitative Versuchsansätze im Bereich der Zellbiologie und Medizin», so Professor Sandoghdar. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Methods veröffentlicht.

www.mpzpm.mpg.de

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