Ein Mineral, das ein Wissenschaftler vor zwanzig Jahren im Glarnerland gesammelt hat, entpuppte sich nicht nur als bislang unbekannte Art. Der «Heimit» kann unter gewissen Bedingungen auch die Farbe wechseln. Dank eines Digitalisierungsprojekts am Naturéum in Lausanne werden die Funde für die Forschung und Öffentlichkeit nun einfacher zugänglich.
Die Geschichte begann 1999. Philippe Roth, Seismologe beim Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich, sammelte an einer Lagerstätte im Grossen Chalttal (GL) Kleinmineralien. Zwanzig Jahre später – während des Corona-Lockdowns – holte er die Proben aus dem Keller und studierte sie unter dem Mikroskop. Der Gesteinsspezialist staunte nicht schlecht: ein Mineral, das er nicht kennt? Genauere Analysen zur chemischen Zusammensetzung und Kristallstruktur, die er gemeinsam mit Nicolas Meisser vom kantonalen naturwissenschaftlichen Museum Naturéum in Lausanne durchführte, bestätigten seinen Verdacht: Er hatte tatsächlich eine neue Mineralienart entdeckt.
Mineraliensammlung wird digitalisiert
Inzwischen hat die Internationale Mineralogische Vereinigung das aus Blei, Kupfer, Arsen, Sauerstoff und Wasserstoff bestehende Juwel als neues Mineral zugelassen und auf den Namen «Heimit» getauft. Sie ehrt damit den renommierten Schweizer Geologen Albert Heim (1849–1937). Anfang 2024 haben Roth und Meisser in der Fachzeitschrift European Journal of Mineralogy einen wissenschaftlichen Artikel über ihre Entdeckung publiziert.
Das Material, das der Erstbeschreibung einer Mineralart dient, muss zwingend in einem Museum aufbewahrt werden und wird als Holotyp bezeichnet. Der Holotyp des Glarner Heimiten liegt inzwischen im Museum der Natur Hamburg. Weitere Proben besitzt das Naturéum. Im Rahmen der Initiative Schweizer Netzwerk Naturhistorische Sammlungen «SwissCollNet» der SCNAT digitalisiert das Lausanner Museum zurzeit seine Mineraliensammlung. SwissCollNet setzt sich für eine bessere Erschliessung der naturhistorischen Sammlungen in der Schweiz ein. Unterstützt vom Bund schafft es zusammen mit Museen, Hochschulen und botanischen Gärten die Grundlagen für die Digitalisierung und langfristige Verwaltung und Nutzung der Sammlungen. Damit sollen in Zukunft auch die wertvollen Heimit-Funde für die Forschung und die Öffentlichkeit einfach zugänglich sein.
Bei der Aufarbeitung anderer privater oder öffentlicher Sammlungen wurden inzwischen Heimite von vier weiteren Schweizer Fundorten entdeckt. Auch in den antiken Minen von Laurion südlich von Athen wurde das Mineral nachgewiesen. Vielleicht kommen aufgrund von Digitalisierungsprojekten noch weitere Funde zum Vorschein.
Einzigartiges Farbphänomen
Das Mineral aus den Glarner Alpen bot noch eine weitere Überraschung. Als Roth und Meisser es unter dem Rasterelektronenmikroskop untersuchten, wechselten die Heimit-Kristalle unter dem Einfluss des Elektronenstrahls ihre Farbe von grün nach blau. Das wurde bis jetzt bei keinem anderen Mineral beobachtet. Diesem Phänomen werden die Forscher nun ihren nächsten wissenschaftlichen Artikel widmen.