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Kunststoffe – UV-Strahlung verstärkt Chemikalienfreisetzung

Plastikabfälle in Flüssen und Ozeanen geben laufend Chemikalien ins Wasser ab. Wie gross diese Mengen sind und welche Substanzen besonders stark freigesetzt werden, war bislang unbekannt. Im Projekt «P-Leach» haben Fachleute von vier Forschungsinstituten der Helmholtz-Gemeinschaft, Deutschland, die Zusammensetzung und Konzentrationen vieler verschiedener Substanzen genau analysiert.
Plastikmüll im Meer: Kunststoffe zersetzen sich mit der Zeit und geben Chemikalien an die Umgebung ab. (Bild: Unsplash, Naja Bertolt Jensen)

Plastikabfälle in Flüssen und Ozeanen geben laufend Chemikalien ins Wasser ab. Wie gross diese Mengen sind und welche Substanzen besonders stark freigesetzt werden, war bislang unbekannt. Im Projekt «P-Leach» haben Fachleute von vier Forschungsinstituten der Helmholtz-Gemeinschaft, Deutschland, die Zusammensetzung und Konzentrationen vieler verschiedener Substanzen genau analysiert.

In den Flüssen und Ozeanen treiben hunderttausende Tonnen von Plastikmüll. Der Wellenschlag, die UV-Strahlung der Sonne und das salzige Meerwasser führen dazu, dass die Kunststoffe nach und nach in immer kleinere Bruchstücke zerfallen und schliesslich als winzige Mikroplastikpartikel in den Meeren treiben. In zahlreichen Studien haben Forschende inzwischen untersucht, inwieweit Meerestiere diese Partikel aufnehmen und ob sie davon krank werden.

Weit weniger gut erforscht ist bisher, wie sich die Inhaltsstoffe der verschiedenen Kunststoffe auf das Leben im Meer auswirken – darunter Additive wie Schwermetalle, Flammschutzmittel, Weichmacher, Farbstoffe und viele andere Ingredienzien, die dem Plastik seine vielseitigen Eigenschaften verleihen.

Deshalb haben sich vor gut zwei Jahren mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Grossprojekt der Helmholtz-Gemeinschaft zusammengetan, um im Detail zu untersuchen, wie schnell und wie stark Plastik seine Inhaltsstoffe an das Wasser abgibt – und wie sehr diese Substanzen eventuell Meereslebewesen schädigen. Die ersten Projektergebnisse der Experten vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht, dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sind im Journal of Hazardous Materials erschienen. Der Schwerpunkt dieses ersten Fachartikels aus dem P-Leach-Konsortium liegt auf der chemischen Analyse der Plastik-Inhaltsstoffe – und der Frage, wie die UV-Strahlung der Sonne dazu beiträgt, die chemischen Substanzen aus den Kunststoffen freizusetzen.

Häufige Kunststofftypen im Fokus

Für ihre Experimente hatten die Forschenden zunächst acht typische Massenartikel aus häufig verwendeten Kunststoffen gekauft und diese in wenige Millimeter grosse Stücke zerkleinert – darunter Gewächshausfolie aus Polyethylen (PE), Schläuche aus Polyvinylchlorid (PVC) und Stecker aus PET. Diese Bruchstücke legten sie anschliessend in ein Wasserbad und bestrahlten diese mit einer speziellen UV-Lampe, die das Sonnenlicht über Mitteleuropa für mehrere Monate nachahmt. Zum Vergleich lagerten sie einen Teil des Kunststoffs in Wasserbehältern, die nicht bestrahlt wurden.

Nach dem Experiment wurden die Plastikpartikel entfernt und das Wasser anschliessend gründlich auf eine mögliche Freisetzung von Kunststoffadditiven hin untersucht – vor allem auf Metallverbindungen und bestimmte, organische Stoffe sowie auf die Freisetzung kleiner Kunststoffpartikel. Von Interesse waren dabei insbesondere jene Chemikalien, die im Verdacht stehen, gesundheits- und umweltschädlich zu sein, aber nach wie vor nicht verboten oder reguliert sind.

«Wir nehmen an, dass auch diese Substanzen aus dem Kunststoff ins Wasser gelangen, dort aber durch das UV-Licht in kleinere organische Verbindungen umgewandelt werden, sodass die Ausgangsverbindungen nicht mehr direkt nachweisbar sind.»

Dr. Frank Menger, Umweltchemiker und Experte für organische Chemie am Helmholtz-Zentrum Hereon

Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Im Wasser der UV-bestrahlten Proben fanden sich deutlich höhere Konzentrationen an Metall-Ionen als in den nicht bestrahlten Proben. Bei den organischen Substanzen war das Bild differenzierter: Einige Substanzen lagen in den UV-bestrahlten Proben ebenfalls in deutlich höheren Konzentrationen vor. Für andere organische Moleküle hingegen war die Konzentration erstaunlich gering. «Eine Entwarnung ist das aber nicht», sagt Umweltchemiker Dr. Frank Menger, Erstautor des Fachartikels und am Hereon Experte für organische Chemie. «Wir nehmen an, dass auch diese Substanzen aus dem Kunststoff ins Wasser gelangen, dort aber durch das UV-Licht in kleinere organische Verbindungen umgewandelt werden, sodass die Ausgangsverbindungen nicht mehr direkt nachweisbar sind.»

Suche nach bekannten und unbekannten Chemikalien

Bei der Analyse der organischen Inhaltsstoffe haben die Forschenden zwei Dinge genau unter die Lupe genommen. Zum einen wurden die Wasserproben auf 71 bekannte Substanzen untersucht, die bekanntermassen in vielen Kunststoffen enthalten sind – unter anderem das UV-Schutzmolekül UV-328, das vor einem Jahr in die Liste der Stockholm-Konvention aufgenommen wurde – eine Liste besonders gefährlicher Chemikalien, deren Einsatz weltweit beschränkt oder teils ganz verboten ist. Zum anderen wurde in den Wasserproben nach unbekannten Substanzen und Abbauprodukten gesucht.

Dafür kamen spezielle Massenspektrometer zum Einsatz, die in der Lage sind, bestimmte Molekülstrukturen oder Molekülfragmente zu erkennen und daraus auf die Ausgangssubstanz zu schliessen. Damit lassen sich auch solche Chemikalien erkennen, die noch recht neu im Markt und relativ unbekannt sind – zum Beispiel neue Klassen von Weichmachern. Bedenkt man, dass weltweit in der Plastikproduktion rund 16 000 verschiedene Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen, wird deutlich, wie anspruchsvoll die Analyse trotz der modernen Massenspektrometrie ist.

Dr. Frank Menger ist begeistert vom Umfang der Studie und des ganzen Projekts. «Wir haben die Analysetechnik und die entsprechende Expertise von vier Instituten zusammengeholt.» Nur dadurch sei es möglich gewesen, die Wasserproben so umfassend zu analysieren.

Weitere Faktoren werden untersucht

Allerdings sei bei allem zu bedenken, dass die UV-Strahlung nur ein Faktor ist, der auf das Plastik in der Umwelt einwirkt. Hinzu kommen der Salzgehalt oder der Abbau durch Mikroorganismen. Auch das Alter, die Grösse, die Form und die Porosität des Kunststoffs beeinflussen, wie stark Inhalts- und Zusatzstoffe ins Wasser gelangen. Insofern brauche es künftig weitere Studien, die diese Parameter berücksichtigen und deren vielfältige Auswirkungen untersuchen.

«Das P-Leach-Projekt gibt uns die einmalige Gelegenheit, die Abgabe von organischen und anorganischen Chemikalien sowie Mikroplastikpartikeln von verwitternden Kunststoffgegenständen und mögliche Auswirkungen umfassend zu untersuchen, unter Einbeziehung verschiedener Disziplinen wie Umweltchemie, Ökotoxikologie und Humantoxikologie», so Prof. Dr. Annika Jahnke vom UFZ, die das Projekt koordiniert. In den kommenden Monaten sollen weitere Fachartikel der Forschungsgruppe erscheinen. Unter anderem Ergebnisse dazu, wie sich die Substanzen auf Bakterien, Algen, Meerestiere und letztlich den Menschen auswirken. So wurde in dem Projekt unter anderem auch untersucht, wie das mit den Plastik-Inhaltsstoffen verschmutzte Wasser den Stoffwechsel von Algen, Schnecken oder lebenden Zellen beeinflusst, darunter Zellen aus dem Körper des Menschen.

www.hereon.de
www.ufz.de/p-leach

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