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Hat gealterter Chasselas Potential?

Vom leichten Wein bis zum kräftigen Cru wie zum Beispiel jener der Appellation Dézaley: Mit der Chasselas-Traube lassen sich vielfältige Weine herstellen. (Bild: Carole Parodi, Agroscope)

Eine Studie von Agroscope hat die Appellation Dézaley untersucht und die Chasselas-Weine der Jahrgänge 2009 und 2022 verglichen. Vier Weingüter wurden aufgrund ihrer Qualität und der Verfügbarkeit gealterter Weine ausgewählt, um die Unterschiede zwischen jungen und gereiften Weinen sowie den Einfluss von Jahrgang und Weingut zu analysieren.

Chasselas ist eine elegante Rebsorte, bekannt für ihre Subtilität und ihr aussergewöhnliches Potenzial, Terroir-Nuancen einzufangen. Typischerweise jung getrunken, wird sie für ihren geringen Säuregehalt sowie ihre zarten fruchtigen und blumigen Aromen geschätzt. Unter bestimmten Bedingungen, etwa in Dézaley, kann sie jedoch komplexere Weine mit Noten von Trockenfrüchten und Honig hervorbringen (Chevalley, 2018).

Material und Methoden

Für die Studie wurden acht Chasselas-Weine aus Dézaley (Lavaux, VD) von vier Weingütern – A, B, C und D – untersucht. Jedes Weingut lieferte je einen Wein aus den Jahrgängen 2009 und 2022. Die Region zeichnet sich durch kalk- und tonreiche Moränenböden sowie hohe Sonneneinstrahlung aus. Alle Weine wurden ohne Kaltmazeration vinifiziert, und ein Weingut wechselte beim Jahrgang 2022 von Korken auf Schraubverschluss.

Ein sensorisches Panel aus 11 geschulten Expertinnen und Experten führte eine deskriptive Analyse anhand von 27 Merkmalen durch. Ergänzend wurden die Weine mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie zur Identifikation flüchtiger Verbindungen sowie Olfaktometrie mit acht Prüferinnen und Prüfern zur Bestimmung aromawirksamer Verbindungen analysiert.

Sensorisches Profil

Die Weine des Jahrgangs 2009 zeigen eine intensivere Farbe mit Orangetönen, bedingt durch die Oxidation von Polyphenolen über den Korken (Monforte et al., 2021). Flaschen mit Schraubverschluss sind davon weniger betroffen. Aromatisch dominieren kandierte Früchte, Nüsse, Honig sowie Noten von Pilzen und Milchprodukten. Zudem wirken sie leicht oxidiert, mit höherem Alkoholgehalt und mehr Volumen am Gaumen.

Im Vergleich dazu haben die 2022er Weine eine blassere, grau-gelbe Farbe und Aromen von frischen Früchten, Lindenblüten und intensiver Mineralität. Sie wirken am Gaumen frischer mit stärkerem Prickeln. Die sensorischen Unterschiede zwischen den Jahrgängen variieren je nach Weingut: Während die 2009er Weine von A eine ausgeprägte sensorische Entwicklung mit oxidativem Charakter zeigen, sind die Unterschiede bei B und C geringer.

Flüchtige Verbindungen und Olfaktometrie

Die Analyse der flüchtigen Verbindungen durch Gaschromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie ergab klare Unterschiede zwischen den Jahrgängen 2009 und 2022. Die Tabelle der flüchtigen Verbindungen zeigt einige wichtige Punkte auf:

3-Ethoxy-1-propanol: In den Weinen des Jahrgangs 2022 in hohen, im Jahrgang 2009 nur in geringen Konzentrationen vorhanden. Dies deutet auf seinen Abbau während der Alterung hin (Roca et al., 2019). Diese flüchtige Verbindung hat selbst keine aromatischen Eigenschaften, kann jedoch zur Charakterisierung junger Chasselas-Weine genutzt werden. Sie kann mit Carbonsäuren fruchtige Ester oder mit Milchsäure cremige Noten bilden.

Furfural: In hoher Konzentration in den 2009er Weinen. Furfural ist ein Indikator für Alterung und Oxidation und wird mit Aromen von Nüssen und Karamell assoziiert (Dumitriu Gabur et al., 2019; Cutzach et al., 1999).

Ethyl-2-hydroxy-4-methylvalerat: In den Weinen des Jahrgangs 2009 in hoher Konzentration enthalten. Diese Verbindung wird mit dem Aroma frischer Brombeeren assoziiert und ist ein guter Indikator für die Alterung (Lytra et al., 2012).

Isopentylacetat: Diese Verbindung, die vor allem in den Weinen des Jahrgangs 2022 vorkommt und ein Aroma nach Banane verleiht, ist in den Weinen des Jahrgangs 2009 fast vollständig verschwunden, was auf einen Abbau im Laufe der Zeit hindeutet (Zhang et al., 2023).

Phenylethylalkohol: Höhere Konzentration in den Weinen des Jahrgangs 2022, deutlicher Rückgang bei den Weinen des Jahrgangs 2009. Diese Verbindung, die mit Rosenaromen assoziiert wird, verschwindet tendenziell bei der Alterung.

Carbonsäuren (Buttersäure, Hexansäure und Octansäure): Ihre Konzentrationen variieren je nach Weingut und Jahrgang, sind jedoch in den 2022er Weinen tendenziell höher, insbesondere bei B und C. Diese Säuren entstehen während der Alterung und tragen zu komplexen, säuerlichen Nuancen bei. Durch die/eine Reaktion mit Alkoholen können sie Ester bilden, die fruchtige Noten wie rote Früchte oder Banane verleihen (Prusova et al., 2022).

Ausgewählte flüchtige Verbindungen, die sich zwischen den Jahrgängen und Weingütern signifikant unterscheiden. (Tabelle: Agroscope)

Die Unterschiede zwischen den Weingütern zeigen, dass die Weinbereitungspraktiken die Konzentration flüchtiger Verbindungen in Chasselas-Weinen erheblich beeinflussen. Während B und C in gealterten Weinen eine Anreicherung bestimmter Verbindungen aufwiesen, zeigte sich bei A und D ein gegensätzlicher Trend, insbesondere bei bestimmten Säuren.

Die olfaktometrische Analyse nach Fuchsmann et al. (2015) bestätigte diese Unterschiede: Furfural erwies sich als Marker für die Alterung, während Isopentylacetat fruchtige Noten in jüngeren Weinen vermittelte. 2,3-Butandion (buttrige Note) und Ethylhexanoat (Apfelschalenaroma) waren in jüngeren Jahrgängen intensiver.

Ähnliche Alterungsmuster wurden bei Chardonnay beobachtet, wobei Furfural und 2,3-Butandion ebenfalls als Marker dienten. Die Konzentration von 2,3-Butandion, das während der malolaktischen Gärung entsteht (Virdis et al., 2020), erreicht in jungen Weinen ein Maximum und nimmt mit dem Alter ab. Zudem beeinflussen die Weinbereitungsprozesse und die Verschlussmethode massgeblich die Entwicklung der Weintypizität.

Schlussfolgerungen und Perspektiven

Die Analyse der flüchtigen Verbindungen und sensorischen Profile von Chasselas-Weinen aus Dézaley zeigt den Einfluss des Jahrgangs auf die Weincharakteristik. Die Unterschiede zwischen 2009 und 2022 sind deutlich und werden durch Alterung und Weinbereitung geprägt. Furfural und Isopentylacetat erweisen sich als gute Altersmarker.

Eine Ausweitung der Studie auf weitere Rebsorten könnte helfen, die Spezifität dieser Verbindungen besser zu verstehen. Die Ergebnisse vertiefen das Verständnis der Alterungsprozesse und bieten Ansätze zur Optimierung der Vinifikation. Die positive sensorische Bewertung gealterter Chasselas-Weine unterstreicht ihr grosses Potenzial.

Pascal Fuchsmann, Pascale Deneulin1, Simon Wacker, Lucie K. Tintrop, Ágnes Dienes Nagy, Marie Blackford, Agroscope (1Changins)

www.agroscope.admin.ch

Referenzen

Chevalley, B. (2018). Evolution sensorielle du Chasselas au fil du temps. (Vol. Bachelor, p. 60): Changins – Haute école de viticulture et Oenologie

Cutzach, I., Chatonnet, P., & Dubourdieu, D. (1999). Study of the formation mechanisms of some volatile compounds during the aging of sweet fortified wines. J Agric Food Chem, 47(7), 2837-2846. https://doi.org/10.1021/jf981224s

Dumitriu Gabur, G. D., Teodosiu, C., Gabur, I., Cotea, V. V., Peinado, R. A., & Lopez de Lerma, N. (2019). Evaluation of Aroma Compounds in the Process of Wine Ageing with Oak Chips. Foods, 8(12). https://doi.org/10.3390/foods8120662

Fuchsmann, P., Stern, M. T., Brugger, Y. A., & Breme, K. (2015). Olfactometry Profiles and Quantitation of Volatile Sulfur Compounds of Swiss Tilsit Cheeses. J Agric Food Chem, 63(34), 7511-7521. https://doi.org/10.1021/acs.jafc.5b02536

Lytra, G., Tempere, S., de Revel, G., & Barbe, J. C. (2012). Distribution and organoleptic impact of ethyl 2-hydroxy-4-methylpentanoate enantiomers in wine. J Agric Food Chem, 60(6), 1503-1509. https://doi.org/10.1021/jf204378u

Monforte, A. R., Martins, S. I. F. S., & Silva Ferreira, A. C. (2021). Discrimination of white wine ageing based on untarget peak picking approach with multi-class target coupled with machine learning algorithms. Food Chemistry, 352, 129288. https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2021.129288

Prusova, B., Humaj, J., Sochor, J., & Baron, M. (2022). Formation, Losses, Preservation and Recovery of Aroma Compounds in the Winemaking Process. Fermentation, 8(3). https://doi.org/10.3390/fermentation8030093

Roca, P., Scutaraşu, E. C., Cotea, V. V., Luchian, C. E., Colibaba, L. C., Katalin, N., Niculaua, M. (2019). Influence of enzymatic treatments on white wine composition. BIO Web of Conferences, 15. https://doi.org/10.1051/bioconf/20191502032

Virdis, C., Sumby, K., Bartowsky, E., & Jiranek, V. (2020). Lactic Acid Bacteria in Wine: Technological Advances and Evaluation of Their Functional Role. Front Microbiol, 11, 612118. https://doi.org/10.3389/fmicb.2020.612118

Zhang, D., Wei, Z., Han, Y., Duan, Y., Shi, B., & Ma, W. (2023). A Review on Wine Flavour Profiles Altered by Bottle Aging. Molecules, 28(18). https://doi.org/10.3390/molecules28186522

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