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So funktionieren Betriebsanweisungen

Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe haben sich im deutschsprachigen Raum als Informationsmittel für die Mitarbeitenden zur Sicherstellung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz etabliert. Die Datenbasis für Betriebsanweisungen sind in der Regel die Sicherheitsdatenblätter der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe. Doch diese liefern mittlerweile einen so grossen Umfang an Detailinformationen, dass sie für die Verwendung am Arbeitsplatz und Information der einzelnen Mitarbeitenden nicht mehr praktikabel sind.
Werden Standardsätze aus dem SDB ohne Hinterfragen in Betriebsanweisungen kopiert, kommt der Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nach. (Bild: Shutterstock)

Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe haben sich im deutschsprachigen Raum als Informationsmittel für die Mitarbeitenden zur Sicherstellung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz etabliert. Die Datenbasis für Betriebsanweisungen sind in der Regel die Sicherheitsdatenblätter der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe. Doch diese liefern mittlerweile einen so grossen Umfang an Detailinformationen, dass sie für die Verwendung am Arbeitsplatz und Information der einzelnen Mitarbeitenden nicht mehr praktikabel sind.

Wie stark ist der Arbeitnehmende tatsächlich exponiert? Welche Mengen werden gehandhabt? Ist die vorhandene persönliche Schutzausrüstung adäquat? Welche Notfallmassnahmen müssen im Fall einer Havarie getroffen werden? Diese und weitere Fragen kann ein Sicherheitsdatenblatt (SDB) nicht abschliessend beantworten.

Werden Aussagen aus dem SDB ohne Hinterfragen in Betriebsanweisungen übernommen, kann das negative Folgen haben: Vorgaben der resultierenden Anweisung sind teilweise nicht umsetzbar, sind miss- oder unverständlich oder passen nicht zur Situation vor Ort. Kommen mehrere solche negativen Punkte zusammen, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Mitarbeitenden die Arbeitsanweisungen ignorieren. Die Aussage, eine Betriebsanweisung sei eine Zusammenfassung des Sicherheitsdatenblatts greift also zu kurz.

Rechtlicher Hintergrund

In Deutschland gibt es mehrere Gesetze, die vom Arbeitsgeber die Erstellung von Betriebsanweisungen fordern. So heisst es in Paragraf 18 der Gefahrstoffverordnung wörtlich: «Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass den Beschäftigten eine schriftliche Betriebsanweisung (…) in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache zugänglich gemacht wird.» Darüber hinaus werden in der TRGS 555 – Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten – die Anforderungen an die BA auf weiter konkretisiert.

In der Schweiz ist die rechtliche Basis zur Verwendung von Betriebsanweisungen im Vergleich weniger stark. In der Schweizer Chemikalienverordnung und in den Verordnungen zum Arbeitnehmerschutz (Verordnungen zum Arbeitsgesetz, Unfallverhütungsverordnung) kommt der Begriff «Betriebsanweisung» nicht vor, allerdings werden in den Verordnungen Vorgaben gemacht, die sinngemäss analoge Pflichten des Arbeitsgebers definieren. So zum Beispiel in der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz: «Der Arbeitgeber sorgt dafür, dass alle in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (…) ausreichend und angemessen informiert und angeleitet werden über die bei ihren Tätigkeiten möglichen physischen (…) Gefährdungen sowie über die Massnahmen des Gesundheitsschutzes.» Das Seco bezeichnet darum in einer Checkliste für SiBes aus dem Jahr 2022 Betriebsanweisungen als «Voraussetzung für den sicheren Umgang mit Chemikalien im Betrieb». Weitergehende Angaben zum Inhalt der Betriebsanweisungen finden sich in den Schweizer Vorschriften dagegen nicht.

Bei der Erstellung von Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe sollte von der konkreten Situation im Betrieb ausgegangen werden. (Bild: Shutterstock)

Vorgaben an die Erstellung von Betriebsanweisungen

In der Praxis werden Betriebsanweisungen häufig auf die Weise erstellt, dass relevante Abschnitte aus dem Sicherheitsdatenblatt eines Gefahrstoffs ausgewählt und wörtlich in die zugehörige Betriebsanweisung übernommen werden. Diese Praxis birgt folgende Risiken:

  • Datenbasis

Gemäss TRGS 555, 3.1 (6) sind nicht die Sicherheitsdatenblätter die Grundlage zur Erstellung von BAs, sondern die «Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung». Bei der Definition der Schutzmassnahmen sind an erster Stelle «arbeitsplatzspezifische Gegebenheiten» zu berücksichtigen. Das heisst: eine Fokussierung allein auf das Sicherheitsdatenblatt ist nicht ausreichend, weil der Hersteller eines Gefahrstoffs und damit Ersteller des SDB die konkrete Situation beim Anwender nicht kennt.

  • Eindeutigkeit

Der Ersteller eines Sicherheitsdatenblattes kann häufig nur allgemeine Empfehlungen zu Schutzmassnahmen machen. Z. B. findet man in vielen SDB Formulierungen wie «bei unzureichender Belüftung Atemschutz (…) verwenden». Solche Aussagen haben aber in einer Betriebsanweisung nichts zu suchen. Es ist nicht in der Verantwortung des Arbeitnehmers festzustellen, ob an seinem Arbeitsplatz die Belüftung unzureichend ist.

Die Vorgabe der TRGS in dem Zusammenhang lautet darum: «Es sind klare und eindeutige Angaben erforderlich, die in praktisches Verhalten oder Handeln umgesetzt werden können.» Das bedeutet, dass Sammelbegriffe wie z. B. «Atemschutz» genauer spezifiziert werden müssen. Weiter heisst es: «Das Sicherheitsdatenblatt ist (…) auf offensichtlich unvollständige, widersprüchliche oder fehlerhafte Angaben zu überprüfen.» Wenn die Vorgaben des SDB nicht zu den Verhältnissen am Arbeitsplatz passen, «müssen die Angaben entsprechend angepasst oder ergänzt werden».

  • Adressat-gerechte Information

Konkret fordert die TRGS: «Die Betriebsanweisungen sind sprachlich so zu gestalten, dass die Beschäftigten die Inhalte verstehen und bei ihren betrieblichen Tätigkeiten anwenden können.» Vielen Angaben in Sicherheitsdatenblättern setzen jedoch Spezialwissen voraus, das von der Mehrheit der Mitarbeitenden nicht erwartet werden kann und für ihre Tätigkeit auch nicht nötig ist. Weite Teile des SDB sind für Mitarbeitende darum schwer verständlich.

Tipps

  • Seien Sie kurz, prägnant und eindeutig. Das Ziel ist, die wichtigsten Informationen und Anweisungen auf einer Seite zusammenzufassen (zweiseitige BAs sollten die Ausnahme sein).
  • Vermeiden Sie Verweise auf externe Vorschriften (Gesetze, Verordnungen, Normen etc.). Es ist die Pflicht des Arbeitnehmenden die Anweisungen zu beachten, aber nicht den gesetzlichen Hintergrund zu recherchieren.
  • Machen Sie nur Angaben zur persönlichen Schutzausrüstung, die Mitarbeitenden im Betrieb zur Verfügung steht. Es bringt nichts, vorzugeben, dass Schutzhandschuhe aus Butylkautschuk verwenden werden sollen, wenn diese im Betrieb nicht vorhanden sind. In SDB werden häufig verschiedene Alternativen an Handschuhen angegeben. Der Sicherheitsverantwortliche im Betrieb muss feststellen, welche Schutzhandschuhe an welchem Arbeitsplatz nötig sind und dann ein entsprechendes Sortiment beschaffen. In der Betriebsanweisung wird dann möglichst ein konkretes Handschuh-Modell aufgeführt.
  • Halten Sie sich mit chemischen Bezeichnungen zurück. Es ist zwar sinnvoll zusätzlichen zum Handelsnamen den Hauptgefahrenauslöser anzugeben, z. B. Phosphorsäure bei einem Entkalker oder Toluol bei einem Verdünner. Man sollte es aber nicht übertreiben: Es bringt nichts, auf mehreren Zeilen den ganzen Amin-Cocktail eines Epoxid-Härters in IUPAC-Nomenklatur in der Betriebsanweisung aufzuführen.
  • Vermeiden Sie technische Angaben, deren Konsequenzen sich den Mitarbeitenden nicht direkt erschliessen. So ist z. B. die Angabe «Staubexplosionsgruppe 1» für Mitarbeitende am Arbeitsplatz unbrauchbar. Der Arbeitgeber muss über konkrete Massnahmen sicherstellen, dass es im Betrieb nicht zu Staubexplosionen kommt. Die Sicherheitsmassnahmen, die der Mitarbeitende an seinem Arbeitsplatz beachten muss, sollen dann in der BA genannt werden.   
  • Fassen Sie Gefahrstoffe mit vergleichbaren Gefahren und Schutzmassnahmen in Sammelbetriebsanweisungen zusammen. Ein solches Vorgehen bietet sich z. B. an bei Farben und Lacken. Es verringert Ihren Aufwand und erhöht die Akzeptanz beim Personal.

Fazit

Bei der Erstellung von Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe sollte Folgendes beachtet werden: Gehen Sie von der konkreten Situation im Betrieb aus und geben Sie klare, umsetzbare Anweisungen. Dabei muss der Grundsatz lauten «Weniger ist mehr!» – je mehr Text Sie in eine Betriebsanweisung schreiben, umso weniger wird sie gelesen. Schliesslich ist der Inhalt der Betriebsanweisungen periodisch zu schulen. Mit dem Aufhängen der Anweisungen an den Arbeitsplätzen ist die Arbeit des SiBe nicht getan.

Dr. Stephan Steines, Berater im Bereich «Expertise Services», Swiss Safety Center AG

www.safetycenter.ch

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