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Wie das Immunsystem uns schützt

Spätestens seit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 interessieren wir uns verstärkt für allerlei Fragen rund um unser Immunsystem und den molekularen Vorgängen während einer Infektion. Was geschieht, wenn ein Krankheitserreger wie ein Bakterium oder ein Virus in unseren Körper eindringt? Unser Immunsystem ist hochkomplex. Eine «Armada» von unterschiedlichen Immunzellen eliminieren den Erreger und schützen so unseren Körper.
Hier greifen Immunzellen Krebszellen an. (Bild: Shutterstock)

Spätestens seit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 interessieren wir uns verstärkt für allerlei Fragen rund um unser Immunsystem und den molekularen Vorgängen während einer Infektion. Was geschieht, wenn ein Krankheitserreger wie ein Bakterium oder ein Virus in unseren Körper eindringt? Unser Immunsystem ist hochkomplex. Eine «Armada» von unterschiedlichen Immunzellen eliminieren den Erreger und schützen so unseren Körper.

Influenzaviren oder Coronaviren gelangen in der Regel über die Schleimhäute der Atemwege in unseren Organismus. Viren dringen in gesunde Körperzellen ein und missbrauchen sie für die eigene Vermehrung, da sie als leblose Partikel nicht über die nötigen Strukturen für eine wirtsunabhängige Fortpflanzung verfügen. Sobald pathogene Mikroorganismen unsere physikalischen oder chemischen Barrieren durchbrochen haben, kommt eine Reihe von unterschiedlichen Immunzellen ins Spiel.  Sie fressen die Eindringlinge auf, zerstören sie oder neutralisieren sie mithilfe von Antikörpern. Zudem bilden sie Gedächtniszellen aus, die spezifische Erreger bei einer zweiten Infektion erkennen und sofort neutralisieren können.

Das Rätselhafte Immunsystem

Das Immunsystem birgt bis heute viele Rätsel. Es zeichnet sich durch ein hochkomplexes Zusammenspiel von Immunzellen, anderen Zellen, körpereigenen Bakterien und unterschiedlichen Umwelteinflüssen aus. Zahlreiche Faktoren können dieses System positiv wie auch negativ beeinflussen. Die hier in diesem Artikel dargestellten Mechanismen sind stark reduziert und sehr vereinfacht wiedergegeben.

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Das unspezifische Immunsystem

Klassischerweise wird das Immunsystem in zwei Gruppen unterteilt: das unspezifische und das spezifische (adaptive) Immunsystem. Diese zwei Systeme arbeiten Hand in Hand. Das unspezifische Immunsystem ist evolutionsbiologisch die wohl ältere Variante. Oft wird sie auch als angeborenes Immunsystem bezeichnet. Dieser Gruppe gehören Immunzellen an, die nur die allgemeinen Oberflächenmerkmale von Bakterien und Viren erkennen. Diese Muster heissen pathogenassoziierte molekulare Muster (Pamp). So agieren diese Zellen auch gleich als erste gegen den fremden Eindringling, denn sie erkennen ihn unabhängig vom Erregertyp. Sie bilden, vereinfacht gesagt, die vorderste Front der Immunabwehr. Allerdings sind sie nicht in der Lage, die spezifischen Merkmale bestimmter Erreger wie die spezifischen Oberflächenproteine des neuartigen Coronavirus zu erkennen. Hierbei braucht der Körper die spezifische Immunabwehr, die etwas mehr Zeit benötigt, bis sie startklar ist, aber dank einem ausgeklügelten System den «Fingerabdruck» des Erregers ganz genau kennt und ihn dadurch effizient vernichtet.

Erreger dringt in den Körper ein

Wenn Bakterien oder andere Pathogene die physikalischen und chemischen Barrieren des Körpers passieren, nehmen die Immunzellen ihre Arbeit auf. Zuerst tummeln sich die Erreger im Gewebe und werden dort von «der vordersten Front» erkannt: Fresszellen nehmen die Erreger auf und setzen schliesslich bestimmte chemische Stoffe frei (Cytokine und Chemokine).  Diese Stoffe lösen dann eine Entzündung aus: Die Zellmembranen des Gewebes werden durchlässiger, die Gefässe erweitern sich. Es kommt zu der berühmten Rötung und Schwellung wie bei einer Entzündung üblich. Aufgrund der Gefässerweiterung fliesst vermehrt Lymphflüssigkeit zum Infektionsort. In dieser Flüssigkeit befinden sich unter anderem Zellen des adaptiven Immunsystems – der zweiten Front. Wichtigste Akteure dabei sind die Lymphocyten, die – im besten Fall – den Eindringling erkennen und spezifisch gegen diesen Erreger vorgehen.

Das adaptive Immunsystem

Zu den Lymphocyten des adaptiven Immunsystems gehören zwei Arten von Zellen: die B-Lymphocyten (B-Zellen) und die T-Lymphocyten (T-Zellen). Normalerweise sind diese Zellen inaktiv, man sagt, sie sind naiv. Diese naiven Zellen schwimmen nicht nur in der Lymphflüssigkeit herum, sie verteilen sich auch im Blut.

Wenn es nun zu einer Infektion kommt, müssen die naiven Lymphocyten zuerst aktiviert werden. Dies geschieht z. B. durch die dendritischen Zellen (siehe Bild 1, unten). Diese zu den unspezifischen Immunsystem gehörenden Fresszellen vertilgen den Eindringling.

Bild 1: Ästhetisches 3-D-Modell einer dendritischen Zelle. Sie aktiviert die T-Zelle. (Bild: National Institutes of Health (NIH), gemeinfrei)

Anschliessend präsentieren sie dem naiven T-Lymphocycten das Antigen des Erregers auf ihrer Zelloberfläche. Der Rezeptor des noch inaktiven Lymphozyten geht eine Verbindung mit dem Antigen ein. Die Zelle wird aktiviert und differenziert sich zu einer neuen, grösseren Zelle, dem Lymphoblasten. Dieser Schritt ist wichtig, denn dank der Aktivierung der T-Zelle kommt eine Kaskade an adaptiven Immunzellen erst zum Zug. Die aktivierte T-Zelle, man sagt T-Effektorzelle, kennt mehrere Gesichter. Es bilden sich nämlich verschiedene aktive T-Zellen aus. Beispielsweise gibt es die T-Helferzelle. Eine Form der T-Helferzelle aktiviert die B-Zelle. Die B-Zelle ist die prominente Zelle des Immunsystems, die – aktiviert als Plasmazelle – Antikörper produziert (siehe Bild 2, unten), die den Erreger markieren und neutralisieren.

Bild 2: Von der Plasmazelle produzierte Antikörper binden an Antigene eines Coronavirus (künstlerische 3-D-Illustration). (Bild: Shutterstock)

Dank der Markierung werden die Pathogene noch effektiver von der körpereigenen Abwehr bekämpft. Neben den T-Helferzellen werden auch cytotoxische T-Zellen gebildet. Diese fressen beispielsweise von Viren befallenen Körperzellen auf und zerstören auf diese Weise die Virenfabriken (siehe Bild 3, unten).

Bild 3: Eine cytotoxische T-Zelle (rechts) erkennt dank des Peptid-Proteinkomplexes (Antigen) auf der Oberfläche der infizierten Zelle den Erreger und leitet die Zerstörung der ehemals gesunden Körperzelle ein. (Bild: Shutterstock)

Eigne T-Zellen als auch B-Zellen differenzieren sich zu Gedächtniszellen, die den gleichen Erreger bei einer erneuten Infektion sofort erkennen. Die Immunabwehr arbeitet dann wesentlich besser, die Aktivität des Erregers wird dann ziemlich schnell im Keim erstickt. Kurz gesagt, der Körper ist immun.

Roger Bieri

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