Eine künstliche Intelligenz, die ein komplettes Experiment am Rasterkraftmikroskop (AFM) eigenständig plant, durchführt und auswertet: Genau das hat eine internationale Forschungsgruppe erstmals demonstriert.
Die KI-Agentin «Aila» (Artificially Intelligent Lab Assistant) kalibriert das Mikroskop, wählt Betriebsmodi, speichert und analysiert Bilddaten – und entscheidet bei Bedarf über eine erneute Aufnahme. Mit «AFMBench» stellen die Forschenden einen Benchmark mit 100 realen Laboraufgaben vor, um derartige Systeme systematisch zu prüfen.
Auch wenn Aila Experimente autonom ausführt, sei sie nicht als Ersatz für Personal gedacht, betont Lothar Wondraczek, Professor für Glaschemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. «Unser Ziel ist es, damit wieder mehr Zeit für kreative Tätigkeiten freizusetzen», erklärt der Materialwissenschaftler. So orchestriert die agentische KI eine Reihe spezialisierter Teilaufgaben – von der Gerätebedienung bis zur Datenauswertung – über ein mehrstufiges, modular aufgebautes System. «Die KI kann vollständige AFM-Experimente mit allen nötigen Arbeitsschritten autonom durchführen», führt Wondraczek aus. «Dazu gehören etwa die Kalibrierung, die eigentliche Messung und die Auswertung der Ergebnisse.»
Regeln und Massnahmen gegen «Schlafwandeln»
Eine der ersten Fragen betraf die Zuverlässigkeit einer KI, zumal mit Zugriff auf Werkzeuge in der physischen Welt. In ihrer Arbeit dokumentierte die Gruppe dabei beispielsweise das Phänomen des «Schlafwandelns»: KI-Agenten können von Anweisungen abweichen und unautorisierte Schritte ausführen, die über die eigentliche Nutzeranfrage hinaus gehen. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass die KI Bilder aufnimmt, obwohl nur eine Kalibration des Mikroskops erfragt war. «Autonome Laborprozesse müssen genau das tun, was beabsichtigt ist – nicht das, was zufällig ‹üblich› ist. Dies erfordert enge Regeln und Sicherheitsmassnahmen, deren Implementierung essentiell für den weiteren Einsatz solcher agentischer Systeme ist.»
Das autonome Labor als nächster Schritt
Die Arbeit ist Baustein auf dem Weg hin zu vernetzten, autonomen Laboren, in denen Synthese, Analytik und Datenauswertung zusammenlaufen. Ein übergeordneter Fokus der Jenaer Beteiligten ist derzeit der Aufbau von autonomen, energie- und ressourceneffizienten Werkzeugen zur Entwicklung neuartiger Gläser – vom Schmelzen von Rohstoffmischungen über die weitere Prozessführung bis hin zur Analytik der erhaltenen Materialien.
«Unser Ziel ist ein Labor, das Geräte und Prozessschritte selbstständig koordinieren kann – von der Probenherstellung über die Messung bis zur Auswertung. Das Beispiel der autonomen Mikroskopie ist ein Schritt auf diesem Weg, der uns Möglichkeiten bringt, aber auch neue Herausforderungen offenlegt«, sagt Wondraczek.