Gemäss dem jüngsten «Global Industry Competitiveness Index» (GICI) von BAK Economics gerät die Schweiz zunehmend unter Druck. Erstmals seit 5 Jahren muss sie ihren zweiten Platz im globalen Ranking abgeben und teilt sich jetzt den dritten Rang mit Dänemark.
Von der Vorreiterin zur Gejagten – das schreibt der Verband Scienceindustries zum aktuellen Stand der Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie am 5. November in ihrem Communiqué. «Das Resultat des diesjährigen Global Industry Competitiveness Index 2025 ist ein Warnsignal für die Schweiz», sagt Dr. Annette Luther, Präsidentin von Scienceindustries. «Die Führungsrolle der Schweizer chemisch-pharmazeutischen Industrie ist nicht selbstverständlich, sondern muss immer wieder neu erkämpft werden.» Besonders besorgniserregend sei, dass die Schweiz bei Innovation und Digitalisierung an Boden verliere. «Es braucht jetzt eine Politik, die unsere Stärken – Innovationsgeist, Offenheit und Verlässlichkeit – stützt und nicht durch Überregulierung ausbremst», fordert Annette Luther.
Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor von Scienceindustries, ergänzt: «Die USA und Irland ziehen davon, während Länder wie die Niederlande und das Vereinigte Königreich mit grossen Schritten aufholen. Die Schweiz bleibt zwar ein globaler Spitzenstandort, insbesondere bei Infrastruktur, Talenten und Stabilität. Aber dort, wo die Zukunft definiert wird – bei der Digitalisierung, hinken wir hinterher.»
Standortqualität bleibt stark, Innovationskraft schwindet
Im GICI 2025 belegt der Schweizer Chemie- und Pharmastandort den dritten Rang und gehört in allen 4 Dimensionen der Wettbewerbsfähigkeit (Performance, Marktstellung und Leistungsfähigkeit, Innovation und Technologieführerschaft sowie Standortqualität) zu den besten 5 Ländern. Besonders hervorzuheben sind die hohe Qualität der Infrastruktur, die finanzielle Stabilität und die Verfügbarkeit hochqualifizierter Fachkräfte. Doch bei der digitalen Durchdringung und den regulatorischen Rahmenbedingungen verliert die Schweiz Terrain.
Der diesjährige GICI legt den Fokus auf Industriepolitik. Dabei wird deutlich, dass Länder wie die USA, China und Frankreich teils massiv auf staatliche Lenkungen privatwirtschaftlicher Anebote setzen: Von Subventionen über Lokalisationsanforderungen bis zu Verboten. «Die Schweiz bleibt bei klassischer Industriepolitik zurückhaltend, und das ist auch gut so», sagt Stephan Mumenthaler. Doch der Dynamik im internationalen Wettbewerb dürfe sie sich nicht verschliessen. «Ein Aufspringen auf den Zug klassischer Industriepolitik ist für die Schweiz nicht zielführend, aber gezielte Verbesserungen bei Markt- und Standortbedingungen sind unerlässlich.»
Schweiz an einem Wendepunkt
Am Jahresanlass von Scienceindustries wurde betont, dass die Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie an einem Wendepunkt steht. Die Kombination aus erstarktem Protektionismus, politischen Reshoring-Anstrengungen und wachsender globaler Unsicherheit machen es zwingend, jetzt zu handeln. Der Verband fordert dazu eine strategisch geschärfte Standortpolitik auf sechs Pfeilern: Besserer Marktzugang (1), Forschungs- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen (2), ein wirtschaftsfreundliches Unternehmensumfeld (3), Förderung von Fachkräften und Bildung (4), wettbewerbsfähige und sichere Versorgung und Infrastruktur (5) und ein konsequenter Regulierungsabbau (6). Zwar sei die Schweiz noch vorne mit dabei, doch der Vorsprung schmelze. Gemäss den Branchenvertretern sei jetzt der Moment, entschlossen zu handeln.