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Pestizidbelastung von Schweizer Bächen und Flüssen – es bleibt noch viel zu tun

Die meisten Pestizide gelangen sowohl über Abwasserreinigungsanlagen als auch über andere Eintragswege – wie etwa Auswaschung über den Regen – in Fliessgewässer. (Bild: Shutterstock)

Drei Studien mit einem umfassenden Screening von über 250 Pestiziden zeigen, welche davon in Gewässern vorkommen und welche die Gewässerorganismen am stärksten gefährden. Aus welchen Anwendungen stammen besonders risikorelevante Pestizide? Über welche Eintragswege gelangen sie in die Gewässer? Die Akteure liefern damit eine wichtige Grundlage, um die Belastung der Gewässer durch diese Stoffe gezielt zu reduzieren.

In zahlreichen Fliessgewässern der Schweiz kommen Pestizide in Konzentrationen vor, die für Gewässerorganismen schädlich sind. Sie werden je nach Wirkstoff als Pflanzenschutzmittel, als Biozid zum Schutz von Menschen und Materialien oder als Tierarzneimittel eingesetzt. Einzelne Wirkstoffe (v.a. Insektizide) werden auch für mehrere dieser Anwendungen genutzt.

Obwohl man über den Eintrag von Pestiziden, insbesondere von Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft, bereits vieles weiss, bestehen noch Wissenslücken. Deshalb haben das Wasserforschungsinstitut Eawag, die VSA-Plattform Wasserqualität und das Oekotoxzentrum in drei verschiedenen Studien die Gewässerbelastung mit Pestiziden und deren Ursachen unter die Lupe genommen.

Fliessgewässer-Monitoring erfasst Pestizid-Risiken

Ein Ziel der Untersuchungen war herauszufinden, welche Pestizide in Schweizer Fliessgewässern in Konzentrationen vorkommen, die Gewässerorganismen gefährden. So sollte überprüft werden, ob tatsächlich alle risikorelevanten Pestizide im nationalen Fliessgewässermonitoring für Mikroverunreinigungen («Nawa Trend MV») erfasst werden, welches aktuell 73 Pestizide in 38 Gewässern ganzjährig untersucht. Dafür wurden in einer Spezialmesskampagne («Nawa Spez 2023») von März bis November 2023 in fünf ausgewählten Fliessgewässern jeweils 14-Tages-Mischproben entnommen und auf ein breites Spektrum an 253 Pestiziden untersucht.

Die Resultate zeigen, dass das nationale Monitoring jene Pestizide, die Gewässerrisiken verursachen, gut abdeckt. Von den 253 untersuchten Pestiziden wurden 135 in den fünf Fliessgewässern nachgewiesen, 23 davon in Konzentrationen, die ein Risiko für Gewässerorganismen darstellen. Die meisten dieser Substanzen, die für das Risiko verantwortlich sind, sind Insektizide, vor allem Pyrethroide und Fipronil, während Herbizide eher eine untergeordnete Rolle spielen. Es wurden aber auch Pestizide nachgewiesen, die im nationalen Fliessgewässer-Monitoring für Mikroverunreinigungen nicht untersucht werden und für die das Risiko für Gewässerorganismen vom Oekotoxzentrum im Rahmen der Studie nicht abschliessend beurteilt werden konnte. Sie sollten daher noch besser untersucht werden.

Vielfältige Eintragswege in Gewässer

Um den Eintrag von Pestiziden in die Gewässer reduzieren zu können, muss man wissen, aus welchen Anwendungen sie stammen und über welche Eintragswege sie in die Gewässer gelangen. Im Einzugsgebiet der fünf Fliessgewässer, die in der Spezialmesskampagne unter die Lupe genommen wurden, gibt es jeweils eine Abwasserreinigungsanlage ohne Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroverunreinigungen. In deren Ablauf wurden ebenfalls Proben genommen, um zu quantifizieren, welcher Anteil der Pestizide über Abwasserreinigungsanlagen in die untersuchten Gewässer eingetragen wird.

Ausserdem wurde für die 10 Pestizide, welche aktuell in den Fliessgewässern die grössten Risiken für Gewässerorganismen verursachen, die fünfjährige Datenreihe des nationalen Fliessgewässer-Monitorings ausgewertet. Zudem wurden die seit diesem Jahr vorliegenden, teilweise aber noch unvollständigen Angaben zu den Verkaufsmengen ausgewählter Biozide und Tierarzneimittel herangezogen. Dadurch konnten die Anwendungen und Eintragswege eingegrenzt werden, welche für diese besonders risikorelevanten Pestizide entscheidend sind.  

Die Ergebnisse zeigen, dass Eintragswege von Pestiziden je nach Wirkstoff und Fliessgewässer sehr unterschiedlich sein können. Die meisten Pestizide werden sowohl über Abwasserreinigungsanlagen als auch über andere Eintragswege – wie etwa Auswaschung über den Regen – eingetragen, wobei sich die Eintragswege auch zwischen Gewässern unterscheiden können. Das stimmt auch für die besonders risikorelevanten Pyrethroid-Insektizide. 

VSA Plattform Wasserqualität

Die Plattform Wasserqualität des VSA beschäftigt sich mit Herausforderungen im Schweizer Gewässerschutz. Die Fachkompetenz liegt bei Fragen der Oberflächengewässerbelastung mit Mikroverunreinigungen und beim ökologischen Gewässerzustand. Die Plattform unterstützt und fördert den Austausch zwischen Forschung, Privatwirtschaft und Behörden.

https://waterquality.ch

Bei einigen Pyrethroid-Insektiziden können nebst dem Einsatz als Pflanzenschutzmittel auch der Einsatz als Biozide im Aussenbereich und als Tierarzneimittel für die Gewässerbelastung relevant sein. So ist beispielsweise die Parasitenbekämpfung bei Nutztieren wahrscheinlich relevant für die Permethrin-Belastung in Gewässern. Lambda-Cyhalothrin stammt dagegen fast vollständig aus Pflanzenschutzmittelanwendungen. 

Fipronil: Zecken- und Flohmittel wahrscheinlichste Quelle

Ein Spezialfall ist Fipronil. Hier zeigen die Daten, dass es schweizweit kontinuierlich über Abwasserreinigungsanlagen in Gewässer eingetragen wird und dort zu hohen Risiken für Gewässerorganismen führt. In den nationalen Monitoring-Daten war es 2022 und 2023 das Pestizid mit den meisten Überschreitungen der ökotoxikologischen Qualitätskriterien. Die wahrscheinlichste Quelle für die Fipronil-Einträge sind Anwendungen als Zecken- und Flohmittel bei Katzen und Hunden. Der Wirkstoff kann an Händen, Tierhaaren sowie Textilien haften und so beim Waschen in die Abwasserreinigungsanlage und die Gewässer gelangen.

www.eawag.ch
www.oekotoxzentrum.ch

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