Nach einem verhaltenen ersten Tag kam die Ilmac am zweiten Messetag doch noch «ins Rollen». Damit hat sich am Rheinknie gezeigt, dass Fachmessen im digitalen Zeitalter nach wie vor eine wichtige Business-to-Business-Plattform bieten. Doch die Standkonzepte ändern sich.
Die Jungen wollen keine Face-to-Face-Termine mehr, heisst es. Das ist verständlich, in vielen Firmen werden Videocalls für jeden noch so trivialen Austausch angesetzt. Effizienz ist bei weitem nicht nur in den Unternehmensprozessen wichtig, sondern genauso in der Kommunikation unter den Mitarbeitenden und Abteilungen. Kein Wunder, sind heute im gleichen Zug Weisungen zu solchen Meetings zum Standard geworden.
Lehnt der Nachwuchs den persönlichen Austausch ab?
Vielleicht aufgrund zu vielen solchen Null-Inhalt-Meetings hält vor allem die jüngere Generation grundsätzlich auch nichts vom persönlichen Austausch vor Ort. Sich ausschliesslich virtuell zu treffen mag bei einer Einstiegsstelle nach der Ausbildung legitim sein und gut funktionieren. Doch nach ein paar Jahren auf dem Buckel kann sich das ändern. So steht plötzlich jemand der Generation Z vor dem Kauf eines teureren Laborgeräts im Auftrag des Chefs oder der Chefin – und muss dafür Verantwortung übernehmen.
Nachdem ersten Erfahrungen mit kostengünstigen Geräten (wer billig kauft, kauft teuer!) werden auch sie merken: Ein persönlicher Austausch könnte hilfreich sein. Eine Begegnung in der realen Welt lässt es zu, die Verkaufsperson besser einzuschätzen als dies über den Bildschirm möglich ist, wo sich viele mit einfachen Mitteln ihren Eindruck frisieren. Bei einem Kaffee – oder einem Mategetränk (eines wurde übrigens an der Ilmac verteilt) merkt man eher, ob die propagierten Serviceleistungen realistisch oder eher leere Versprechen sein könnten. Wer jemandem auf die Finger sieht, kann besser einschätzen, ob das Gegenüber vertrauenswürdig ist oder nicht. Denn bestimmte Gesten können Rückschlüsse auf das Handeln zulassen oder ein gespieltes Interesse entlarven (wer kennt ihn nicht, den Aussteller, der während dem Gespräch schon zur nächsten Besucherin hinüberguckt!). Es sind oft feinste Details mit entscheidender Wirkung: Gibt sich jemand übertrieben freundlich? Wie viel Zeit nimmt sich jemand für eine Beratung? Lange Rede, kurzer Sinn: Es geht um Vertrauen, das gerade beim Kauf von teurer Laborausrüstung essenziell ist.
Die Jüngeren waren zwar nicht in Scharen an die Ilmac gereist, aber erstaunlicherweise einigermassen präsent. Gerade das neue Format «Women in Life Sciences» (siehe Bild) hat das bestätigt.
Firmen müssen nicht mehr imponieren
So könnte es im besten Fall nur eine wirtschaftliche Delle sein, welche die Pandemie bei den Publikumszahlen von Fachmessen verursacht hat. Im schlechtesten Fall wird es die künstliche Intelligenz mit der direkteren Vermittlung von Interessenten und potenziellen Kundinnen richten, die ausserhalb des Messerahmens Menschen zueinander führt (innerhalb ist es das Online-Netzwerk «Ilmac 365»). Doch selbst wenn eine Fachmesse nicht schneller und nicht derart passende «Matches» bilden kann, kann sie immer noch gut trumpfen: und zwar mit Effizienz. Dass eine Handvoll Personen an einem Tag an einem einzigen Ort getroffen werden können, schafft im Rahmen der aktuellen physikalischen Gegebenheiten bislang kein anderes Format (entgegen den Zukunftsszenarien von der Mitte des letzten Jahrhunderts ist auch 2025 das «beamen» noch nicht möglich).
Dass die Gänge zwischen den Ständen an der Ilmac Basel etwas breiter geworden sind, ist sogar erfreulich. Das Aufgehalten-werden durch Menschen-Trauben an Messeständen oder gänzlich verstopfte Passagen vermisst niemand. Dass die Messestände der Aussteller tendenziell kleiner geworden sind, ist die logische Konsequenz der neuen virtuellen Möglichkeiten. Ein Stand muss heute kein Laufpublikum mehr zum Staunen bringen mit einem klotzigen Konzept. Dass ein Hersteller oder Dienstleister an einer Messe «entdeckt» wird, ist im digitalen Zeitalter kaum mehr der Fall. Zum Vergleich: in Nordamerika haben sich Tischmessen durchgesetzt, die vor diesem Hintergrund maximale Wirtschaftlichkeit bieten: Ein kleiner Tisch, ein Panel dahinter und ein paar Exponate – von einer oder zwei ausstellenden Personen einfach zu transportieren. Eine interessante und in gewissem Masse solidarische Einigung auf Minimalismus.
Neue Formate mit Schwung
Gemäss der Messeleitung haben sich dieses Jahr 12 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Stadt am Rheinknie getroffen. 400 Aussteller präsentierten an der Ilmac 2025 ihre neuesten Produkte, Dienstleistungen und Entwicklungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Mit über 150 Fachreferaten und Pitches bot die Messe zudem ein ausführliches Rahmenprogramm an.
Mit der Premiere von «Women in Life Sciences» wurde ein neues Format einschliesslich Networking-Apéro, der intensiv genutzt wurde, geboten. Gemäss Medienmitteilung soll damit dem «Gender Health Gap» entgegengewirkt werden und Frauen für Führungspositionen gestärkt werden.
Auf der neuen «Future of Life Sciences»-Area standen Themen wie Digitalisierung in der Forschung, KI-gestützte Diagnostik, innovative Therapien und nachhaltige Produktion auf dem Programm. Das Format stiess sowohl auf Publikum- als auch auf Ausstellerseite auf Interesse – und, so das Communiqué, «besitzt das Potenzial, sich dauerhaft im Programm zu etablieren.» Das Ziel: Akteure in den Biowissenschaften miteinander zu verbinden und sich mit neuen Trends und Technologien auseinanderzusetzen. «Damit sollen Branchen-Umbrüche antizipiert werden, Flexibilität gewonnen und gemeinsam Lösungen entwickelt werden, um die komplexen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen», so Frank Kumli von The Futuring Alliance.
Luca Meister