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Vial – der unsichtbare Erfolgsfaktor

Angesichts wachsender Anforderungen moderner Applikationen ist die Wahl des geeigneten Vials relevanter geworden. (Bild: infochroma)

Die Materialbeschaffenheit des Vials ist strategisch wichtig, denn sie beeinflusst den Erfolg einer Analyse massgeblich. Während Borosilikatglas als Goldstandard eine unverzichtbare Basis für Reinheit und Beständigkeit bildet, haben die wachsenden Anforderungen moderner Applikationen – von der Hochdurchsatz-Automation bis hin zu empfindlichen Biologika – zur Entwicklung hochspezialisierter Polymere geführt. Dieser Artikel schafft einen Überblick über die entscheidenden Stärken und Limitationen verschiedener Materialklassen und legt damit die Grundlage für eine anwendungsgerechte Materialwahl.

Für die organische Chemie, die Spurenanalytik und Hochtemperaturanwendungen ist Borosilikatglas der hydrolytischen Klasse 1 die erste Wahl. Seine stabile, dreidimensionale Silikatnetzwerkstruktur sorgt für eine unübertroffene chemische Inertheit und eine extreme Temperaturbeständigkeit von -196 °C bis über 300 °C. Als einziges Material lässt es für pyrogenfreie Prozesse eine trockene Heissluftsterilisation bei über 250 °C zu. Die grösste Herausforderung ist seine polare Oberfläche: Die freien Silanolgruppen (Si-OH) können bei wertvollen Protein- und Peptidproben über elektrostatische Wechselwirkungen zu signifikanter Adsorption führen. Auch ist Borosilikatglas aufgrund seines Schmelzpunktes nicht mit Standard-Glasrecycling kompatibel und muss, auch ohne chemische Kontamination, gesondert entsorgt werden.

Um die Problematik der Proteinadsorption zu umgehen, ist silanisiertes Glas eine bewährte Hochleistungslösung. Als wirtschaftliche Alternative dazu bietet sich pharmazeutisches Polypropylen (PP) an. Dessen hydrophobe Oberfläche reduziert die Proteinbindung signifikant. Dieser Vorteil erfordert jedoch eine genaue Kenntnis des Analyten: Während die meisten Proteine profitieren, können stark hydrophobe Peptide wie Insulin oder GLP-1 eine höhere Affinität zu PP als zu Glas zeigen. Die mechanische Flexibilität von PP absorbiert zudem Spannung, die bei wiederholten Freeze-Thaw-Zyklen entstehen, und verhindert Materialermüdung, speziell für das Handling von Aliquots ein wichtiger Vorteil. Dennoch definieren unumgängliche Limitationen sein Einsatzgebiet klar: Das Material ist auf einen Temperaturbereich von ca. -20 °C bis +135 °C beschränkt, für aggressive organische Lösungsmittel ungeeignet und als milchiges Material nicht für optische Analysen ausgelegt.

Wo die chemische oder thermische Beständigkeit von PP nicht ausreicht, aber eine Kunststofflösung gefragt ist, positioniert sich Polymethylpenten (TPX). Es ist transparent wie Glas und besitzt auch eine höhere thermische Stabilität als PP. Der Einsatzbereich reicht von -40 °C bis +120 °C und kann kurzfristig auf bis zu 170 °C erweitert werden. Seine chemische Beständigkeit übertrifft die von PP, und sein extrem inertes Adsorptionsverhalten macht es selbst für anspruchsvollste Peptide in der Massenspektrometrie zur idealen Wahl. Während es eine deutlich höhere Bruchfestigkeit als Glas aufweist, ist es bei Raumtemperatur härter und spröder als das flexible PP, was ein bewusstes Handling erfordert.

Die Wahl des Vials ist somit eine strategische Entscheidung. Borosilikatglas ist der universelle Standard für Inertheit, Reinheit und thermische Stabilität. Bei sensitiven Proteinproben bieten sich silanisiertes Glas als Hochleistungslösung oder PP als robuste, wirtschaftliche Alternative an. TPX positioniert sich als Spezialist für anspruchsvollste Nischenanwendungen.

Die Wahl des richtigen Vial-Materials erfordert fundierte anwendungsspezifische Expertise, die weit über Produktkataloge hinausgeht. Die infochroma AG unterstützt Sie individuell mit fundierter Beratung und Mustern.

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