Die Sauerstoffgasentwicklung gilt als einer der energieintensivsten Schritte der Wasserelektrolyse und ist damit ein zentraler Hebel, um die Produktion von grünem Wasserstoff effizienter zu machen. Modellierungen der Reaktionsmechanismen legten bisher zugrunde, dass die elementaren Schritte nacheinander ablaufen, nicht gleichzeitig. Forschende konnten jetzt zeigen, dass diese Annahme nicht immer stimmt.
Grundsätzlich werden zwei Arten der Katalyse unterschieden: Homogene Katalysatoren befinden sich im gleichen Aggregatzustand wie die umzusetzenden Stoffe (alle sind z.B. flüssig), heterogene Katalysatoren liegen in einer anderen Phase vor: zum Beispiel als Feststoff, der mit Flüssigkeiten oder Gasen reagiert. Damit eine Reaktion an einem festen Katalysator überhaupt ablaufen kann, müssen die Ausgangsstoffe (Edukte) sich an dessen Oberfläche anlagern (Adsorption) und nach erfolgter Umsetzung wieder lösen (Desorption).
Bisher ist die Forschung bei festen Katalysatoren – d.h. in der heterogenen Variante – davon ausgegangen, dass Adsorption und Desorption nacheinander passieren: Das Edukt bindet an den Katalysator, reagiert, anschliessend löst sich das Produkt ab. Bei homogenen Katalysatoren dagegen ist bekannt, dass diese Schritte gleichzeitig ablaufen.
Bei der Modellierung von Reaktionsmechanismen in der heterogenen Katalyse wurden mögliche parallel ablaufende Elementarschritte bisher nicht immer berücksichtigt. Doch eine theoretische Studie zeigt jetzt: Der Feststoff Iridiumdioxid (IrO₂), der zur Herstellung von grünem Wasserstoff als Anodenmaterial verwendet wird, verhält sich in der Sauerstoffgasentwicklung ähnlich wie ein homogener Katalysator: Sauerstoff entsteht in einem «Walden-artigen Mechanismus», in dem Adsorption und Desorption analog zur homogenen Variante gleichzeitig ablaufen. Das widerspricht der bisherigen Vorstellung und eröffnet neue Möglichkeiten, Elektrodenmaterialien zu verbessern, die sich stärker an den Prinzipien der homogenen Katalyse orientieren.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht und sollen neue Möglichkeiten eröffnen bei der Verbesserung fester Katalysatoren.