Engpass für die Produktion von sauberem Wasserstoff: Forschende an der EPFL haben den ersten entscheidenden Schritt der Sauerstoffentwicklungsreaktion mit Hilfe fortschrittlicher Simulationen und maschinellen Lernens im Detail entschlüsselt.
Bei der Suche nach saubereren Energiequellen sticht Wasserstoff hervor. Denn er kann Energie speichern und liefern, ohne Kohlenstoffemissionen zu erzeugen. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht nur Wasser. Damit ist er einer der saubersten Kraftstoffe auf dem Markt.
Wasserstoff wird unter anderem durch den Prozess der «Wasserspaltung» hergestellt, bei dem Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet wird. Die Wasserspaltung kann Wasserstoff breit verfügbar machen, ist aber trotz jahrzehntelanger Forschung noch zu ineffizient.
Der Engpass bei der Wasserstoffproduktion
Der Engpass war schon immer der allererste Schritt: ein Proton und ein Elektron koordiniert zu bewegen – ein Prozess, der als protonengekoppelter Elektronentransfer (PCET) bezeichnet wird. Bei diesem Prozess bewegen sich ein Proton und ein Elektron im Gleichgewicht, um Wassermoleküle aufzubrechen, was ihn zu einem wichtigen Schritt für die Produktion von Wasserstoff und Sauerstoff macht.
Die sogenannte Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER) findet an der Grenzfläche zwischen einem lichtabsorbierenden Material wie Bismutvanadat (BiVO₄) und Wasser statt und ist notorisch langsam. Während der Reaktion hilft Bismutvanadat, Elektronen und Protonen aus Wassermolekülen zu extrahieren, wodurch Sauerstoffgas entsteht. Mit anderen Worten, Bismutvanadat ist die «Arbeitstier»-Oberfläche, auf der dieser entscheidende, langsame Schritt stattfindet.
Trotz Fortschritten im Verständnis der Thermodynamik von des protonengekoppelten Elektronentransfers war es schwierig, den genauen Mechanismus zu bestimmen. Frühere Studien haben oft die chaotische Bewegung von Wassermolekülen an der Oberfläche von Bismutvanadat übersehen oder sich auf Methoden verlassen, die nicht die erforderliche Zeit oder Genauigkeit erreichen konnten. Dies hat eine Lücke in unserem Verständnis hinterlassen, warum Bismutvanadat so funktioniert, wie es funktioniert, und wie es verbessert werden kann.
Fortschrittliche Simulationen enthüllen den Tanz
Nun haben zwei Forschende an der EPFL, Yong-Bin Zhuang und Alfredo Pasquarello, eine Antwort auf das Problem gefunden. Durch die Kombination von Langzeitsimulationen der Molekulardynamik mit dem Potenzial des maschinellen Lernens – Algorithmen, die darauf trainiert sind, Quantenberechnungen auf hohem Niveau nachzuahmen – erfassten die Wissenschaftler den gesamten Tanz von Atomen und Elektronen an der Bismutvanadat-Wasser-Grenzfläche. Sie konzentrierten sich auf den allerersten Schritt der Sauerstoffentwicklungsreaktion, das anfängliche PCET-Ereignis, und fanden heraus, dass sich zuerst das Proton bewegt, gefolgt vom Elektron, und diese Sequenz gibt das Tempo der Reaktion vor.
Die Wissenschaftler erstellten ein detailliertes atomares Modell der Bismutvanadat-Wasser-Grenzfläche und nutzten maschinelles Lernen, um die Kräfte zwischen Atomen mit hoher Genauigkeit vorherzusagen. Dies ermöglichte es ihnen, Simulationen viel länger durchzuführen, als es mit Standard-Quantenberechnungen möglich wäre – lang genug (bis zu 30 Nanosekunden), um stabile, konvergente Ergebnisse zu erzielen und Hunderttausende von atomaren Konfigurationen abzutasten.
Durch die sorgfältige Verfolgung von Schlüsselvariablen wie der Position des Protons und der Verschiebung des «Lochs» (der Abwesenheit eines Elektrons) konnten sie den gesamten protonengekoppelten Elektronentransfer-Prozess beobachten. Dabei verwendeten sie auch mehrere unabhängig voneinander trainierte Modelle für maschinelles Lernen, um sicherzustellen, dass ihre Ergebnisse robust waren.
Was macht die Wasserstoffproduktion langsam?
Die Simulationen zeigten etwas Wichtiges: Der langsamste, geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist der direkte Transfer eines Protons von einem auf der Bismutvanadat-Oberfläche adsorbierten Wassermolekül auf ein benachbartes Sauerstoffatom auf der Oberfläche. Das Elektron (oder «Loch») hüpft erst an seinen neuen Ort, nachdem sich das Proton bewegt hat. Die Studie zeigte auch, dass dieser direkte Protonentransfer und nicht ein indirekter Weg mit zusätzlichen Wassermolekülen den Prozess dominiert. Diese Erkenntnis passt gut zu jüngsten Experimenten, die den Protonentransfer als Engpass für die Reaktion aufzeigten.
Mit dem Wissen, dass der Protonentransfer die Reaktion begrenzt, können sich die Forschenden nun darauf konzentrieren, Wege zu finden, diesen speziellen Schritt zu beschleunigen – vielleicht durch Modifikation der Oberfläche von Bismutvanadat oder die Verwendung von Additiven zur Stabilisierung von Schlüsselstrukturen. Die Studie setzt auch einen neuen Standard für die Simulation komplexer Reaktionen an Grenzflächen und zeigt, dass maschinelles Lernen die Lücke zwischen Genauigkeit und Rechenaufwand schliessen kann. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie publiziert.
Nik Papageorgiou, EPFL
Übersetzung ins Deutsche: ChemieXtra