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Wasserstoffproduktion – über den Einfluss von Gasblasen

Alkali-Elektrolyseur des Herstellers Sunfire mit 10 Megawatt Leistung am Standort Lingen (D) des Energiekonzerns RWE. (Bild: Sunfire)

Elektrolyseure sind eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Sie spalten Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf, verbrauchen dabei aber bisher noch zu viel Strom. Eine Herausforderung ist, dass sich der anfangs gelöste Wasserstoff in Form von Gasblasen abscheidet, welche die Elektrode abschotten können – auf Kosten der Effizienz. Jetzt wurden einzigartige Einblicke in das Innere der Wasserstoffblasen gewonnen und daraus neue Erkenntnisse für die Vorgänge im Elektrolyseur abgeleitet.

Gasblasen in Elektrolyseuren führen dazu, dass die Wasserstoffproduktion zu viel Strom verbraucht, was den Prozess stark verteuert. «Die Dynamik der Gasblasen zu verstehen, ist ein wichtiges Puzzleteil, wenn wir Elektrolyseure effizienter machen wollen. Dabei sind wir jetzt einen deutlichen Schritt vorangekommen, weil wir erstmals die Vorgänge im Inneren der Gasblasen analysieren konnten», erläutert Prof. Kerstin Eckert, Direktorin am Institut für Fluiddynamik des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Tröpfchen in Gasblasen entdeckt – Inneres wird sichtbar

Die wesentliche neue Erkenntnis: Die Wasserstoffblasen bestehen nicht immer aus reinem Gas. Sie können zusätzlich auch einen feinen Sprühnebel aus Mikrotropfen des Elektrolyten enthalten, also der Flüssigkeit, mit der der Elektrolyseur betrieben wird, zum Beispiel Kalilauge. Dieses Phänomen erlaubt tiefere Einblicke in die physikalisch-chemischen und hydrodynamischen Prozesse bei der Wasserelektrolyse.

So liefert die Studie einzigartige Einblicke in das Innere der Blasen: «Mit den optischen Methoden unseres Teams konnten wir die Strömungen im Gas selbst bisher nicht sehen. Jetzt können wir sie über die Tröpfchen in den Gasblasen verfolgen, weil diese sich mit dem Gas mitbewegen», erklärt Dr. Gerd Mutschke vom HZDR. In einem Schattenverfahren wird die Blase mit einem parallelen Lichtstrahl beleuchtet. Dahinter steht eine Kamera und bildet die Grauwertverteilung der Blase ab. Die Mikrotropfen im Gas erscheinen als schwarze Pünktchen. Ein zusätzlicher Laserlichtschnitt nutzt die Mikrotropfen als Tracer und misst so das Strömungsfeld im Inneren der Blase.

Die Bildreihe zeigt, wie sich zwei Wasserstoffblasen während der Wasserelektrolyse in einem sauren Elektrolyten zu einer grösseren Blase vereinen (Koaleszenz). Dabei entsteht im Inneren der neuen Blase ein Flüssigkeitsstrahl aus Elektrolyt, der instabil wird und in einzelne Tropfen zerfällt (Bildmitte). Da dieser Vorgang sehr häufig passiert, entsteht ein feiner Sprühnebel aus Elektrolyttropfen. Im oberen rechten Bild sind Stromlinien dargestellt, welche die Bewegung dieser Tropfen innerhalb der Blase zeigen. Die Tropfen sinken nach unten und sammeln sich am Fuss der Wasserstoffblase. Dort bilden sie kleine Flüssigkeitspfützen, die die Elektrode erneut benetzen und die Form der Blasenkontaktlinie verändern. Dies kann dazu führen, dass sich die Blase früher von der Elektrode löst (rechtes Bild unten). (Bild: HZDR)

Dr. Aleksandr Bashkatov, Erstautor der Studie, bemerkte die Tröpfchen im Gas erstmals bei Parabelflugexperimenten in der Schwerelosigkeit. Darauf aufbauend hat das Team weitere Experimente auf der Erde und Simulationen durchgeführt, um den genauen Mechanismus zu verstehen, wie der Elektrolyt in die Gasblasen gelangt.

Wirbelnde Ströme innen und aussen

An den Elektroden bilden viele winzige Mikroblasen zunächst eine Art Teppich, um dann schnell hintereinander mit einer grossen Blase zu verschmelzen. Dabei wird ein Teil der Oberflächenenergie der kleinen Blasen in kinetische Energie umgewandelt und kann die Grenzfläche zwischen Gas und Elektrolyt so stark verformen, dass Elektrolytflüssigkeit in die Blase eindringt. Die Flüssigkeit wird in Form eines «Mikrojets» mit hoher Geschwindigkeit in die grosse Blase injiziert und zerfällt dort in eine Wolke winziger Tröpfchen, die der inneren Strömung folgend durch die Blase wirbeln. Physikalisch entstehen die Wirbel durch einen thermischen Marangoni-Effekt an der Grenzfläche zwischen Gasblase und Elektrolyt: Hohe Stromdichten heizen die Grenzfläche lokal stark auf und verringern so deren Oberflächenspannung.

«Wir haben ein grandioses Grundlagenphänomen gefunden, dessen genaue Auswirkungen auf die Technologie wir zwar heute noch nicht quantifizieren können. Aber die Gasblasen und wie sie miteinander verschmelzen sind ein technologisch relevantes Problem in allen Elektrolyseur-Architekturen – es gibt also viel zu tun», fasst Eckert zusammen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Weitere Erkenntnisse soll das deutsch-niederländische Nachfolgeprojekt «ALKALAMIT» bringen.

www.hzdr.de

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