Die Schweiz ist auf die EU-Forschungsprogramme angewiesen. Das zeigt eine breit angelegte Studie, die von Scienceindustries in Auftrag gegeben wurde, um die Auswirkungen des eingeschränkten Zugangs zu «Horizon Europe» für die Schweiz einzuschätzen.
«Innovation gedeiht nicht im nationalen Alleingang, sondern sie braucht zwingend den internationalen Austausch», warnt Dr. Stephan Mumenthaler, Direktor von Scienceindustries, dem Wirtschaftsverband Chemie, Pharma und Life Sciences. Die Studie untersuchte den Mehrwert der Forschungsprogramme der Europäischen Union (EU) für die Schweiz und welche Effekte die eingeschränkte Beteiligung der Schweiz zwischen 2021 und 2024 hatte.
Eindeutiger Mehrwert der EU-Programme
Die Studie macht abstrakte Risiken greifbar. Die Autorinnen Dr. Dr. h.c. Haering und Sandra Wirth haben zahlreiche Expertinnen und Experten befragt und internationale Wirkungsmodelle ausgewertet. Das Ergebnis ist klar: Die EU-Forschungsprogramme bringen der Schweiz einen spürbaren wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen. Zwar konnten die Übergangsfinanzierungen zwischen 2021 und 2024 kurzfristig negative Effekte abdämpfen – den strukturellen Schaden verhindern sie nicht.
Die Simulation, die in der EU für die Abschätzung der Folge politischer Massnahmen verwendet wird, zeigt zudem, dass Horizon Europe das BIP in der EU um bis zu 0,17 Prozent (bezogen auf 2020) steigern kann – vor allem durch mehr Produktivität dank höherer Investitionen in Forschung und Entwicklung. Dabei wird deutlich: Forschungsinvestitionen wirken stärker, wenn sie grenzüberschreitend gebündelt werden, statt national vereinzelt zu bleiben.
Eingeschränkte Beteiligung schwächt Wettbewerbsfähigkeit
Diese makroökonomischen Simulationen der EU, das der Studie zugrundeliegende Wirkungsmodell und die Schätzungen des schweizerischen Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (2019) unterstreichen, dass sich die negativen Effekte der eingeschränkten Beteiligung der Schweiz an den EU-Programmen auf die Wettbewerbsfähigkeit der wissensbasierten Industrie insgesamt niederschlagen.
Die Schweiz verlor durch den eingeschränkten Zugang nicht nur einzelne Projekte, sondern an strategischer Präsenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Forschung über Innovation bis hin zu Marktgestaltung und Regulierung. Ihre Interessen waren im europäischen Wissenschafts- und Innovationsraum weniger sichtbar, weniger wirksam und weniger eingebunden. Und das in einer Zeit, in der globale Herausforderungen, wie der Klimawandel oder Sicherheitsfragen, nicht mehr im nationalen Kontext gelöst werden können. Besonders behindert waren gemäss Studie junge Forscherinnen und Forscher, Studierende sowie kleine und mittelgrosse Betriebe in Hightech-Branchen. Gerade diese Zielgruppen der EU-Programme sind für die Zukunft der Schweiz relevant.
Anschluss bei Zukunftstechnologien sichern
Eine Vollassoziierung der Schweiz an den EU-Programmen ist auch für die Wettbewerbsfähigkeit Europas relevant – insbesondere in Zeiten zunehmender Blockbildung und verschärfter Konkurrenz zwischen Europa, Asien und den USA. Durch den Ausschluss der Schweiz von zentralen Hightech-Bereichen wie Digitalisierung sowie Zukunftstechnologien wie Quantum, Halbleiter, Space oder Cyber werden letztlich beide Seiten behindert.
Grundlegende Innovationen basieren auf langfristigen Forschungen und auf Entwicklungen, die öffentlich gefördert wurden. Forschung und Innovation sind dabei auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen. Die Lösung liegt auf dem Tisch: Eine Assoziierung an Horizon Europe ist möglich – und dringend nötig. Die Schweiz darf sich die Chance der Bilateralen III nicht entgehen lassen.