Im Labor gezüchtete Mini-Organe werden bald die Entwicklung von neuen Medikamenten und personalisierten Therapien beschleunigen. In einem Workshop in Pratteln (BL) diskutierten Fachleute aus Industrie und Forschung die Fortschritte dieser innovativen Technologie.
Vor zwei Jahrzehnten entdeckten Forschende, wie sich mit Hilfe von Stammzellen menschliche Organ-Modelle im Miniaturformat züchten lassen. Die kleinen Zellhäufchen, Organoide genannt, sind kleiner als ein Millimeter – und doch benehmen sie sich wie eine Leber, ein Darm oder ein Gehirn. Das Potenzial der Organoide ist riesig: Sie können beispielsweise dabei helfen, neue Wirkstoffe zu testen, für jeden Patienten die beste Behandlung zu finden und die Zahl an Tierversuchen zu reduzieren.
Um dieses Ziel zu erreichen, fehlt nicht mehr viel. So das Fazit des zweitägigen Workshops «Next-Gen Organ-On-Chips & Organoids», der Mitte Februar im Haus der Wirtschaft in Pratteln stattfand. Auf Einladung des Schweizer Technologie-Innovationszentrums CSEM tauschten sich dort rund 400 Industrie-Expertinnen und -Experten über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Organoide aus und knüpften Kontakte für zukünftige Kollaborationen.
Organoide – Basel spielt in der oberen Liga mit
«Wir haben jetzt die Chance, dank der Kombination verschiedener Disziplinen schneller neue Therapien zu entwickeln», erklärt Gilles Weder, Leiter Forschung und Geschäftsentwicklung für Life Sciences am CSEM. Dafür müsse man den neuen globalen Trend der Biokonvergenz nutzen, beim dem alle Disziplinen zusammenspannen − von der Biologie über die Ingenieurswissenschaften bis hin zur Digitalisierung. CSEM, das auch im Innovation Park Allschwil (BL) einen Standort hat, will dabei die Brücke zwischen Forschung und Anwendung schlagen. «Unser Ziel ist, wissenschaftliche Erkenntnisse durch innovative Technologien zur Industriereife zu bringen, gemeinsam mit unseren Partnern aus Forschung und Wirtschaft», sagt Vincent Revol, Vizepräsident Industrie 4.0 & Life Sciences am CSEM.
Am Workshop wurde aufgezeigt, dass die Region Basel im Bereich der Organoide in der oberen Liga mitspielt: So berichtete Krebsforscher Mohamed Bentires-Alj von der Universität Basel über die erfolgreiche Herstellung von Organoiden aus dem Tumorgewebe von Brustkrebspatientinnen. Diese dienen dann quasi als Avatar des Tumors, an denen die Forschenden die Wirkung von verschiedenen Medikamenten testen können. In Einzelfällen habe dies schon zu Therapie-Entscheidungen beigetragen. Die Organoid-Technologie wird ebenfalls bei der Forschung im neu gegründeten Basler Botnar Institut für Immune Engineering eine Rolle spielen, wie CEO Stephen Wilson erzählte. Das Institut widmet sich der Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Bessere Medikamente in kürzerer Zeit entwickeln
Die grossen Basler Pharmafirmen setzen ebenfalls bereits auf die innovative Technologie: Katie Kubek, Principal Scientist bei Novartis Biomedical Research, stellte ein auf Darm-Organoiden basierendes System vor. Damit lassen sich Nebenwirkungen von Medikamenten wie Bauchschmerzen und Erbrechen besser untersuchen. Auch Adrian Roth, Leitender wissenschaftlicher Direktor bei Hoffmann-La Roche, setzt grosse Hoffnungen auf die Mini-Organe: «Sie bieten die Chance, bessere Medikamente in kürzerer Zeit zu den Patientinnen und Patienten zu bringen.» Er sagt voraus, dass sich die Organoide nach und nach in der Klinik und in der Medikamentenentwicklung durchsetzen werden.
Dabei helfen Fortschritte, die zahlreiche kleine und grosse Biotech-Firmen im Rahmen des Workshops vorstellten: Beispielsweise kleine Plastikchips, auf denen verschiedene Mini-Organe miteinander interagieren. Robotersysteme, die Aufzucht und Pflege der Organoide übernehmen. Oder Organoide, die wie echtes Gewebe von Blutgefässen und Immunzellen durchsetzt sind. Klar wurde jedoch auch, wo es noch Herausforderungen gibt: So braucht es etwa Künstliche Intelligenz, um die riesigen anfallenden Datenmengen zu bewältigen.