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Die Reifeprüfung

Reinigen von Käseformen in einer Käserei in Gruyères (FR). (Bild: Shutterstock)

Peptide, die während der Käsereifung entstehen, sind entscheidend für den vollmundigen Geschmack gereifter Sorten. Eine Forschungsgruppe an der Technischen Universität München hat jetzt eine neue Methode entwickelt, um diese geschmacksrelevanten Peptide präzise, schnell und effizient zu analysieren. Anhand von mehr als 120 Käseproben wurde zudem eine Datenbasis geschaffen, die sich künftig zur Vorhersage der Geschmacksentwicklung bei der Käsereifung nutzen lässt.

Käse ist ein wichtiger Bestandteil der westlichen Ernährung, derzeit gibt es mehr als 1000 verschiedene Sorten. Der Begriff «kokumi» kommt jedoch aus dem Japanischen und steht für ein vollmundiges und langanhaltendes Geschmackserlebnis. Besonders ausgeprägt ist der Geschmackseindruck bei gereiften Käsesorten – und vor allem auf die zunehmende Konzentration von Gamma-Glutamyl-Dipeptiden zurückzuführen. Das sind kleine Moleküle, die aus einer Verknüpfung zwischen Glutaminsäure und einer weiteren Aminosäure bestehen.

Je nachdem wie die beiden Aminosäuren verknüpft sind, unterscheiden Forschende zwischen Gamma-, Alpha- und X-Glutamyl-Dipeptiden, wobei die beiden letzteren nicht zum Kokumi-Effekt beitragen. Die hohe Polarität der Glutamyl-Dipeptide sowie ihre grosse strukturelle Ähnlichkeit bei unterschiedlichem Geschmacksbeitrag stellen eine grosse Herausforderung für die Lebensmittelanalytik dar.

Effiziente Analyse-Methode entwickelt

Der Gruppe um Studienleiter Andreas Dunkel vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie ist es dennoch gelungen, eine neue effiziente Analyse-Methode zu entwickeln, die auf Ultrahochleistungs-Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie basiert. Mit ihr lassen sich erstmals die Konzentrationen aller 56 Gamma-Glutamyl-Dipeptid-Varianten präzise und selektiv in nur 22 Minuten bestimmen. Eine optimierte Probenvorbereitung ermöglicht dabei die Analyse von 60 Käseproben pro Tag.

Kokumi

Kokumi steht nicht für eine eigenständige Geschmacksqualität wie süss, sauer, bitter, salzig oder umami, sondern bezeichnet eher einen vollmundigen, anhaltenden, abgerundeten und ausgewogenen Geschmackseindruck. Etymologen, die sich mit der Lehre von der Herkunft und Entwicklung von Wörtern beschäftigen, schreiben dem Wort drei verschiedene Bedeutungen zu: 1. schwer, dunkel (wie in Farben, z. B. Dunkelblau), 2. dick (wie in eingedickten Flüssigkeiten, z. B. Saucen), 3. stark (wie in Espresso).


«Das ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu anderen Methoden. Unsere Tests haben gezeigt, dass unsere Methode schneller, effizienter und trotzdem zuverlässig ist – sie liefert reproduzierbare Ergebnisse und erfasst bereits kleinste Konzentrationen», sagt Erstautorin Sonja Maria Fröhlich, Doktorandin am Leibniz-Institut. Um den Einfluss der Reifezeit auf die Gamma-Glutamyl-Dipeptid-Konzentrationen genauer zu untersuchen, wandten die Forschenden die Methode nach der Testphase auf 122 Käseproben aus Europa und den USA an. Die Reifezeiten der Käse lagen dabei zwischen zwei Wochen und 15 Jahren.

Schimmelkulturen beschleunigen Geschmacksentwicklung

Die in der Fachzeitschrift Food Chemistry publizierten Ergebnisse zeigen, dass die Konzentrationen von Glutamyl-Dipeptiden erwartungsgemäss mit zunehmendem Reifegrad ansteigen. «Interessanterweise führte die Zugabe von Blau- und Weissschimmelkulturen zu deutlich höheren Gamma-Glutamyl-Dipeptid-Konzentrationen, selbst bei kürzeren Reifezeiten», sagt Andreas Dunkel, der am Leibniz-Institut die Arbeitsgruppe Integrative Food Systems Analysis leitet.

Beladung eines Massenspektrometers mit Probenmaterial. (Bild: J. Krpelan, Leibniz-LSB, TUM)

Der promovierte Lebensmittelchemiker ergänzt: «Die von uns ermittelten Konzentrationsprofile für verschiedene Reifestadien und Käsesorten lassen sich zukünftig als Datenbasis für Vorhersagemodelle verwenden. Letztere könnten beispielsweise dazu dienen, die Geschmacksentwicklung während der Käsereifung objektiv zu überwachen, Reifezeiten zu verkürzen oder neue pflanzliche Käseprodukte mit hoher Verbraucherakzeptanz zu entwickeln.»

«Im Sinne eines interdisziplinären, lebensmittelsystembiologischen Forschungsansatzes ist eins unserer Ziele, analytische Forschungsergebnisse mit bioinformatischen Methoden zu verknüpfen, um Vorhersagemodelle zu entwickeln, die geeignet sind, eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Hier setzt auch das von Andreas Dunkel geleitete Projekt an», schliesst Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts.

www.leibniz-lsb.de

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