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Chemie- und Pharmaberufe Verbandes

Reinraum profitiert von Facebook-Milliarden

Abb. 1: Cleanzone Award 2024: Neben den Siegerinnen Alina Kopp (4.v.l.), Leiterin Forschung und Entwicklung bei der Dastex Group, Muggensturm, und Evi Held-Föhn (2.v.l.), Leiterin Prüflabor Biologie beim Entwicklungspartner DITF (Deutsches Institut für Textil- und Faserforschung) in Denkendorf, bietet das Feld der anderen Kandidaten weitere interessante Innovationen. (Bild: Messe Frankfurt Exhibition GmbH / Jochen Günther)

Eine neue Dichtigkeitsprüfung für Reinraumbekleidung hat aktuell den Cleanzone Award der gleichnamigen Reinraummesse in Frankfurt am Main abgeräumt, doch auch die fünf Wettbewerber zeugen von der hohen Innovationskraft der Branche und verdienen eine extra Würdigung.

Die neue ReBa²-Testmethode haben auf der Cleanzone das Unternehmen Dastex, Muggensturm, und das Deutsche Institut für Textil- und Faserforschung (DITF), Denkendorf, gemeinsam präsentiert. Das Kürzel ReBa² steht für Realitätsnahe Bakterienbarriere und ermöglicht die Bestimmung des Keimdurchgangs bei Reinraumbekleidungstextilien. Die neue biologische Methode stellt eine signifikante Verbesserung im Hinblick auf realitätsnahe Belastungen und hohe Flexibilität im Vergleich zu bisherigen Testmethoden dar.

Grosses Kino mit dem «21st Century Rob»

Als Wettbewerber traten gleich zwei Desinfektionsverfahren auf der Basis von UV-Strahlung an. Der als «Health Robot for the 21st Century» präsentierte Roboter mit dem Namen Hero21 von ICA, Dortmund, ist ein autonomer, mobiler UV-C-Desinfektionsroboter. Er verbindet die umfassend erforschten Vorteile der UV-C-Technologie mit der mobilen Robotik. Der gesamte Prozess läuft im Vergleich zur manuellen Desinfektion deutlich schneller.

Abb. 2: Desinfektion bis in jeden Winkel: der UV-Desinfektionsroboter Hero21 von ICA, Dortmund. (Bild: Ehrensberger)

Risikobereiche können gezielt länger und aus unterschiedlichen Winkeln bestrahlt werden. Das macht den UV-Roboter wirkungsvoller und schneller als stationäre UV-Quellen. Hero 21 schafft in zehn bis fünfzehn Minuten 25 Quadratmeter. Darüber hinaus verbessert der Hero21 die Desinfektionsqualität und vergrössert den Desinfektionsbereich. Gemäss Einzelkeimtest nach Din 17272 wird eine Keimreduktion um 88,55 erreicht.

Der UV-Roboter arbeitet bei 254 Nanometern. Diese UV-Strahlung zerstört die DNA von Mikroorganismen, doch auf für den Menschen ist sie eine Gefahr. Darum wird während der Desinfektion ein Sensor an die Tür gehängt, der den Roboter im Falle einer Türöffnung automatisch stoppt und ausschaltet.

Der Roboter lässt sich per Smartphone über eine App ansteuern. Der Anwender erhält nach Abschluss der Desinfektion eine Dokumentation. Der UV-Roboter hat bereits den Weg in die Praxis gefunden und ist zum Beispiel bei Bayer und im Universitätsspital Zürich im Einsatz.

Die UV Medico, Aabyhoej, Dänemark, schickte als Award-Kandidat die Human-Safe Far-UVC-Solution ins Rennen. Diese UV-Kabine ermöglicht es dem vollständig bekleideten Bedienpersonal, den Reinraum zu betreten, ohne dass Kittel, Maske, Schutzbrille, Handschuhe und andere Ausrüstungsteile mikrobiell kontaminiert sind. Mit einer vollständig berührungslosen Schnittstelle können die Bediener die UV-Kabine betreten und sie aktivieren, um einen zwanzig Sekunden schnellen und effizienten Dekontaminationsprozess einzuleiten. Eine spezielle Stufe sorgt sogar extra für die Dekontamination der Fusssohlen.

Abb. 3: Demonstration in der Schleuse (hier ohne Reinraumbekleidung): Mit einer für Menschen ungefährlichen, doch gegen Keime effektiven UV-Wellenlänge punktet UV Medico, Aabyhoej, Dänemark. (Bild: Ehrensberger)

Die UV-Kabine steht als Schleuse zurzeit in einer Ausführung für den Übergang zwischen den Reinraumklassen B und C zur Verfügung. In der Pharma-Industrie ist dieses Verfahren schon angekommen und ist dort auch in bestimmten Produktionsbereichen interessant, weil es biologische Strukturen nicht zerstört.

Abb. 4: Auch für die Desinfektion der Fusssohlen ist gesorgt. (Bild: Ehrensberger)

Statt der üblichen, für Menschen schädlichen Dekontaminationswellenlänge 254 Nanometer arbeitet die Human-Safe Far-UVC-Solution bei 222 Nanometer. So lassen sich Mitarbeiter in zwanzig Sekunden dekontaminieren, ohne sie zu gefährden. Ein weiterer Vorteil: Die verwendeten UV-Strahler kommen ohne Quecksilber aus – ein Vorteil für die Umwelt.

Mit einem aseptischen Bekleidungssystem für sterile Umgebungen ging das Unternehmen Elis, Saint-Cloud, Frankreich, an den Start: Elisair bedeckt die Haut vollständig und stellt eine kontrollierte Luftzufuhr sicher. Dafür sorgt ein in einen «Helm» integrierter Ventilator. Er führt Frischluft zu, was das CO2 in der verfügbaren Atemluft um 80 Prozent reduziert. Gleichzeitig kann die nach Annex 1 vorgeschriebene Vollbrille nicht beschlagen, weil sie immer wieder «freigeblasen» wird. So wird das Arbeiten im Reinraum ein ganzes Stück komfortabler und angenehmer empfunden. Der «Helm» wiegt nur 486 Gramm und bleibt etwa drei Jahre (6000 Stunden) funktionsfähig.

«Nichtraucher» als Next-level-Strömungsvisualisierung

Ein weiterer Cleanzone-Award-Kandidat, das «Flowbos-Verfahren» von Lavision, Göttingen, ermöglicht Luftstromtests ohne Rauch. Klassischerweise ist zwar ein Rauch-Test zur Strömungsvisualisierung im Reinraum üblich, teils sogar verpflichtend. Doch Rauch kann auch die Integrität des Produkts beeinträchtigen. So kam der Anstoss von einem Pharma-Unternehmen: «Wir brauchen den Next-level-Test!»

Abb. 11: Der «Nichtraucher» Flowbos von Lavision, Göttingen, macht Strömungsvisualisierung ohne potenziell produktverunreinigenden Rauch möglich. (Bild: Messe Frankfurt Exhibition GmbH / Jochen Günther)

Das «Flowbos-Verfahren» arbeitet ohne Rauch, verwendet stattdessen Edelgase und visualisiert ihre Strömung mit einer speziellen Kamera. Die bringt das Ergebnis sogar direkt auf den Monitor. So werden die Reinigungskosten erheblich gesenkt und Produktionsausfälle vermieden – und ebenso Kontamination durch Rauch-Rückstände. Das Verfahren kann zum Beispiel im Isolator und im RABS-Umfeld (Restricted Access Barrier System, physische Barriere zwischen dem Produktionsbereich und der Bedienerumgebung) angewendet werden.

Ein Dankeschön an den Facebook-Gründer

Die Mycleanroom, Heidelberg, setzte für den Cleanzone-Award-Wettbewerb auf eine neue VR-Brille für eine Reinraum-Reinigung mit Unterstützung durch «Mixed Reality» – virtuelle Realität und erweiterte Realität. Viele hatten zuvor gedacht, dass man virtuelle Unterstützung vor allem zu Schulungszwecken einsetzen könnte. Doch das neue System kann in Schulungssituationen und im Alltag eingesetzt werden.

Abb. 12: Die 28-Milliarden-Dollar-Investition «VR-Brille»: zunächst etwas für Gamer – jetzt für industrielle Zwecke attraktiv, insbesondere im Reinraum. (Bild: Ehrensberger)

Markus Thamm von Mycleanroom kommentierte am Rande der Messe: «Ein Dankeschön an Mark Zuckerberg! Er hat in die Entwicklung der VR-Brille 28 Milliarden investiert. Zunächst war sie etwas für Gamer, aber inzwischen können wir sie für industrielle Anwendungen nutzen.»

Diese Anwendungen gehen weit über ein virtuelles Spiel oder ein spielerisches Training hinaus. Da ist ein realer Tisch, und der Mitarbeiter reinigt ihn mit einem Tuch. Über die VR-Brille sieht er den Tisch in Farben, eine für «schon geputzt» und eine andere für „noch nicht geputzt“. Damit hat der Mitarbeiter die volle Kontrolle. Und auch der Kollege im Büro kann sich das Putz-Ergebnis auf seinen Bildschirm holen und im Falle eines Falles den Tipp geben: «Du musst in Raum 3 oben an der Wand nachputzen – ich markiere Dir das mal mit einer extra Farbe.»

Abb. 13: Fürs Training und für die tägliche Praxis: Das Mixed-Reality-System mit VR-Brille von Mycleanroom, Heidelberg, sichert ein reinraumadäquates Putz-Ergebnis. (Bild: Messe Frankfurt Exhibition GmbH / Jochen Günther)

Für all das braucht die Reinigungskraft nur die VR-Brille, keinen Computer und nicht einmal ein Kabel – eine ebenso einfache wie effektive Sache!

Spitze des Eisbergs der Innovationen

Die sechs Cleanzone-Award-Kandidaten hatte vor Messebeginn eine Jury ausgewählt. Insofern stellten sie nur die Spitze des Eisbergs dar. Darunter tummelten sich noch  viele andere interessante Innovationen. Sie haben die Cleanzone 2025 zu einer besonders lohnenswerten und lebendigen Messe gemacht.

Christian Ehrensberger

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