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Mit Biodiversitätsflächen gegen Schädlinge

Das Parlament hat sich kürzlich erneut gegen mehr Biodiversitätsförderflächen gestellt. Dass Ackerunkräuter auf Blühstreifen und der gleichzeitige Anbau verschiedener Pflanzen bei der Schädlingsbekämpfung helfen, zeigt eine Studie der Universität Bonn.
Beispiel für den Schutz der biologischen Vielfalt in Jutland, Dänemark: «Wilde Grenze» entlang eines landwirtschaftlichen Feldes zur Unterstützung von Bestäubern und anderen Tieren. (Bild: Shutterstock)

Das Parlament hat sich kürzlich erneut gegen mehr Biodiversitätsförderflächen gestellt. Dass Ackerunkräuter auf Blühstreifen und der gleichzeitige Anbau verschiedener Pflanzen bei der Schädlingsbekämpfung helfen, zeigt eine Studie der Universität Bonn.

Dass Betriebe mit mehr als drei Hektaren offener Ackerfläche mindestens 3,5 Prozent als Biodiversitätsförderfläche ausweisen müssen, wurde 2022 mit Verordnungen beschlossen, die das Risiko beim Einsatz von Pestiziden vermindern sollten. Die Einführung dieser Massnahme zur Pestizidreduktion wurde jedoch in der Schweiz bereits zum zweiten Mal verschoben. Jonas Schälle, Projektleiter Landwirtschaft bei Birdlife Schweiz, erklärt: «Damit ignoriert das Parlament den dringenden Handlungsbedarf im Bereich Biodiversität im Kulturland. Es gilt nun, das weit vorangeschrittene Insektensterben mit allen Mitteln zu stoppen, gemeinsam für die Natur und eine zukunftsfähige Landwirtschaft.»

Aus wissenschaftlicher Perspektive bietet die Artenvielfalt auf einem Acker diverse Vorteile. Da Pflanzen unterschiedliche Ansprüche haben, machen sie sich bei einem solchen Misch-Anbau weniger Konkurrenz als in einer Reinsaat. Sie nutzen das Wasser- und Nährstoffangebot besser aus und liefern in der Summe mehr Ertrag. Hinzu kommt, dass manche Arten – Bohnen sind dafür ein gutes Beispiel – Stickstoff aus der Luft binden und als natürlichen Dünger nutzen. Davon profitiert dann auch die andere Kultur.

«Pflanzenmischungen machen Unkräutern das Leben schwer», sagt Prof. Dr. Thomas Döring vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn. «Zudem werden sie deutlich weniger von Schädlingen befallen. Insekten sind meist auf eine Art spezialisiert; beim Mischanbau finden sie also einfach weniger passende Pflanzen vor.» Diese Vorteile sind wissenschaftlich belegt. Jetzt hat Döring mit seinem Mitarbeiter Dr. Séverin Hatt untersucht, ob sich diese Vorteile durch flankierende Massnahmen weiter steigern lassen.

Blühstreifen locken Blattlaus-Killer an

In einem zweijährigen Feldexperiment haben die Forscher dazu einerseits zwei verschiedene Mischungen angebaut: Bohnen und Weizen sowie Saatmohn und Gerste. Zusätzlich legten sie an den Feldrändern Biodiversitätsflächen an – also schmale Blühstreifen, auf denen Wildblumen wachsen. «Die Streifen locken nützliche Insekten an, die sich von Schädlingen ernähren», erklärt Döring. «Dazu zählen etwa Schwebfliegen oder Marienkäfer, deren Larven sehr effektive Blattlaus-Killer sind.»

Marienkäfer-Larve mit Blattläusen auf dem Versuchsfeld der Universität Bonn. (Bild: Universität Bonn, Séverin Hatt)

Tatsächlich nahm der Blattlaus-Befall der Mischkulturen in einer Entfernung von bis zu zwanzig Metern von den Blühstreifen deutlich ab. Hinzu kam ein weiterer Effekt: Mischungen aus Bohnen und Weizen oder Saatmohn und Gerste unterdrücken Unkräuter zwar auf natürliche Weise, aber nicht komplett. Wenn der Landwirt oder die Landwirtin nicht weitere Schritte ergreift, wachsen in unregelmässigen Abständen immer wieder Wildpflanzen hoch.

Rest-Unkräuter erleichtern es Nutzinsekten, sich auszubreiten

«Wir konnten zeigen, dass diese Rest-Unkräuter es Nutzinsekten erleichtern, sich weiter ins Feld auszubreiten», sagt Döring. «Dass sie den Ertrag gefährden, war hier nicht der Fall. Im Gegenteil – die Studie belegt, dass sie sogar bei der Schädlings-Bekämpfung helfen.» Die Ergebnisse wurden auf Flächen gewonnen, die nach Massgaben des Biolandbaus bewirtschaftet werden. Inwieweit sie sich auch auf die konventionelle Landwirtschaft übertragen lassen, muss noch untersucht werden.

Pestizide und Parkinson

Dass Biodiversitätsflächen auch im Sinne der Gesundheit des landwirtschaftlichen Personals wären, zeigen die weltweit steigenden Parkinson-Fälle. Die Nervenkrankheit wurde in Frankreich, Italien und kürzlich auch in Deutschland als Berufskrankheit von Bäuerinnen und Bauern anerkannt. Gemäss internationalen Studien soll die Krankheit unter anderem durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ausgelöst werden. Ein Vorstoss mit der Forderung, auch in der Schweiz Parkinson als Berufskrankheit zu listen, wurde kürzlich vom Nationalrat abgelehnt.

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Unter Öko-Bedingungen lässt sich jedoch schon jetzt eine eindeutige Empfehlung ableiten: Landwirtinnen und Landwirte sollten Blühstreifen anlegen, verstärkt zu Saatmischungen greifen und sich von den Restunkräutern nicht zu sehr beunruhigen lassen. Durch diese Kombination von Massnahmen lassen sich Schädlinge gut in den Griff bekommen und zugleich Unkräuter in ausreichendem Masse unterdrücken. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Journal of Pest Science erschienen.

Letztendlich wären Biodiversitätsflächen auch im Sinne der Gesundheit des Personals in der Landwirtschaft. So wurde die Nervenkrankheit Parkinson in Frankreich, Italien und Deutschland als Berufskrankheit von Bäuerinnen und Bauern anerkannt. Gemäss internationalen Studien soll die Krankheit unter anderem durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ausgelöst werden. Ein Vorstoss mit der Forderung, Parkinson in der Schweiz auch als Berufskrankheit zu listen, wurde kürzlich vom Nationalrat abgelehnt.

www.uni-bonn.de

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