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Impfungen gegen Krebs und Klima-Profiteure

mRNA kann möglicherweise so viel mehr als Corona lindern, zum Beispiel Krebs bekämpfen. (Bild: Adpic)

Die Impfstoffforschung hat durch Corona einen Schub bekommen. Nun kehren einige bekannte Hersteller von mRNA-basierten Impfungen zu den Wurzeln zurück und entwickeln Impfstoffe gegen diejenigen Krankheiten, gegen die mRNA-Impfstoffe sich ursprünglich richten sollten.

An erster Stelle steht dabei Krebs. Daneben hat es aber auch Impulse für Impfungen gegen ganz andere Viren gegeben. Dazu zählen verschiedene Erderwärmungs-Profiteure ebenso wie das mitunter lebensbedrohliche respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Und auch gegen die echte Grippe könnten sich aus den aktuellen Impfforschungen wirkungsvollere Strategien ergeben.

Krebs-Impfung von Biontech und Roche

Biontech gab kürzlich den Start einer Phase-2-Studie mit einer mRNA-basierten Immuntherapie bekannt. Sie ist für Patienten nach chirurgischer Entfernung eines sogenannten duktalen Adenokarzinoms der Bauchspeicheldrüse gedacht, eines soliden Tumors. Bei der Therapie handelt es sich um eine individualisierte Neoantigen-spezifische Immuntherapie.

Neoantigene sind neu auftretende Antigene auf Zelloberflächen und eignen sich zur Abgrenzung von befallenen bzw. Tumorzellen gegen gesunde Zellen. Neoantigene werden aber auch durch Virusinfektionen gebildet. Dies verdeutlicht, dass die mRNA-Technologie zwar durch Corona bekannt geworden ist, das dahinterstehende Konzept jedoch deutlich mehr vermag.

Den in der Studie eingesetzten Wirkstoff-Kandidaten «Autogene Cevumeran» entwickelt Biontech gemeinsam mit Genentech/Roche. Die Forscher erhoffen sich eine neue Therapieoption gegen einen Tumor, der mit einer Fünf-Jahres-Gesamtüberlebensrate von nur 8 bis 10 %, hohen Rezidivraten und begrenzten Behandlungsmöglichkeiten eine besonders schlechte Prognose aufweist.

Curevac will Krebs-Impfung ab 2028

Der Konkurrent Curevac war beim Kampf gegen Corona mit seinem Impfstoff zwar nicht erfolgreich, arbeitet aber mit GlaxoSmithKline an der Entwicklung eines Corona-Vakzins der zweiten Generation. Wie Biontech hat Curevac auch einen mRNA-basierten Krebs-Impfstoff in der Pipeline. Er richtet sich gegen das Glioblastom, den häufigsten bösartigen Hirntumor bei Erwachsenen. Zurzeit läuft eine klinische Phase-1-Studie mit Patienten, die gemäß der Standardtherapie bereits eine chirurgische Tumor-Entfernung und eine Strahlentherapie hinter sich haben. Eine erste Datenauswertung wird in der zweiten Jahreshälfte 2024 erwartet. Bis diese Krebs-Impfung marktreif ist, soll es allerdings noch mindestens fünf Jahre dauern.

Eine vielversprechende Strategie stellt auch das Single-cycle-Konzept mit seinem innovativen Wirkprinzip zwischen Lebend- und Totimpfstoff dar. Die Universität Basel und das Start-up Rocketvax, Basel, entwickeln es gegen das Corona-Virus und gleichzeitig gegen andere Erkrankungen. Dabei stehen das Dengue- und das Chikungunya-Virus ganz oben. Diese und andere Klimaveränderungs-Profiteure breiten sich mit Mückenarten, die bei wärmeren Temperaturen in Europa Einzug halten, bereits im Süden unseres Kontinents aus und haben in Italien (Chikungunya), Südfrankreich und Spanien (Dengue) zu Krankheitsausbrüchen geführt.

Allein für das Chikungunya-Virus wird der Markt auf 500 Millionen US-Dollar pro Jahr geschätzt, was auch Wettbewerber auf den Plan ruft. Rocketvax konkurriert hier mit der französischen Valneva, Saint-Herblain.

Dieses Impfstoff-Unternehmen meldete im November einen Durchbruch: Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat den lebend-attenuierten Single-Shot-Impfstoff Ixchiq von Valneva zur Vorbeugung einer durch das Chikungunya-Virus verursachten Erkrankung bei Personen ab 18 Jahren, die einem erhöhten Chikungunya-Infektionsrisiko ausgesetzt sind, zugelassen. Dies erfolgte sogar im Rahmen einer beschleunigten Zulassung (FDA «accelerated approval»). Das zeigt, als wie gefährlich diese Viruserkrankung angesehen wird.

Einer weiteren Chikungunya-Impfung befindet sich bei dem norwegischen Unternehmen Bavarian Nordic in der Pipeline. Es strebt eine Zulassung im Jahr 2025 an.

Rocketvax arbeitet darüber hinaus an einem Mittel gegen das für Kleinkinder lebensbedrohliche RSV. Allerdings hat die Berliner Charité bereits einen anderen RSV-Impfstoff zur Verabreichung während der Schwangerschaft in einer placebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudie der Phase 3 erfolgreich getestet.

mRNA gegen die echte Grippe

Ausserdem besteht für mRNA-Impfstoffe die Möglichkeit eines Einsatzes gegen Influenza, die echte Grippe. Sie sorgt für viele Todesfälle und ist sogar für grosse Epidemien der Vergangenheit verantwortlich. Man denke nur an die Spanische Grippe, die im Gefolge des Ersten Weltkriegs mehr Opfer forderte als der Krieg selbst!

Ein lohnendes zukünftiges Ziel für multivalente mRNA-Impfungen: Influenza-Viren; womöglich lässt sich die nächste schwere Grippeepidemie auf diese Weise verhindern. (Bild: Adpic)

Während die Corona-Spezialisten Biontech und Moderna Impfstoffe gegen die saisonale Grippe testen, arbeitet die Universität Pennsilvania (USA) an einem alternativen Konzept und sind nach Erfolgen bei Mäusen bereits mit klinischen Studien beschäftigt.

Die Wissenschaftler haben einen multivalenten Impfstoff mit zwanzig verschiedenen mRNA-Nanopartikeln designt. Das Entscheidende dabei: Mit der mRNA-Technologie als Plattform erweist sich die Herstellung von multivalenten Impfstoffen als deutlich weniger aufwendig, als dies bei der klassischen Grippe-Impfstoff-Produktion unter Verwendung von Hühnereiern denkbar wäre.

Nun hoffen die Wissenschaftler, dass sich ihre Impfstoff-Technologie über den Tierversuch hinaus auch bei Menschen als erfolgreich herausstellt. Dann wäre klar: Die Wirkung kann sich gegen viele und insbesondere auch gegen unbekannte Grippevirus-Varianten richten. Auf diese Weise liesse sich manche Pandemie verhindern.

ChemieXtra

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