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Nachgewiesen: Korrelation zwischen Pestizidbelastung und Fettleibigkeit

Eine überraschende gesundheitliche Auswirkung weit verbreiteter Umweltschadstoffe wurde vom Luxembourg Institute of Health ans Licht gebracht: Der bemerkenswerte Anstieg der Raten von Fettleibigkeit, Diabetes und Dyslipidämie.
Chronische Belastung durch Umweltschadstoffe wie zum Beispiel landwirtschaftlichen Pestiziden erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (Bild: Adpic)

Eine überraschende gesundheitliche Auswirkung weit verbreiteter Umweltschadstoffe wurde vom Luxembourg Institute of Health ans Licht gebracht: Der bemerkenswerte Anstieg der Raten von Fettleibigkeit, Diabetes und Dyslipidämie.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Cardiovascular Diseases: CVD) sind die häufigste Todesursache und machten 2019 weltweit ein Drittel aller Todesfälle aus. Es wurden sowohl verhaltensbedingte als auch klinische Risikofaktoren für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt, wobei letztere vermutlich mit der Exposition gegenüber Umweltschadstoffen wie polychlorierten Biphenylen (PCB) und Pestiziden zusammenhängen.

PCB sind eine Gruppe synthetischer Chemikalien, die in verschiedenen industriellen und gewerblichen Anwendungen wie Transformatoren, elektrischen Kondensatoren und Farben verwendet werden. Eine breite Palette von Pestiziden wird in der Lebensmittelproduktion und -konservierung sowie im privaten und gewerblichen Bereich eingesetzt, wobei der weltweite Verbrauch auf etwa drei Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt wird. Die Allgemeinbevölkerung ist also über Lebensmittel, Wasser und Luft chronisch geringen Mengen an Pestiziden ausgesetzt.

Daten aus Luxemburg und Wallonien

Obwohl die biologischen Mechanismen, die den Auswirkungen der Pestizidexposition zugrunde liegen, noch nicht vollständig geklärt sind, deuten experimentelle und epidemiologische Studien auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Pestizidexposition und Gewichtszunahme, Fettleibigkeit, Insulinresistenz, Glukoseintoleranz, Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen und/oder Kardiotoxizität hin.

In einer erstmalig durchgeführten Studie untersuchte Prof. Brice Appenzeller, Gruppenleiter der Human Biomonitoring Research Unit am Luxembourg Institute of Health, anhand von Daten aus der «Nescav»-Erhebung (Nutrition, Environment and Cardiovascular Health) den möglichen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck und Dyslipidämie sowie der PCB- und Pestizidbelastung. Nescav, eine bevölkerungsbezogene Querschnittsstudie zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Belastung durch Umweltverschmutzung und dem kardiovaskulären Risiko, erstreckte sich auf zwei benachbarte Regionen: Wallonien in Belgien und Luxemburg. Sie wurde im Zeitraum von 2007 bis 2013 durchgeführt und umfasste 3006 ortsansässige Erwachsene im Alter von 18 bis 69 Jahren. Die Daten wurden mittels eines selbst ausgefüllten Fragebogens, klinischer und anthropometrischer Messungen sowie Blut-, Urin- und Haarproben erhoben.

Eine Reihe von Korrelationen

«Unsere Studie ergab Zusammenhänge zwischen der Prävalenz von CVD-Risikofaktoren und der chronischen Umweltexposition gegenüber PCBs und Pestiziden in der belgischen und luxemburgischen erwachsenen Bevölkerung», erklärt Dr. Feng-Jiao Peng von der Human Biomonitoring Research Unit, Hauptautor der Veröffentlichung. «Am auffälligsten war die Korrelation mit Fettleibigkeit, die sowohl bei der luxemburgischen als auch bei der belgischen Bevölkerung mit persistenter und nicht-persistenter Pestizidbelastung in Verbindung gebracht wurde.»

Andere CVD-Risikofaktoren, die von der Schadstoffexposition beeinflusst wurden, waren Diabetes, der mit γ-HCH, PCP, PNP, Fipronil, Fipronilsulfon und Oxadiazon in Verbindung gebracht wurde und von dem Männer in Luxemburg bei weitaus geringerer Exposition betroffen waren als Frauen; Bluthochdruck, der mit Chlorpyrifos, Fipronil, Oxadiazon und Diflufenican in Verbindung gebracht wurde; und Dyslipidämie, die mit Chlorpyrifos, Cl2CA, Trifluralin und Diflufenican in Verbindung gebracht wurde. Interessanterweise war die Dyslipidämie, das heisst das Ungleichgewicht der Fette im Körper, in allen Teilnehmergruppen sehr häufig, wobei die Prävalenz zwischen 62,6 Prozent bei belgischen Frauen und 77,7 Prozent bei luxemburgischen Männern lag. Wie bei Fettleibigkeit, Diabetes und Bluthochdruck wurden in der Studie bei allen Teilnehmergruppen Zusammenhänge zwischen Dyslipidämie und Schadstoffen festgestellt.

«Wir konnten einen noch nie dagewesenen Zusammenhang zwischen CVD-Risikofaktoren und der chronischen Umweltexposition gegenüber derzeit verwendeten Pestiziden feststellen, die in vielen Ländern immer noch verwendet werden. Ihr Zusammenhang mit CVD-Risikofaktoren und der Art und Weise, wie sie sich auf CVD-Risikofaktoren auswirken, sind Themen, die weiter untersucht werden müssen, um Menschen weltweit zu schützen.» fasst Prof. Appenzeller zusammen.

Prof. Brice Appenzeller, Gruppenleiter der Human Biomonitoring Research Unit am Luxembourg Institute of Health

Die Ergebnisse ergänzen die bestehenden Belege dafür, dass die Exposition gegenüber chlororganischen Pestiziden zur Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen kann. Die Studie war die erste, in der Haarproben zur Untersuchung von CVD-Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Schadstoffbelastung verwendet wurden. Veröffentlicht wurde sie im Journal of Hazardous Materials.

www.lih.lu

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