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Studie prognostiziert Versorgungslücke bei grünem Kerosin

2030 könnten weltweit etwa 22 Millionen Tonnen SAF fehlen. Das ist in etwa so viel wie im gleichen Jahr produziert werden kann.
Zur Erreichung der Klimaziele sind alle Stakeholder der Luftfahrtindustrie gefragt, koordiniert zu handeln und massiv zu investieren. (Bild: Pixabay, b1-foto)

2030 könnten weltweit etwa 22 Millionen Tonnen SAF fehlen. Das ist in etwa so viel wie im gleichen Jahr produziert werden kann.

Die Luftfahrt steuert auf eine substanzielle Versorgungslücke mit grünem Kerosin zu und läuft Gefahr, aus diesem Grund ihre Klimaziele zu verfehlen. Das geht aus der Studie «From Feedstock to Flight: How to unlock the potential of SAF» von Strategy & von PwC hervor. Bereits 2030 könnte die Branche demnach weltweit etwa 46 Millionen Tonnen Sustainable Aviation Fuel (SAF) benötigen, um regulatorischen Anforderungen sowie eigenen Zielen auf dem Weg zu Nettonull gerecht zu werden. Beim aktuellen Ausbautempo der dafür notwendigen Infrastruktur und Raffinerien können 2030 nach Berechnungen der International Air Transport Association (IATA) allerdings höchstens 24 Millionen Tonnen SAF produziert werden, was einer Lücke von fast 50 Prozent des Bedarfs entspricht. Um diese zu schliessen und ihre Klimaziele noch zu erreichen, müsste die Branche laut der Studie bis 2030 mindestens 100 Milliarden Euro investieren. Bis 2035 steigt der Investitionsbedarf auf 215 Milliarden an, bis 2050 liegt er bei mehr als 1000 Milliarden.

SAF für grüne Luftfahrt unverzichtbar

Aktuell trägt die Luftfahrt etwa 2,5 Prozent zum globalen CO2-Ausstoss bei. Allerdings will die Branche bis 2050 CO2-neutral operieren. Um dieses Ziel trotz zunehmenden Flugverkehrs zu erreichen, setzen viele Airlines auf SAFs – eine Sammelbezeichnung für biologische und synthetische Kraftstoffe, mit denen auch herkömmliche Flugzeuge betankt werden können und sich 66 bis 94 Prozent der CO2-Emissionen einsparen lassen. Über die Technologie hat ChemieXtra im August 2023 im Fachartikel «Weshalb wir synthetische Treibstoffe brauchen» berichtet.

Zwei SAF-Typen im Fokus

Unterschieden wird dabei zwischen mehreren SAF-Typen, wobei zwei Arten in der Studie näher betrachtet wurden. HEFA-SAF (Hydrotreated Esters and Fatty Acids) wird aus Bio-Abfällen, Ölen und Lipiden gewonnen und lässt sich bereits in grösseren Mengen herstellen, während PtL-SAF (Power-to-Liquid) auf Wasserstoff basiert, mehr Emissionen einspart, allerdings technisch bisher auch weniger ausgereift ist und vermutlich deutlich teurer sein wird. Die Luftfahrt benötigt für ihre Klimaziele von beiden Typen grosse Mengen.


Zudem greifen regulatorische Quoten: So muss etwa Treibstoff an EU-Flughäfen bereits 2030 mindestens sechs Prozent SAF enthalten. Japan schreibt für internationale Flüge bis 2030 einen SAF-Anteil von zehn Prozent vor. Ausserdem müssten laut Studie zur Erreichung des Net-Zero-Ziels 100-200 SAF-Raffinerien ihren Betrieb bis 2030 aufnehmen.

«Grünes Kerosin ist aktuell die einzige wirtschaftlich sinnvolle Technologie, um klimafreundlicheres Fliegen zu ermöglichen. Allerdings hinkt die Branche beim Ausbau der notwendigen Infrastruktur und beim Hochfahren der Produktionskapazitäten aus unterschiedlichsten Gründen hinter den eigenen Ansprüchen und regulatorischen Vorschriften her», sagt Simon Treis, Partner bei Strategy& Schweiz. «Wir beobachten derzeit bei allen Akteuren eine enorme Verunsicherung, etwa was zukünftige Vorschriften, das Reporting und Accounting, aber auch die Verfügbarkeit der benötigten Ausgangsstoffe sowie die Skalierbarkeit der Produktionstechnologien und das Thema Investitionssicherheit angeht. Zugleich hat sich eine gewisse Entscheidungsträgheit eingeschlichen, weil alle erst einmal die Schritte der jeweils anderen Akteure sowie die politischen Vorschriften abwarten, bevor sie selbst loslegen.» 

In fünf Schritten aus der Versorgungslücke

Um diese Hürden zu überwinden, schlägt die Studie einen fünfteiligen Aktionsplan vor, der für beide SAF-Typen gilt. Zunächst sollte die Branche die Skalierbarkeit der Raffinerien unter Beweis stellen, etwa durch erfolgreiche Pilot-Anlagen. Ausserdem geht es darum, die Versorgung mit den für die SAF-Herstellung benötigten Grundstoffen sicherzustellen. Bei HEFA-SAF betrifft das vor allem Bio-Abfälle, bei PtL-SAF grosse Mengen günstiger erneuerbarer Energie sowie CO2. Drittens können auf dieser Basis finanzielle Risiken minimiert werden, etwa durch Subventionen oder Kooperationsmodelle. Internationale Standards, klare regulatorische Vorschriften und eine global anerkannte SAF-Zertifizierung sind weitere wichtige Schritte. Zuletzt muss die Branche die Öffentlichkeit von den Vorteilen der Technologie überzeugen.

«Die Luftfahrt steht derzeit vor einer ähnlich tiefgreifenden Transformation. In den kommenden Jahrzehnten werden sich auch hier vollkommen neue Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle mit enormen Wachstumschancen entwickeln. Das fängt beim Sammeln und Aufbereiten der Bio-Abfälle an, geht über die Herstellung der Raffinerie-Ausrüstung bis hin zu SAF-Händlern», sagt Dirk Niemeier, Co-Studienautor und Director bei Strategy& Deutschland. Damit sich dieses neue SAF-Ökosystem entwickeln kann, braucht es allerdings eine schnelle und konzertierte Kraftanstrengung aller Stakeholder, die angetrieben wird von einer gemeinsamen Vision sowie einer Prise Pragmatismus. Dazu gehört auch, mögliche negative Effekte, wie etwa die missbräuchliche Nutzung von Nahrungsmitteln zur Herstellung von Bio-Abfällen für die SAF-Produktion, offen anzusprechen und möglichst frühzeitig zu unterbinden.»

www.strategyand.pwc.com/ch

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