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Auf dem Weg zur Superzutat

Durch das Emulgieren von Buriti-Öl mit Molke wurde an der Universität Freiburg eine neue Zutat geschaffen, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken zum Einsatz kommen könnte. Diese ist nicht nur gesund und nachhaltig, sondern soll auch Verdauungsprozesse gezielt beeinflussen.
Steinfrucht der Buriti-Palme (Mauritia flexuosa), die im nördlichen Südamerika vorkommt und von der lokalen Bevölkerung vielfach als Nahrungs- und Nutzpflanze verwendet wird. (Bild: Shutterstock)

Durch das Emulgieren von Buriti-Öl mit Molke wurde an der Universität Freiburg eine neue Zutat geschaffen, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken zum Einsatz kommen könnte. Diese ist nicht nur gesund und nachhaltig, sondern soll auch Verdauungsprozesse gezielt beeinflussen.

Können Sie sich Lebensmittel vorstellen, die ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl erzeugen und gleichzeitig reich an Nährstoffen sind? Eine Wunschvorstellung für alle, die eine strenge Diät einhalten müssen. Das Team um Professor Stefan Salentinig vom Departement für Chemie der Universität Freiburg ist dieser Vorstellung nun einen Schritt nähergekommen. Durch die Kombination und Optimierung der Vorteile von Molke und Buriti-Öl, zusammen mit innovativer Analytik, haben die Wissenschaftler eine vielversprechende neue Klasse gesunder funktioneller Lebensmittelmaterialien entwickelt. Ihre Arbeit wurde in der Fachzeitschrift Advanced Functional Materials veröffentlicht.

Aussergewöhnliche Eigenschaften

Molke ist eine blassgelbe Flüssigkeit, die nach der Gerinnung der Milch bei der Käseherstellung im Kessel zurückbleibt. Ihre Proteine sind eine wertvolle Nährstoffquelle mit hoher Verdaulichkeit und einem hohen Gehalt an Aminosäuren. Aus Molke wird zum Beispiel auch Milchserum gewonnen, dessen prominentester Abnehmer in der Schweiz wohl Rivella ist. Milchserum ist Milch ohne Eiweiss und Fett, enthält aber Milchzucker, Mineralstoffe und Vitamine.

Auch die Rivella AG hat die Gesundheit im Visier: Die jüngsten Sorten weisen einen um über 40 Prozent tieferen Zuckergehalt aus. (Bild: Rivella)

Buriti-Öl ist eine einzigartige Nährstoffquelle, die aus der amazonischen Superfrucht Buriti (Mauritia flexuosa) gewonnen wird. Das Öl ist von Natur aus reich an Carotinoiden, Vitamin E und C, Phytosterolen, Phenolverbindungen und ungesättigten Fettsäuren, was durch die chemische Analyse in dieser Studie aufgezeigt wird. «Diese aussergewöhnlichen Eigenschaften machen Buriti-Öl zu einer idealen Zutat für die Entwicklung innovativer Lebensmittel», erklärt Rafael Freire, an der Studie beteiligter Doktorand, «abgesehen davon, dass sein einzigartiger Gehalt an Antioxidantien eine längere Haltbarkeit der Endprodukte ermöglicht, und auch potenzielle gesundheitliche Vorteile mit sich bringt.»

Durch das Emulgieren von Buriti-Öl mit Molke gelang es dem Forscherteam, eine neue Zutat zu schaffen, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken zum Einsatz kommen könnte. Durch gezielte Manipulation konnten die darin entdeckten natürlichen Strukturen bestimmte Eigenschaften erzeugen, welche die Zugänglichkeit von Nährstoffen während der Verdauung fördern und den Verdauungsprozess beeinflussen können.

Verdauungsprozesse beobachtet

Die Forschung stützt sich auf ein extra für diese Studie entwickeltes künstliches Modell der Verdauung, das die oralen, gastrischen und intestinalen Schritte simuliert. Durch den Einsatz modernster Technologien wie die Röntgenkleinwinkelstreuung (SAXS), Tieftemperatur-Elektronenmikroskopie und Lichtstreuung konnten die Wissenschaftler die Veränderungen in Echtzeit beobachten, welche die Nahrungsmittel im Laufe der Verdauung durchlaufen. «Mithilfe von Emulsionstechniken und Struktur-Design können wir die Struktur dieser Lebensmittel von der molekularen bis zur mikroskopischen Skala anpassen», erklärt Stefan Salentinig, Professor für physikalische Chemie und Leiter des Projekts. «Wir konnten so gezielte Eigenschaften und damit spezifische Wirkungen erzielen, zum Beispiel um Diätpflichtigen zu helfen, länger satt zu bleiben, was ihre Behandlung erträglicher macht. Ebenso konnten wir die Verfügbarkeit und Aufnahme von Nahrungsbestandteilen in den Körper zu verbessern oder an die persönlichen Zustände einer Person anpassen.»

Abgesehen von ihrer wissenschaftlichen und ernährungswissenschaftlichen Bedeutung hat diese Forschung zwei wichtige Vorteile: Erstens fördert sie eine Kreislaufwirtschaft, indem sie Molke als Nebenprodukt der Milchindustrie in eine wertvolle Zutat für künftige Nahrungsmittel umwandelt. Zweitens hat die Ernte der Buriti-Früchte einen sozioökonomischen Wert für die Menschen in den Amazonasregionen und bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Studie hebt auch die Vorteile interdisziplinärer Forschung hervor, die in diesem Fall grundlegende und angewandte Aspekte von Physik, Chemie, Materialtechnik, Ernährungswissenschaft und Biologie miteinander verbindet. Diesbezüglich relevant: 2024 soll das Forschungs- und Innovationszentrum für Ernährung (FRIC) der Universität Freiburg eröffnet werden.

www.unifr.ch

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